Frauen und Männer reden am Fenster eines Bürogebäudes
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Gleicher Lohn für Frauen

Islands Genderlohngesetz trägt erste Früchte

Vergangenes Jahr hat Island ein Gesetz erlassen, das den Gender Pay Gap schrittweise schließen soll. Das Gesetz, das seit 1. Jänner gilt, besagt, dass Frauen und Männer bei gleicher Arbeit gleich viel verdienen müssen. Erste Ergebnisse lassen sich schon nach einem halben Jahr erkennen – etwa im öffentlichen Dienst.

Als Exempel nennt das Nachrichtenportal Bloomberg etwa das isländische Amt für Liegenschaften (Landmaelingar Islands, LMI). Teilzeitangestellte Frauen verdienen dort laut Bloomberg nun pro Monat 4,5 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Doch nicht nur Ämter haben sich an die neue Regelung zu halten, sondern auch jedes Privatunternehmen mit mehr als 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

So trifft es auch Islands größtes Fischereiunternehmen Vestmannaeyjar Iceland (VSV), bei dem ein Großteil der 350 Beschäftigten mehrheitlich männliche Fischer sind. Zwar beschrieb VSV, das auch international tätig ist, Bloomberg zufolge den Prozess als „kompliziert“ und „teuer“, immerhin habe die Firma aber auch ein Consultingunternehmen engagiert, um den Gender Pay Gap zu schließen, so VSV-Personalchefin Lilja Bjorg Arngrimsdottir.

2022 letzte Frist für Unternehmen

Die Finanzierung koste den Unternehmen jeweils ungefähr 17.000 Euro plus etwaige Extrakosten für Beratung und Fortbildungen. Das Gesetz greift freilich nicht nur bei inländischen, sondern auch bei ausländischen Unternehmen. Als Positivbeispiel nennen isländische Medien gerne den schwedische Möbelriesen Ikea, dessen Beschäftigungsverhältnis zwischen Männern und Frauen allerdings auch weltweit schon nahezu ausgeglichen ist.

Die isländische Premierministerin Katrin Jakobsdottir
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Katrin Jakobsdottir von der links-grünen Bewegung ist seit November 2017 Premierministerin

Egal um welches Unternehmen es sich handelt – Premierministerin Katrin Jakobsdottir, 42 Jahre alt und Mutter von drei Buben, hat große Ziele in puncto geschlechtergerechter Bezahlung: Bis 2022 will sie Islands Gender Pay Gap vollständig schließen. Dafür müssen Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten den neuen Auflagen bis Jahresende gerecht werden. Firmen mit weniger Arbeitskräften haben noch etwas länger Zeit. Können die Betriebe bis zum Stichtag kein entsprechendes Antidiskriminerungszertifikat vorweisen, wird eine Strafe von 50.000 Isländischen Kronen (ca. 400 Euro) fällig – und zwar pro Tag.

Per Gesetz müssen zudem mindestens 40 Prozent der Arbeitnehmenden in isländischen Unternehmen Frauen sein. Die Frauenerwerbstätigenquote lag zuletzt schon bei 89 Prozent. Und auch auf Männer wirken sich die jüngsten Gesetzesmaßnahmen positiv aus: Sie erhalten per Gesetz drei Monate bezahlte Väterkarenz.

Nur Fähigkeiten dürfen zählen

Auch anderweitige Diskriminierung am Arbeitsplatz, etwa gegen das Aussehen, sexuelle Orientierung oder ethnische Herkunft, ist in Island streng untersagt. Auf diese Weise ermöglicht die Gesetzgebung zudem bessere Chancen für Migrantinnen und Migranten sowie Menschen mit Behinderung. Einzig und allein die Qualifizierung einer Arbeitnehmerin bzw. eines Arbeitnehmers darf als Maßstab für mehr oder weniger Gehalt herangezogen werden. Neben Kenntnissen und Erfahrung können hierbei noch besondere Arbeitsbedingungen, das Maß an Verantwortung sowie besondere physische und psychische Belastungen als Richtlinie für Gehälter dienen.

Häufig sei die erste panische Reaktion vieler männerdominierten Firmen in Island gewesen, die Jobbeschreibungen dementsprechend anzupassen, um Ungleichbehandlung zu rechtfertigen, schreibt Bloomberg. Die Angst vieler Arbeitgeber sei groß gewesen. Schließlich gibt es nirgendwo anders auf der Welt ein vergleichbares Gesetz. Zwar arbeiten etliche Staaten mehr und mehr in Richtung Gehältertransparenz, jedoch verhängen sie keine Sanktionen gegen Verstöße.

Österreich plant keine Schritte

Islands früheres Kabinett, bestehend aus sieben Männern und vier Frauen, verabschiedete das Gesetz bereits vergangenes Jahr – genau zu jenem Zeitpunkt, als die „#MeToo“-Bewegung die Gesellschaft weltweit wachrüttelte. Andere Länder nehmen sich Island bereits zum Beispiel, etwa Deutschland, die Schweiz, Südkorea und Panama. Österreich gehört nicht dazu. Die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ planen keine Schritte in diese Richtung. FPÖ-Frauensprecherin Carmen Schimanek betonte im März gegenüber ORF.at, es sei aufgrund der unterschiedlichen Lohnsysteme nicht auf Österreich anwendbar. Österreich liegt beim Gender Pay Gap Index des World Economic Forum auf Platz 52 (Stand: 2016).

Island verteidigt in dem Ranking seit neun Jahren Platz eins. Dennoch verdienen isländische Männer für die gleiche Arbeit derzeit immer noch zehn bis zwölf Prozent mehr als Frauen. Diese Berechnungen stellte die Behördenstelle BSI Iceland auf, die sich auch um die Umsetzung des neuen Gesetzes kümmert und Fortschritte sowie Rückschritte genau beobachtet.

Jahrelange Vorarbeit

„In den meisten Fällen ist die Diskriminierung unbewusst“, erklärte Arni Kristinsson, Generaldirektor bei BSI, gegenüber Bloomberg. Die unterschiedliche Bezahlung zwischen den Geschlechtern rühre meist daher, dass Männer durch ihre Besserstellung in der Gesellschaft auch ihre Fähigkeiten in Gehaltsverhandlungen häufig besser verkaufen können als Frauen, die sich statistisch gesehen eher mit weniger zufriedengeben würden. Genau hier würde das neue Gesetz ansetzen, so Kristinsson.

Die isländische Gesellschaft verfügt über jahrelange Erfahrung im Kampf für mehr Gleichberechtigung. Ein in Island bekanntes Datum ist deshalb der 24. Oktober 1975. An diesem Tag traten unzählige Frauen in Streik, auch Hausfrauen und Mütter, um gegen ungleiche Bezahlung zu demonstrieren. Ihnen zu Ehren wurde der Streik im Jahr 2016 wiederholt, als Frauen ihre Arbeitsstätten genau um 14.38 Uhr verließen – jene Minute, ab der Frauen an einem Arbeitstag im Schnitt im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen nicht mehr bezahlt werden.