Abstimmungsergebnis
Europaparlament
Weg frei für Upload-Filter

EU-Parlament stimmt für Copyrightreform

Die umstrittene EU-Urheberrechtsreform hat am Dienstag die entscheidende Hürde im EU-Parlament passiert. Änderungsanträge wurden nicht zur Abstimmung zugelassen. Der Entscheidung im Plenum ging eine hitzige Debatte voraus – letztlich konnten sich die Befürworter klar durchsetzen.

348 Abgeordnete stimmten für die Reform, 274 dagegen. Beinahe wäre es noch zu einer Abstimmung über Änderungsanträge gekommen – mit nur fünf Stimmen wurde dieser Vorschlag jedoch abgelehnt. Damit ist auch der umstrittene Artikel 17 – vormals Artikel 13 – angenommen worden, der in der Praxis wohl bedeutet, dass Internetplattformen künftig Upload-Filter einsetzen müssen, um urheberrechtlich geschütztes Material, für das sie keine Lizenz besitzen, zu entfernen.

Im Europäischen Rat muss die Einigung noch bestätigt werden, als möglicher Termin dafür gilt der 9. April. Dann haben die EU-Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit, die Urheberrechtsreform umzusetzen. Dabei könnte es noch gewissen Spielraum innerhalb der einzelnen Länder geben, der Rahmen für das künftige Copyright ist mit der Entscheidung nun aber festgelegt.

Voss erfreut, Reda sieht „Schwarzen Tag“

CDU-Politiker und Berichterstatter Axel Voss zeigte sich nach der Abstimmung erfreut. Die Zustimmung wertete er als „Sieg für die Demokratie". Mit der Reform schaffen wir erstmals Rechtssicherheit für private User, die Musik oder Videos ins Internet stellen“, sagte Voss, der das Vorhaben federführend mit den EU-Staaten verhandelt hatte, am Dienstag nach der entscheidenden Abstimmung im Parlament. „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, die Prinzipien des Rechtsstaats gelten auch im Netz.“

Die EU-Kommission begrüßte den Beschluss. Das Votum garantiere die „richtige Balance“ zwischen den Interessen aller Akteure. Erfreut zeigte sich auch Medienminister Gernot Blümel (ÖVP): „Europa muss auf Augenhöhe im Wettbewerb mit den Onlinegiganten kommen. Dazu ist die Herstellung gleicher Rahmenbedingungen Grundvoraussetzung.“ Er kündigte an, dass an der nationalen Umsetzung der Richtlinie „unmittelbar gearbeitet“ werden müsse.

Die schärfste Kritikerin des Vorhabens, Piraten-Abgeordnete Julia Reda, sprach auf dem Kurznachrichtendienst Twitter hingegen von einem schwarzen Tag für die Netzfreiheit. Der SPD-Europapolitiker Tiemo Wölken, ebenfalls prominenter Gegner von Teilen der Reform, sagte: „Die Parlamentsmehrheit ignoriert die Stimmen Hunderttausender junger Menschen.“

ÖVP-Abgeordnete geschlossen für Reform

Die österreichischen ÖVP-Abgeordneten im EU-Parlament stimmten geschlossen für die Reform. Die Abgeordneten der SPÖ mit Ausnahme der verletzungsbedingt abwesenden Karin Kadenbach entschieden sich gegen die Reform. Auch die Abgeordneten der Grünen und von NEOS stimmten gegen die Copyright-Erneuerug. Die FPÖ-Abgeordneten enthielten sich der Stimme.

Voss: „Governance by Shitstorm“

Vor dem Votum gab es am Vormittag noch eine hitzige Debatte. Bei dieser warb Voss noch einmal für den Vorschlag. Es gehe um die Frage, inwieweit der Eigentumsbegriff in die digitale Welt gerettet werden könne. YouTube und Co. würden eine „Governance by Shitstorm“ betreiben und gerade jüngere Bevölkerungsgruppen in der Debatte instrumentalisieren. Es gehe um Rechtsstaatlichkeit, das Recht auf geistiges Eigentum und eine faire Vergütung von Eigentümern.

