US-Präsident Donald Trump
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NATO-Gipfel

Großes Zittern vor Trump

Zum zweiten Mal reist US-Präsident Donald Trump am Mittwoch zum NATO-Spitzentreffen nach Brüssel. Erst trifft er Generalsekretär Jens Stoltenberg, anschließend finden Sitzungen statt. Dabei stehen alle Zeichen erneut auf Streit über die Verteidigungsausgaben. Trump wirft vielen NATO-Verbündeten vor, sich trotz florierender Wirtschaft auf Kosten der USA beschützen zu lassen.

Trump fordert vehement, dass alle Mitglieder bis 2024 „mindestens“ zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) für Verteidigung ausgeben. Die USA würden ungerecht behandelt, das Ausmaß der Verteidigungsausgaben einzelner Staaten sei zu unausgeglichen.

Unmittelbar vor seinem Abflug nach Brüssel bekräftigte der US-Präsident seine Kritik noch einmal. „Die USA zahlen ein Vielfaches mehr als jedes andere Land, nur um sie zu beschützen. Nicht fair für den amerikanischen Steuerzahler“, schrieb Trump auf Twitter. Sein Hauptsündenbock ist einmal mehr die deutsche Kanzlerin Angela Merkel.

USA geben am meisten aus

EU-Ratspräsident Donald Tusk konterte prompt und forderte Trump auf, beim Gipfel nicht nur über Verteidigungsausgaben zu reden. „Die Europäer geben heute ein Vielfaches dessen für Verteidigung aus, was Russland ausgibt, und genauso viel wie China“, sagte Tusk am Dienstag am Rande der Unterzeichnung einer neuen NATO-EU-Erklärung in Brüssel. Er hoffe, Trump zweifle nicht daran, dass das eine Investition in die gemeinsame Sicherheit sei. Etwas hoffnungsvoller gab sich indes Stoltenberg. Zwar stellt er sich auf „robuste Diskussionen“ ein, allerdings „bin ich zuversichtlich, dass über die grundlegenden Dinge Einigkeit herrschen wird“, so der NATO-Generalsekretär.

US-Präsident Donald Trump geht an Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel vorbei
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Trump fühlt sich ungerecht behandelt. Deutschland müsse mehr in den NATO-Topf einzahlen, findet er.

Tatsächlich geben die USA so einiges für Verteidigung aus. Im letzten Jahr sollen es NATO-Daten zufolge fast 582 Milliarden Euro gewesen sein. Das sind 3,57 Prozent der US-Wirtschaftsleistung und fast 72 Prozent aller Verteidigungsausgaben in der NATO. Im Vergleich dazu stellte Deutschland 2017 40,4 Milliarden Euro für die Verteidigung bereit – 1,24 Prozent der Wirtschaftsleistung. In seiner Forderung bezieht sich der US-Präsident auf einen Beschluss des NATO-Gipfels von Wales im Jahr 2014. Damals hätten die Alliierten allerdings nur vereinbart, so die deutsche Interpretation, ihre Ausgaben bis 2024 „in Richtung zwei Prozent“ zu erhöhen.

Dabei hat es durchaus Gründe, warum viele NATO-Länder ihre Ausgaben stark zurückschraubten. Während der US-Wehretat durch die Weltmachtstellung und die Kriege in Afghanistan sowie im Irak weiter stieg, waren andere Länder mit dem Friedenserhalt nach dem Kalten Krieg beschäftigt. In Deutschland etwa fielen durch das Einstreichen der Friedensdividende die Verteidigungsausgaben auf einen Tiefstand von nur 1,18 Prozent in den Jahren 2014 und 2015. Aufgrund der wachsenden deutschen Wirtschaft versprach Merkel Trump aber eine Erhöhung auf 1,5 Prozent bis 2025.

Trump stellt militärischen Beistand infrage

Der Zwist über die Ausgaben droht den NATO-Gipfel zu überschatten. Trumps Blockadehaltung hatte das Treffen im Mai bereits beinahe zum Fiasko werden lassen. Obendrein zog Trump die Bereitschaft der USA in Zweifel, Länder mit geringeren Verteidigungsausgaben im Ernstfall militärischen Beistand zu leisten. Expertinnen und Experten fürchten gar, die 29 Staats- und Regierungschefs würden sich deshalb nicht auf eine Abschlusserklärung am Donnerstag einigen können.

