Angelobung der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung 2017
APA/Roland Schlager
Bis zur Neuwahl

Wer führt jetzt die Regierungsgeschäfte?

Am Samstagabend war mit den Statements von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Bundespräsident Alexander Van der Bellen alles klar. Es wird bald Neuwahlen geben. Doch über den Verfahrensweg dahin wird noch diskutiert. Die politisch heikle Frage aber nach den „Ibiza-Tapes“ wird sein: Wer führt die Amtsgeschäfte in den Ministerien weiter?

Mit der Ansage für Neuwahlen von Kurz am Samstagabend und der Bestätigung durch Van der Bellen sind nun einige Verfahrenswege offen. Geht der Neuwahlbeschluss vom Nationalrat aus? Oder wird der Bundespräsident auf der Grundlage seiner Verfassungskompetenzen selbst aktiv?

Ausgesprochen hat sich Van der Bellen am Samstagabend für eine dringend nötige Rückgewinnung des Vertrauens bei der Bevölkerung. Dass eine Regierung das Ende ihrer Zusammenarbeit beschließt, zugleich aber amtsführend bis zu den Wahlen weitermacht, kennt man etwa seit dem Aus von Schwarz-Blau I, aber auch im Fall der gescheiterten rot-schwarzen Koalition unter Christian Kern (SPÖ).

„Jetzt ist Van der Bellen am Zug“

„Jetzt ist auf jeden Fall der Bundespräsident am Zug, muss er doch jemanden ernennen, der die verwaisten Agenden des Vizekanzlers übernimmt. Das könnte natürlich auch ein Experte, etwa ein Sektionschef des Ministeriums, sein“, erinnert Politologe Peter Filzmaier auf Nachfrage von ORF.at. Oder eben auch ein möglicher Vizekanzler Norbert Hofer (FPÖ).

Erklärung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen

Bundespräsident Alexander Van der Bellen gab bekannt, dass er mit Bundeskanzler Sebastian Kurz vorgezogene Wahlen ausgemacht habe.

Wie es generell weitergehe, ist für Filzmaier auch keine ganz einfache Frage, denn eigentlich seien mit den „Ibiza-Tapes“ auch ein paar Verfahren ermittlungsoffen, die auf jeden Fall zwei Ministerien beträfen. „Gut beraten ist der Bundespräsident“, so Filzmaier, „alle Fragen jetzt im Konsens mit dem Bundeskanzler zu entscheiden“. Das dürfte wohl am Sonntag um 11.00 Uhr beim nächsten Treffen von Kurz und Van der Bellen der Fall sein. Am Samstagabend bekam man aus dem Bundeskanzleramt und der Hofburg noch abwartende Antworten zu diesem auch politisch heiklen Thema.

Bleiben alle bekannten Gesichter im Amt?

Vorstellbar wäre, dass die FPÖ-Minister durch Experten ersetzt werden, die der Bundespräsident ernennt. Und immerhin soll es ja einen Streit um die fortgesetzte Arbeit von Innenminister Herbert Kickl vor der Neuwahlansage des Bundeskanzlers gegeben haben. Zumindest ließen das FPÖ-Kreise am Samstag durchsickern.

Drängen will man sich nicht lassen, es könnten auch die nächsten Tage werden – zu sensibel scheint die Materie nach den Vorgängen und Enthüllungen der letzten Stunden. „Von einem verstörenden Sittenbild“ hatte der Bundespräsident in seiner Erklärung gesprochen und hinzugefügt: „So sind wir nicht. So ist Österreich einfach nicht. Die in dem ‚Ibiza-Video‘ dargestellten Vorgänge markierten für den Bundespräsidenten eine „dreiste Respektlosigkeit den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber. Diese Respektlosigkeit toleriere ich nicht.“

Bundeskanzler Kurz hatte davor das Ende der Zusammenarbeit mit der FPÖ und den Worten "Genug ist genug“ eingeleitet. „Die FPÖ schadet dem Reformprojekt“, lautete die Conclusio des Kanzlers zu den „Ibiza-Videos“.

Kurz: „Sah keine Bereitschaft bei FPÖ, sich zu ändern“

In Richtung Neuwahlen zu gehen begründete Kurz mit den Worten, dass er nicht den Eindruck gewonnen habe, dass es in der FPÖ den Willen gebe, die Partei zu ändern, „was dringend notwendig“ wäre. Zwar bezeichnete der Bundeskanzler die heimliche Aufzeichnung des Videos als „verachtenswert“, geißelte aber auch die darin geäußerten „Ideen des Machtmissbrauchs“.

„Genug ist genug“

Bundeskanzler Sebastian Kurz spricht sich in einer Pressekonferenz für vorgezogene Wahlen zum schnellstmöglichen Zeitpunkt aus.

Dem vorausgegangen war der Rücktritt von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), der auf Ibiza in eine Falle getappt war und unter anderem öffentliche Aufträge für russisches Geld in den Raum gestellt hatte. In seiner Stellungnahme Samstagmittag inszenierte sich Strache als Opfer einer Verschwörung gegen ihn, gestand aber zu, sich danebenbenommen zu haben.

Die Erklärung von Strache zur Causa Ibiza

Am Samstag zu Mittag erklärte Heinz Christian Strache den Rücktritt von seinen politischen Ämtern.

Strache und die „b’soffene G’schicht“

Eine Rolle habe dabei wohl auch die angebliche russisch-lettische Oligarchin gespielt, die er habe beeindrucken wollen. Strache, den man auf einem Videomitschnitt von der verhängnisvollen Begegnung auf Ibiza tüchtig Wodka-Red-Bull trinken sah, sprach von einer „b’soffenen G’schicht“. Allerdings habe er dabei immer wieder darauf hingewiesen, die Bestimmungen des Rechtsstaats einzuhalten. Bei seinem Rücktritt wollte Strache nicht, wie er sagte, einer Fortsetzung der Regierungszusammenarbeit mit der ÖVP im Weg stehen. Als Ersatz für sich bot er der ÖVP letztlich vergeblich Infrastrukturminister Hofer an, der künftig auch die Freiheitlichen anführen soll und bereits allerlei Solidaritätsbekundungen mit auf den Weg bekam.

Das „Ibiza-Video“

Das Video, das Johann Gudenus und Heinz-Christian Strache zum Verhängnis wurde.

Neben Strache trat auch noch der geschäftsführende FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus zurück, der auf Ibiza als Russischdolmetscher für Strache diente. Er bedauerte schriftlich, das in ihn gesetzte Vertrauen nicht erfüllt zu haben und legte all seine Funktionen zurück.

Ab Sonntagmittag könnte ein bisschen mehr Klarheit, was die nächsten Schritte Richtung Neuwahlen angeht, da sein. Kurz wird am Vormittag mit Van der Bellen die weitere Vorgangsweise absprechen. Zu klären ist neben dem Wahltermin etwa, ob die FPÖ bis zur Wahl in der Regierung bleibt und wer Strache ersetzt. Am Nachmittag tagen die Gremien der FPÖ und beraten den weiteren Weg der Partei.