EU-Abgeordneter Axel Voss
AP/Jean-Francois Badias
Voss verteidigte vor der Abstimmung die Reform im EU-Parlament

Die Reform betreffe nur große Plattformen, die „viel Geld“ verdienen, so Voss. Es werde keine „Zensur“ geben. Es gehe darum, Internetriesen wie Google, Facebook und YouTube zur Verantwortung zu ziehen, sagte der französische Liberale Jean-Marie Cavada. Die geplante Reform sei „die einzige Chance“, die Zukunft von Kreativen zu schützen. Kreative in Europa müssten von ihrer Arbeit leben können, sagte auch die EU-Kommissarin für Digitalwirtschaft, Maria Gabriel.

Reda macht auf möglichen Deal mit Frankreich aufmerksam

Die Gegenstimme kam von der Piraten-Abgeordneten Reda. Sie verwies auf den breiten Protest in der Bevölkerung, vor allem bei den Jungen. Sie forderte eine Streichung der Artikel: „Diese Richtlinie darf nicht ohne Änderungen durchkommen, das wäre nicht nur verheerend für die Freiheit im Netz, es würde auch einer ganzen Generation das Vertrauen rauben, dass die Politik funktioniert und dass diese Politik die Interessen der Bevölkerung vertritt.“

Korrespondent Tim Cupal zum EU-Copyright

Was sich durch die Urheberrechtsreform in Zukunft ändert, erklärt ORF-Korrespondent Tim Cupal aus Straßburg.

Reda verwies auch auf einen Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“) über einen möglichen Tauschhandel zwischen Deutschland und Frankreich: Berlin soll die von Paris gewünschte Reform des Urheberrechts unterstützt haben. Im Gegenzug soll Frankreich zugesagt haben, Deutschland beim Streit über die Gaspipeline „Nordstream 2“ zu unterstützen.

Die deutsche Justizministerin Katarina Barley (SPD) sei gegen die Upload-Filter, sagte der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken. Sie habe sich aber der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beugen müssen, die „einen Deal mit Frankreich geschlossen hat“. Bei der Debatte gehe es längst nicht mehr um das Urheberrecht, es gehe vielmehr um den Umgang mit Demokratie. Die EU-Kommission habe die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Demonstrationen verunglimpft. Zudem sei das Gerücht gestreut worden, dass Demonstranten von den Internetriesen gezahlt wurden.

Drei Jahre Verhandlungen

An der Richtlinie war unter heftigem Lobbying beider Seiten rund drei Jahre lang gearbeitet worden. Sie soll garantieren, dass Urheber fair bezahlt werden, wenn ihre Inhalte auf Plattformen wie YouTube und Facebook aufscheinen. Vor allem große US-Konzerne sollen künftig in die Verantwortung genommen werden. Passieren soll das etwa über Lizenzrechte. Es gehe darum, dass Urheber „eine Rechtsgrundlage haben, um eine faire Vergütung des geistigen Eigentums verhandeln zu können“, so EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU).

Das Europäische Parlament
APA/AFP/Frederick Florin
Vor der Abstimmung wurde am Dienstag vor dem Parlament in Straßburg Stimmung für die Reform gemacht

Vorwurf der Stimmungsmache

Am Samstag war in mehreren europäischen Städten auch gegen die Reform demonstriert worden. Der größte Protest fand in München statt, wo laut Polizei rund 40.000 Menschen teilnahmen. Die Veranstalter sprachen von mehr als 50.000. In Österreich gab es Aktionen in Wien, Salzburg und Innsbruck. Laut Veranstalter nahmen 4.000 Personen in der Hauptstadt teil.

Protest gegen neues Urheberrecht
APA/dpa/Sebastian Gollnow
Demonstriert haben vor allem – aber nicht nur – junge Menschen

Die Befürworter warfen den großen Plattformen mit Blick auf die Aktionen Stimmungsmache vor. Die Gegenseite wies diese Vorwürfe als Desinformationskampagne zurück und verweist ihrerseits auf Lobbying durch Rechteverwerter und Kreativwirtschaft. Reda berichtete noch am Montag von einer großflächigen Last-Minute-Werbekampagne für die Reform in Straßburg.