Griechenland

Verheerendste Brände seit zehn Jahren

Nach den verheerenden Waldbränden rund um die griechische Hauptstadt Athen könnte die Zahl der Toten weiter steigen. Über 70 Menschen wurden bisher tot geborgen, zahlreiche Menschen werden weiterhin vermisst. Es handelt sich um das schlimmste Flammeninferno seit über einem Jahrzehnt.

Mindestens 74 Tote forderten die Waldbrände bisher. Die Zahl könnte weiter steigen, denn immer noch gibt es Vermisste. In der völlig zerstörten Region durchkämmen Rettungskräfte Hunderte abgebrannte Häuser. Der Badeort Mati wurde komplett zerstört.

Suche nach Vermissten

Es gebe Dutzende Anrufe wegen vermisster Familienmitglieder und Freunde, so eine Sprecherin der griechischen Feuerwehr am Dienstag. Immer wieder berichten Medien von neuen, jedoch nicht verifizierten Leichenfunden. Auf einer Website veröffentlichten Angehörige Fotos von mutmaßlich Vermissten. Der Bürgermeister der Hafenstadt Rafina, Evangelos Bournous, sagte, allein in seiner Region seien mindestens 1.200 Häuser zerstört worden. Die Zahl der Verletzten lag zuletzt bei 164 Erwachsenen sowie 23 Kindern.

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Waldbrand
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Die Feuer wurden durch besonders starke Winde angefacht
Löscharbeiten
APA/AFP/Valerie Gache
Die Brände konnten zum Teil nur aus der Luft bekämpft werden
Menschen mit Koffern
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Viele Menschen haben bei den Bränden alles verloren test
Waldbrand
AP/Thanassis Stavrakis
Aus dem Ausland gab es ebenfalls zahlreiche Solidaritätsbekundungen und Hilfsangebote
Zerstörte Autos
Reuters/Costas Baltas
Der Badeort Mati wurde komplett zerstört

In der Nacht auf Mittwoch entspannte sich die Lage leicht. Feuerwehrkräfte konnten bis zum frühen Mittwochmorgen fast alle Brände unter Kontrolle bringen. Lediglich in einer Region rund 70 Kilometer westlich von Athen gab es noch ein Feuer auf einem Berg, wie der griechische Minister für Bürgerschutz, Nikos Toskas, mitteilte.

Dreitägige Staatstrauer

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras sagte im Fernsehen, es gehe nun darum, noch zu retten, was zu retten sei, und zusammenzustehen. Er kündigte eine dreitägige Staatstrauer an. Tsipras bedankte sich bei den Feuerwehrleuten, den Rettungssanitätern und anderen Helfern und sagte an die Überlebenden gewandt: „Keiner soll ohne Hilfe bleiben – und nichts bleibt ohne Antworten.“

Das Wirtschaftsministerium stellte 20 Millionen Euro als Soforthilfe bereit. Zudem machten sich viele Bürger aus Athen auf den Weg, um Nahrungsmittel und Wasser bereitzustellen. Auch Aufrufen zu Blutspenden folgten viele.

Suche nach Ursache

Aus dem Ausland gab es ebenfalls zahlreiche Solidaritätsbekundungen und Hilfsangebote. Dienstagabend kamen 64 zypriotische Einsatzkräfte aus dem EU-Katastrophenschutz in Griechenland an und starteten ihre Operation im Westen des Katastrophengebiets. Am Mittwochvormittag sollen auch zwei italienische Löschflugzeuge eingesetzt werden. Ein rumänisches Löschflugzeug sollte am Nachmittag dazustoßen. Weitere Länder sicherten Hilfe zu, darunter Spanien, Bulgarien, Kroatien und Portugal. Sie werden – falls nötig – weitere Löschflugzeuge, Einsatzkräfte, Ärzte oder Fahrzeuge senden.

Zahl der Opfer könnte noch steigen

Die Zahl der Opfer könnte nach den Bränden weiter steigen. 74 Menschen wurden bisher tot geborgen, zahlreiche weitere werden aber noch vermisst. Verwandte suchen mit Fotos nach ihnen.

Die Frage der Verantwortlichkeit wird in griechischen Medien bereits intensiv diskutiert, unter anderem die Frage, warum die Orte nicht rechtzeitig evakuiert wurden und wie es um Hilfsmittel wie Löschflugzeuge stehe. Tsipras erteilte der Diskussion jedoch vorläufig eine Absage. Jetzt trauere Griechenland, das „Was“ und das „Warum“ würden im Anschluss geklärt. Tsipras und andere Mitglieder der Regierung sprachen aber auch von einer möglichen Brandstiftung – als Indiz wurde genannt, dass die Feuer offenbar an mehrere Stellen gleichzeitig ausgebrochen waren.

Opfer hatten keine Chance

Luftaufnahmen der betroffenen Region zeigen das Ausmaß der Katastrophe – und die Ausweglosigkeit für die Opfer. Starker Wind hatte die Flammen in der Nacht auf Dienstag mit rasender Geschwindigkeit vor sich her getrieben. „Der Wind brachte das Feuer, wohin er wollte“, sagte eine Augenzeugin dem griechischen Fernsehsender Skai. Viele hätten es schlicht und einfach nicht geschafft, zum rettenden Meer zu gelangen, oder seien von den Flammen umzingelt worden. Auch die Feuerwehr habe keine Chance gehabt. Zu dem Zeitpunkt herrschten in der seit Wochen trockenen und heißen Region Windstärken von bis zu 90 km/h.