Im Vergleich zu früheren Konflikten im Bündnis unterscheide sich die Situation heute dadurch, dass Trump offenbar bereit sei zu gehen, schreibt die dpa. Ratsam sei das freilich nicht, so Tobias Bunde, Experte der Münchner Sicherheitskonferenz, zur dpa. Ohne NATO könnten sich die USA schnell gezwungen sehen, „drei oder vier Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben“.

Voller Terminkalender für zwei Tage

Trotz negativer Stimmung im Vorfeld hätte die NATO einiges zu beschließen – auch um die Glaubwürdigkeit ihrer Abschreckungsdoktrin aufrechtzuerhalten: etwa eine schnellere Einsetzbarkeit ihrer Truppen im Ernstfall. Zwar umfasst der schnell einsetzbare Kampfverband rund 40.000 Soldaten und Soldatinnen, doch ob ihre Verfügbarkeit auch wirklich gewährleistet ist, stellen mehrere Bündnispartner infrage. Auf Druck der USA soll die „4x30“-Regel helfen: 30 Heeresbataillone, 30 Flugzeugstaffeln und 30 Schiffe oder U-Boote sollen binnen 30 Tagen verlegbar sein.

Donald Trump am NATO-Gipfel im Mai 2018
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Beim letzten NATO-Gipfel regte Trump mit rüpelhaftem Verhalten auf, was ihm herbe Kritik einbrachte

Auch geht es um neue Kommandozentralen zum ausreichenden Schutz und zur Versorgung der Truppen. Dazu gehören auch Kommunikation und Infrastruktur (Stichwort: Unterseedatenkabel), die mit 1.200 neuen Posten aufgestockt werden sollen. Zusätzlich soll die militärische Mobilität erhöht, also Zollformalitäten für militärische Geräte abgebaut werden. Die EU-Kommission hat bereits einen Aktionsplan dafür angelegt. Außerdem sollen noch eine Einladung für Beitrittsgespräche Mazedoniens ausgesprochen sowie Einsätze im Irak, in Afghanistan, Georgien und in der Ukraine besprochen werden.

Finale in Helsinki

Am Donnerstag reist der US-Präsident dann nach Großbritannien weiter, wo er die britische Premierministerin Theresa May sowie zahlreiche Wirtschaftsvertreter und -vertreterinnen zum Galadinner im Blenheim Palace in Oxfordshire treffen wird. Dabei macht er stets einen großen Bogen um London, wo für Freitag Demonstrationen angekündigt sind. Zum Protest soll etwa ein sechs Meter großer, orangefarbener Baby-Trump-Ballon über dem Westminster Palace zum Schweben kommen, wie unter anderen der Sender ABC-News berichtete.

An diesem Tag reist Trump zum Landsitz Chequers für ein bilaterales Gespräch mit May. Anschließend empfängt die Queen den US-Präsidenten und die First Lady Melania auf Schloss Windsor. Das Wochenende wird das Paar dann in Trumps Golfclub Turnberry in Schottland verbringen, bevor es am Montag zum Finale der Reise in Helsinki kommt. Es soll das erste breitangelegte bilaterale Treffen zwischen Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin werden. Die beiden sind sich zwar schon zweimal begegnet, allerdings nur am Rande anderer Gipfel.

Geplant sind drei Sitzungen. Die Präsidenten wollen einander zunächst zu einem Vieraugengespräch treffen. Anschließend wird die Runde um Berater und Beraterinnen erweitert, später ist ein Arbeitsessen geplant. Ebenso wie beim NATO-Gipfel ist auch hierbei offen, ob das Treffen Früchte tragen wird. Jedoch hielt sich Trump mit seiner Kritik an Moskau in letzter Zeit auffallend zurück und sah selbst sogar mehr Schwierigkeiten mit den NATO-Verbündeten als mit Putin: „Ehrlich gesagt, Putin könnte das Leichteste sein“, sagte Trump, bevor er Washington verließ.