Polizisten und Demonstranten während einer Gay-Pride-Parade
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Stonewall Riots

Als die queere Szene zurückschlug

Mit der am 1. Juni gestarteten Europride ist Wien heuer Schauplatz der größten Veranstaltung der LGBTIQ-Community in Europa, die im Zeichen eines wichtigen Jubiläums steht. Im Juni vor 50 Jahren kam es in New York zu heftigen Ausschreitungen zwischen Lesben, Schwulen, Transgender und der Polizei. Die Stonewall Riots markierten einen Wendepunkt im Kampf für die Gleichstellung von Homosexuellen.

Ihren Lauf nahmen die Aufstände ab den frühen Morgenstunden des 28. Juni 1969 im New Yorker Stadtviertel Greenwich Village. Epizentrum war eine Bar für Lesben, Schwule und Transgender, das Stonewall Inn in der Christopher Street, das an diesem Abend einmal mehr Schauplatz einer Razzia durch die New Yorker Polizei war.

Gewaltsame Razzien in einschlägigen Lokalen bedeuteten damals eine gängige Praxis und waren Ausdruck der generellen Repressionen gegenüber Homosexuellen. Doch als die Beamten begonnen hatten, die Identitäten der Lokalgäste festzustellen, trafen sie auf unerwartete Gegenwehr. Der Polizeieinsatz war der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Polizisten und Demonstranten während einer Gay-Pride-Parade
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Von den Ausschreitungen selbst existieren kaum Bilder. Hier ein Foto vom ersten Jahrestag der Ausschreitungen – bei dem es wieder zu Straßenkämpfen kam.

Nächtliche Eigendynamik

Die Situation eskalierte und wuchs sich zu einer handfesten Schlägerei aus. Es flogen die Fäuste und bald das Mobiliar. Die Polizisten mussten sich vor den aufgebrachten Lokalgästen verbarrikadieren. Als Verstärkung anrückte, verlagerte sich der Konflikt auf die Straße.

Im Inneren der Bar hatte es mittlerweile zu brennen begonnen. Die Nachricht über den aus dem Ruder gelaufenen Polizeieinsatz verbreitete sich rasch. Aus den umliegenden Lokalen des Greenwich Village strömten Gleichgesinnte. Der Vorfall entwickelte eine unerwartete Eigendynamik.

Verwüstetes Greenwich Village

Letztlich lieferten sich in der Christopher Street rund 2.000 Personen heftige Auseinandersetzungen mit mehreren hundert Polizisten. Flaschen und Steine wurden zu Wurfgeschoßen. Zwar beruhigte sich die Situation in den frühen Morgenstunden, doch am Abend des 28. Juni kam es erneut zu Ausschreitungen. Im Greenwich Village zeigte sich eine Spur der Verwüstung. Und es war keine Entspannung in Sicht. Fünf Tage nach der Razzia loderte der Straßenkampf mit rund 1.000 Beteiligten erneut auf.

Das Ereignis zu lesen, war nicht schwierig. Die Stonewall Riots waren das Resultat von jahrzehntelangen Repressionen gegenüber Homosexuellen. Was sich über Jahre aufgestaut hatte, entlud sich in wenigen Tagen in Form von Straßenkämpfen. Die heftige und von Emotionen geleitete Auseinandersetzung wurde zum Ereignis mit ikonografischer Strahlkraft. Stonewall gilt als Wendepunkt im Kampf um gesellschaftliche Anerkennung und Gleichstellung von Homosexuellen und Transgender.

Pride Parade passiert „The Stonewall Inn“
APA/AFP/Kena Betancur
Jährlich wird in der Christopher Street für gleiche Rechte protestiert. Hier im Hintergrund jenes Lokal, in dem alles begann.

Ausgrenzung und Stigmatisierung

Diesbezüglich gab es viel zu tun. Auch in den USA der 1960er herrschte die Vorstellung, dass es sich bei Homosexualität um eine Krankheit handelt, um ein sozial erlerntes pathologisches Verhalten, das der Gesellschaft schadet und das es dementsprechend einzudämmen gilt.

Diese generelle Wahrnehmung ging Hand in Hand mit einer Form der brutalen Behördenwillkür, die letztlich auch einer der entscheidenden Faktoren für die Eskalation am 28. Juni 1969 war. Oftmals dienten die Identitätsfeststellungen während der Razzien dazu, die Betroffenen medial als homosexuell zu outen, was in den meisten Fällen zum Jobverlust führte und somit existenzvernichtend war.

Als wesentlicher Faktor für die generelle Wut gilt auch der Umstand, dass in den USA der späten 1960er Jahre zwar Bürgerrechte zum großen Thema wurden. Doch während die schwarze Bevölkerung davon profitierte, waren Homosexuelle und Transgender stigmatisiert wie eh und je. Der gesellschaftliche Fortschritt war an ihnen vorübergegangen.

Geburtsstunde der Gay-Pride-Paraden

In Folge der Aufstände wurde der Kampf gegen Diskriminierung und Ausgrenzung beflügelt. Noch im selben Jahr wurde in den USA die Gay Liberation Front (GLF) gegründet, die es sich zum Ziel setzte, Lesben und Schwule in der Gesellschaft sichtbar zu machen. Ein Jahr nach den Aufständen im Jahr 1970 organisierte die GLF eine Demonstration in der Christopher Street, um an das Ereignis zu erinnern, und begründete damit die Tradition des Christopher Street Day. Gay-Pride-Paraden gehören spätestens seit den 1990er Jahren zum Kultur- und Veranstaltungsrepertoire westlicher Metropolen.

Teilnehmer der Wiener Regenbogenparade
APA/Georg Hochmuth
Ein buntes Bild von bunten Menschen – die Regenbogenparade in Wien 2018

Europride in Wien

In Wien geht der wichtige Gedenk- und Demonstrationstag seit dem Jahr 1996 in Form der Regenbogenparade entlang der Ringstraße über die Bühne. Sie wird im Rahmen der Europride 2019, die als die größte Veranstaltung der LGBTIQ-Community in Europa gilt und nach dem Jahr 2001 heuer zum zweiten Mal in Wien stattfindet, in Form einer Europride-Parade entsprechend opulent ausfallen. Termin der Parade ist der 15. Juni. Die Europride begann am 1. Juni und bietet über zwei Wochen lang viel Programm von Filmnächten über Party bis hin zu Badetagen – mehr dazu in wien.ORF.at. Zudem wird mit der Europride Conference ab dem 12. Juni die in Österreich bisher größte LGBTIQ-Konferenz abgehalten.