Demonstranten in Modena gegen Salvini
EBU/RAI/Radiotelevisione Italiana
Italien

„Sardinen“ schwärmen gegen Salvini aus

Seit der Umbildung der italienischen Regierung befindet sich die rechtspopulistische Lega von Matteo Salvini auf der Oppositionsbank. Das hat den Zuspruch zu Salvini, der sich in einem Permanentwahlkampf befindet, noch erhöht. Doch nun geben die „Sardinen“, eine neue Bewegung, Salvini Kontra.

Die „Sardinen“ sind eine lose Gruppierung, die in Bologna von zwei Frauen und zwei Männern, die einander aus Studienzeiten kennen, gegründet wurde. Sie wollten einen Kontrapunkt zu einer Wahlkampfveranstaltung Salvinis in der traditionell roten Hochburg Bologna setzen. Dieser zog Donnerstag vergangener Woche bei einem Auftritt in der Sportarena vor fast 6.000 Menschen gegen die aktuelle Regierung und Migranten vom Leder.

Dem wollten Mattia Santori, Giulia Trappoloni, Andrea Garreffa und Roberto Morotti etwas entgegensetzen. Sie organisierten via Soziale Netzwerke einen Flashmob auf der Piazza Maggiore im Herzen der Altstadt. Mindestens ebenso viele Menschen wie bei Salvinis Auftritt waren das Ziel – es kamen schließlich bis zu 15.000, also mehr als doppelt so viele. Eng gedrängt, wie Sardinen im Schwarm, standen sie auf dem Platz, hielten aus Papier und Karton ausgeschnittene Sardinen in die Höhe und zeigten großteils schweigend ihren Widerstand gegen die Rechtsaußenpolitik von Salvini.

Demonstranten in Modena gegen Salvini
EBU/RAI/Radiotelevisione Italiana
Wenige Tage nach Bologna gingen auch in Modena Tausende auf die Straße, um gegen einen Auftritt Salvinis zu protestieren

Salvinis Kampf für Neuwahlen

Ende Jänner finden Regionalwahlen statt, und Salvinis erklärtes Ziel ist es, in der wohlhabenden Region stärkste Kraft zu werden. Salvini trommelt derzeit bei jeder Gelegenheit, dass, sollte die Linke verlieren, auch die Regierung in Rom zurücktreten und den Weg für Neuwahlen frei machen müsse. Nach dem von Salvini provozierten Bruch der Koalition mit der 5-Sterne-Bewegung koaliert diese nun mit den Sozialdemokraten (Partito Democratico, PD).

Salvini hatte durch den Bruch der Koalition Neuwahlen provozieren wollen. Er hatte darauf spekuliert, stärkste Kraft zu werden. Der fliegende Koalitionswechsel hatte Salvini stattdessen auf die Oppositionsbank katapultiert. Nun versucht er weiter mit aller Kraft, Neuwahlen vom Zaun zu brechen.

„Antwort auf jene, die am lautesten schreien“

„Denen, die am lautesten schreien, antworten wir, indem wir stumm sind wie Fische, aber im Schwarm, eng aneinanderstehend. Wir sind mehr als sie“, so der 32-jährige Santori. Laut Umfragen könnte die traditionell linke Region Emilia-Romagna an die Lega und ihre rechtspopulistischen Verbündeten gehen – so wie zuletzt auch in anderen Regionalwahlen, etwa in Umbrien. Auch in einer landesweiten Wahl könnten Salvini und die anderen Rechtsparteien laut Umfragen derzeit mit starken Zugewinnen rechnen.

„Bella ciao“-Gesänge in Modena

Beim „Sardinen“-Protest in Modena sangen Tausende das Partisanenlied „Bella ciao“ gegen Salvini.

Weitere Proteste angekündigt

Der unerwartete Erfolg der Demo in Bologna hat aber Salvinis Gegnern Auftrieb gegeben. Nur wenige Tage später fand eine ähnliche Demo in Modena statt, wo sich 7.000 Menschen trotz Regens in stummem Protest versammelten. In Modena sollte Salvini in der zentral gelegenen Via Gallucci vor rund 3.000 Anhängerinnen und Anhängern auftreten. Wegen des angekündigten „Sardinen“-Protests wurde Salvinis Wahlkampfauftritt aber in ein Lokal außerhalb des Stadtzentrums verlegt. Trotz der Kapazität von 600 Personen kamen nur 400.

Unter dem Label „Sardine“ sollen nun in der Region weitere Proteste stattfinden, darunter in Reggio Emilia am Samstag und Rimini am Sonntag. Und die „Sardinen“-Bewegung strahlt bereits über die Emilia-Romagna hinweg aus. So gab es „Sardinen“-Proteste mittlerweile auch in Florenz (Toskana), in Mailand (Lombardei) und in Palermo (Sizilien).

Salvini sieht PD hinter Bewegung

Salvini warf der PD vor, hinter der Bewegung zu stehen. „Kratz’ an einer Sardine und du wirst einen PDler finden“, so Salvini auf Twitter. Die Organisatoren bestreiten das freilich und betonen, sie wollen nur Widerstand leisten gegen populistische Kräfte, die in Italien immer mächtiger werden. Seit der Finanzkrise 2008 stagniert die Wirtschaft des Landes, und die Löhne sinken bei anhaltend hoher Arbeitslosigkeit.

„Kätzchen für Salvini“

„Die Sardinen wollen nur das Abrutschen in Richtung Populismus stoppen“, so Santori. „Wir wollen alle Leute, die es satthaben, dass auf ihren Werten herumgetrampelt wird, aufrütteln.“ Mittlerweile tritt nur noch Santori als Sprecher der losen Bewegung auf. Der 32-Jährige erklärt das damit, dass sich die Rechte bereits auf die Organisatoren eingeschossen habe.

Und im Netz antwortete Salvini auch mit Witz und einer tierischen Replik: Er postete das Foto einer kleinen Katze, die eine Sardine verschlingt – mit dem Text: „Gattini con Salvini“ (Kätzchen für Salvini). Abzuwarten bleibt, ob die Protestbewegung einen langen Atem beweisen kann und wer aus der tierisch verbrämten Runde der gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzung gestärkt hervorgeht.

Beide Koalitionsparteien, 5-Sterne-Bewegung und PD, haben bisher Distanz gewahrt, obwohl PD-Vertreter die Proteste begrüßten. Die 5-Sterne-Bewegung entstand selbst aus einem friedlichen Protest in Bologna vor zwölf Jahren. Sie ging aus der Parlamentswahl im Vorjahr als stärkste Partei hervor, hat seither aber stark an Zustimmung verloren.