Generalstaatsanwältin Letitia James
AP/Kathy Willens
Auflösung als Ziel

New York klagt Waffenlobby NRA

Die mächtige US-Waffenlobby National Riffle Association (NRA) sieht turbulenten Zeiten entgegen. Wegen mutmaßlicher Finanzvergehen erhob am Donnerstag die Generalstaatsanwältin des US-Bundesstaats New York, Letitia James, Anklage gegen die Organisation. Ziel sei die Auflösung der NRA, so die Chefanklägerin.

Laut James hätten NRA-Chef Wayne LaPierre und drei weitere Führungsvertreter in großem Umfang Gelder der Organisation veruntreut. „Betrug und Missbrauch“ seien jahrelang an der Tagesordnung gewesen, sagte die Generalstaatsanwältin in New York. Über drei Jahre habe die National Rifle Association so mehr als 64 Millionen Dollar verloren. Die Gelder seien nicht für ihren eigentlichen Zweck in der Organisation verwendet worden. Vielmehr hätten LaPierre und die drei anderen derzeitigen und früheren NRA-Spitzenvertreter das Geld unter anderem für Reisen auf die Bahamas, Privatjets und teures Essen ausgegeben.

„Der Einfluss der NRA ist so mächtig, dass sich die Organisation über Jahrzehnte jeder Kontrolle entzog, während Führungsvertreter Millionen in ihre eigenen Taschen umgeleitet haben“, sagte die Generalstaatsanwältin. Die NRA sei „behaftet von Betrug und Missbrauch“ und müsse deswegen zerschlagen werden. „Wir ersuchen eine Auflösung der NRA, weil keine Organisation über dem Gesetz steht.“

NRA-Chef Wayne LaPierre
AP/Jose Luis Magana
NRA-Geschäftsführer LaPierre ist auch als Person angeklagt

Der Klage James’ könnte ein jahrelanger Rechtsstreit folgen, in dem es für die NRA ums Überleben gehen könnte, schreibt die „New York Times“ („NYT“). Bereits vergangenes Jahr hatte die Demokratin James einen Prozess geführt, durch den eine skandalumwitterte Wohltätigkeitsstiftung von Präsident Donald Trump aufgelöst wurde. „Aber die NRA ist mit mehr als fünf Millionen Mitgliedern eine weitaus größere Organisation, von der erwartet wird, dass sie einen länger andauernden Kampf führen wird“, schreibt die Zeitung.

Ermittlungen seit eineinhalb Jahren

Die 1871 gegründete Lobbyingorganisation hat ihren Sitz in Fairfax im Bundesstaat Virginia, nahe der US-Hauptstadt Washington. Die NRA ist aber im Bundesstaat New York als gemeinnützige Organisation registriert und tätigt dort die meisten ihrer finanziellen Geschäfte. Damit fällt sie unter New Yorker Recht und die Regulierungsbefugnis der New Yorker Generalstaatsanwaltschaft. Allerdings gab am Donnerstag auch der Regierungsbezirk Washington D.C. eine Klage mit ähnlicher Stoßrichtung bekannt.

Die Klage der New Yorker Generalstaatsanwältin markiert den Höhepunkt einer Untersuchung, die im Februar 2019 begonnen hatte. Den Ermittlungen waren Medienberichte über versteckte Geldflüsse und dubiose Vereinbarungen vorhergegangen. Die vom New Yorker Milliardär Michael Bloomberg gegründete Gruppe Everytown, die für schärfere Waffenkontrollen eintritt, zeigte daraufhin die NRA bei der Finanzpolizei an.

Die Vorwürfe führten bereits im Frühjahr 2019 zu internen Verwerfungen bei der NRA. Der damalige NRA-Präsident Oliver North, wollte den langjährigen Geschäftsführer LaPierre zum Rücktritt bewegen. Dieser ging bei der Generalversammlung der NRA im April vergangenen Jahrs in die Offensive – am Ende legte North sein Amt zurück.

NRA sieht Angriff auf Verfassung

Am Donnerstag wies die NRA die Vorwürfe umgehend zurück und sprach von einem politischen Manöver vor der Präsidentschaftswahl am 3. November. Die Organisation sprach von einem „Angriff auf die führende Stimme der Opposition gegen die Linksagenda“ und sah einen Angriff auf die verfassungsmäßigen Rechte von Waffenbesitzern.

Ein Mann auf dem Jahrestreffen der National Rifle Association (NRA) mit einer Sig Sauer AR-15
AP/Michael Conroy
Die einflussreiche NRA stemmt sich vehement gegen strengere Waffengesetze

„Wir werden vor diesem Kampf nicht nur nicht zurückschrecken – wir werden uns ihm stellen und siegen“, sagte die NRA-Präsidentin, Carolyn Meadows, in einer Erklärung. US-Präsident Trump bezeichnete die Klage als eine „schreckliche Sache“. Die NRA sollte ihren Sitz nach Texas verlegen und ein „langes und schönes Leben“ führen, sagte er in Washington.

James hatte bereits 2018 während ihrer Kandidatur für das Amt der Generalstaatsanwältin den Wunsch geäußert, Untersuchungen gegen die NRA einzuleiten und sie als „terroristische Organisation“ bezeichnet. Am Donnerstag wies James vor Journalisten die Vorstellung zurück, die Klage sei durch die Nähe der NRA zu Trump motiviert. Es gehe einzig um Fakten und das Gesetz, so die Chefanklägerin.

Die National Rifle Association ist eine der einflussreichsten Lobbyorganisationen der USA. Sie stemmt sich seit Jahrzehnten mit teilweise höchst umstrittenen Methoden gegen eine Verschärfung des US-Waffenrechts. Kritikerinnen und Kritiker werfen ihr vor, durch ihre Arbeit für die zahlreichen Schusswaffenopfer in den USA mitverantwortlich zu sein.