Feuerwehrmann vor brennendem Haus
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Hunderte Feuerwehrleute befanden sich im Einsatz

Besonders schlimm traf es den Badeort Mati, dort wurden die Leichen von 26 Menschen gefunden, darunter auch Kinder. Sie starben, als außer Kontrolle geratene Waldbrände am späten Montagnachmittag durch den Ort östlich der Hauptstadt Athen fegten. Das Fernsehen zeigte Bilder von ganzen Straßenzügen mit völlig niedergebrannten Häusern. Mehr als tausend Gebäude sowie 300 Autos seien beschädigt worden. In der auch bei ausländischen Touristen und Touristinnen beliebten Region wurde der Notstand ausgerufen.

Kein offizieller Evakuierungsplan?

Wegen der schnellen Ausbreitung der Flammen waren zahlreiche Anwohnerinnen und Anwohner von Matis an die Küste geflohen, um sich vom Wasser aus retten zu lassen. Viele warteten stundenlang eingehüllt von Aschewolken am Strand. 715 Menschen wurden schließlich mit Booten in den Nachbarort Rafina gebracht, wie die Regierung mitteilte. Dessen Bürgermeister äußerte im griechischen TV auch die Befürchtung, dass die Opferzahl auf „über 100“ steigen könnte. Er sagte außerdem, man habe nie eine Evakuierurungsanordnung für die vom Brand betroffene Zone bekommen.

Rettungskräfte und Freiwillige zogen stundenlang Menschen aus dem Wasser. Im Hafen von Rafina zeigten Dutzende Menschen Fotos ihrer Verwandten und fragten Passanten, ob sie sie gesehen hätten. Auch die Rettungskräfte im Meer gaben teils erschreckende Darstellungen. Einer der Retter habe gesehen, wie sich 26 Menschen in einem Feld etwa 30 Meter vom Strand entfernt aneinanderklammerten, sagte der Leiter des Roten Kreuzes in Griechenland, Nikos Economopoulos, dem Sender Skai TV am Dienstag. „Sie hatten versucht, eine Fluchtgasse zu finden, aber leider haben es diese Menschen und ihre Kinder nicht mehr rechtzeitig geschafft.“

EU-Kommissar sieht Schuld bei Klimawandel

„Wir sind bereit, falls es von der griechischen Seite beantragt werden sollte, weitere Hilfe zu leisten“, sagt am späten Dienstagabend der für humanitäre Hilfe zuständige EU-Kommissar Christos Stylianidis im griechischen Fernsehen. Er war in Athen eingetroffen, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Stylianidis wertete die verheerenden Brände als Folge des Klimawandels. "Der Klimawandel ist kein „Fake News"“, sagte Stylianidis. Das sei daran zu erkennen, dass dieses Jahr schwere Brände nicht nur im Süden, sondern auch im Norden Europas wie beispielsweise in Schweden toben.

EU drückt Mitgefühl aus

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker drückte zuvor Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus. „Mit schwerem Herzen habe ich davon erfahren, dass viele Menschen auf tragische Weise in den verheerenden Feuern in Athen ihr Leben verloren haben“, schrieb Juncker in einem Brief an Tsipras. Das Schreiben veröffentlichte Kommissionssprecher Margaritis Schinas, der selbst Grieche ist, auf Twitter.

In diesen schweren Zeiten stehe man Seite an Seite mit den griechischen Behörden und Menschen, schrieb Juncker. Er habe den zuständigen EU-Kommissar Christos Stylianides gebeten, Kontakt zu den griechischen Behörden aufzunehmen. Stylianides selbst werde noch am Dienstag nach Athen reisen. Auch EU-Ratspräsident Donald Tusk zeigte sich in einem Tweet erschüttert. Papst Franziskus sicherte unterdessen den Opfern und Hilfskräften seinen geistlichen Beistand zu. Er bete auch für alle Verstorbenen, hieß es in einem Statement aus dem Vatikan.

Außenministerium rät zu „besonderer Vorsicht“

Erschüttert zeigte sich auch FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl. Auf Twitter sprach sie den Angehörigen der Opfer ihr Beileid aus und wünschte den Verletzten eine schnelle Genesung. Ob auch Österreicherinnen und Österreicher von den Bränden betroffen waren, gab das Ministerium bisher nicht bekannt. Auf der Website des Außenministeriums wird Reisenden in den betroffenen Gebieten geraten, „sich aktiv über die Lage informiert zu halten und besondere Vorsicht walten zu lassen“. Den Anweisungen der lokalen Einsatzkräfte sei Folge zu leisten.

In immer mehr Teilen Europas wüten wegen der Dürre und Sommerhitze große Waldbrände. Nach den verheerenden Feuern in Schweden gerieten neben Griechenland auch Brände in Lettland außer Kontrolle. Eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht, in der kommenden Woche soll es sogar noch heißer werden. In Schweden wüteten am Montag noch 25 Brände – einige sind so groß, dass die Rettungskräfte keine Hoffnung haben, sie noch zu löschen. Der Rauch sei sogar aus dem Weltall zu sehen, berichtete die Europäische Weltraumbehörde (ESA). „Die Feuer in Schweden zeigen, dass der Klimawandel real ist“, erklärte die EU-Kommission in Brüssel.