Menschen auf einer Stiege
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Gleichbehandlung

Hürden auf dem Weg nach oben

Die Coronavirus-Krise zeigt eindrücklich, wie viel Aufholbedarf Österreich bei der Gleichstellung von Frauen hat. Mit ein Grund ist, dass Chefinnen nach wie vor die Ausnahme sind. Der ORF-„Report“ hat zwei von ihnen zum Gespräch geladen: Susanne Riess, einst erste Vizekanzlerin, nun Generaldirektorin der Wüstenrot-Gruppe, und Irene Fuhrmann, erste Teamchefin der Frauen-Fußballnationalmannschaft.

Nur 14 Frauen sitzen im Vorstand von heimischen Börsenunternehmen, ihr Anteil stagniert. Die Zahl ihrer männlichen Kollegen ist indes im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, wie das „Mixed Leadership Barometer“ des Beratungsunternehmens Ernst & Young Österreich zeigt. Von 191 Vorständen in börsenotierten Unternehmen sind aktuell 14 Frauen, und nur drei davon Vorstandsdirektorinnen.

Während Deutschland plant, künftig eine verpflichtende Frauenquote von 30 Prozent in Vorständen börsenotierter Konzerne einzuführen, ist in Österreich aktuell in 45 von 58 ATX-Unternehmen keine einzige Frau vertreten, insbesondere in den Branchen Automobil, Immobilien, Rohstoffe, Telekommunikation und Transport.

Grafik zu Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: EY

Im Schneckentempo voran

Steige die Zahl von Frauen weiter im Tempo der letzten Jahre, also jeweils nicht einmal um einen Prozentpunkt, werde es noch 73 Jahre dauern, bis in den Vorstandsetagen 50 Prozent Frauen und Männer sitzen, erklärt Helen Pelzmann von der Initiative „Women. Fast Forward“ von Ernst & Young. Anders sieht es in den Aufsichtsräten börsenotierter Konzerne sowie Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern aus. Für sie gilt seit 2018 die gesetzliche Regelung, wonach Aufsichtsräte mit Frauen zu besetzen sind, bis ein Anteil von 30 Prozent erreicht ist.

Mittlerweile ist der Frauenanteil in Aufsichtsräten auf mehr als 27 Prozent gestiegen. Die Hoffnung, dass damit auch ein Anstieg weiblicher Vorstandsmitglieder einhergeht, hat sich aber nicht erfüllt. Laut Regierungsprogramm soll in Unternehmen mit mehr als 50 Prozent staatlicher Beteiligung in den Aufsichtsräten eine Frauenquote von 40 Prozent eingeführt werden.

Susanne Riess (Generaldirektorin Wüstenrot) und Irene Fuhrmann (Trainerin Nationalteam ÖFB-Frauen)
ORF
Links: Wüstenrot-Chefin Susanne Riess; rechts Irene Fuhrmann, Trainerin des ÖFB-Frauen-Nationalteams

Es schaffen in Männerdomänen

Braucht es die Quote – und wie gelingt der Weg nach oben insbesondere in Männerdomänen? Diese Fragen hat der ORF-„Report“ zwei Frauen gestellt, die im männerdominierten Umfeld von Politik, Wirtschaft und Fußball jeweils „die Ersten“ an der Spitze waren bzw. sind: Susanne Riess (ehemals Riess-Passer), die erste Vizekanzlerin Österreichs von 2000 bis 2003, ehemalige FPÖ-Parteichefin und nunmehr Generaldirektorin der Wüstenrot-Gruppe mit 2.400 Mitarbeitern, und Irene Fuhrmann, seit Sommer die erste Teamchefin der Frauen-Fußball-Nationalmannschaft. So unterschiedlich ihre Karrieren aufs Erste wirken, so viele Parallelen gibt es auf ihrem Weg nach ganz oben.

ORF-„Report“ zu mangelnder Gleichstellung

Wüstenrot-Chefin Susanne Riess und Frauen-Fußballnationaltrainerin Irene Fuhrmann im Gespräch

Geplant waren die ersten Spitzenpositionen weder bei der einen noch bei der anderen – es ist „passiert“. Riess wurde Österreichs erste Vizekanzlerin der auch international sehr umstrittenen schwarz-blauen Regierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) im Jahr 2000. Aufgrund ihrer Loyalität dem damaligen FPÖ-Chef Jörg Haider gegenüber wurde immer sie gefragt, so Riess, wenn es etwas Schwieriges zu tun gab, mit dem Nachsatz: „Das soll sie machen.“ Doch die gegenseitige Loyalität überstand die Legislaturperiode nicht. Nach dem Knittelfelder Putsch und einem infolgedessen schweren Zerwürfnis mit Haider gab Riess 2002 ihren Rücktritt von allen politischen Funktionen bekannt und schied aus der Politik aus.

Das gesamte Interview mit Susanne Riess und Irene Fuhrmann ist am Dienstagabend im „Report“ ab 21.05 Uhr in ORF2 zu sehen.

Nicht aktiv angestrebt hat auch Irene Fuhrmann ihre Führungsfunktion als erste weibliche Teamchefin im Österreichischen Fußball-Bund (ÖFB). Als sie im Sommer 2020 nach dem Wechsel ihres Vorgängers Dominik Thalhammer zum Bundesligisten LASK danach gefragt wurde, musste sie erst einmal intensiv überlegen, bevor sie zusagte. Seit dem Halbfinal-Einzug bei den Europameisterschaften 2017 galt auch dem Frauen-Fußball mehr öffentliches Interesse. Seitdem spielen immer mehr Mädchen und Frauen Fußball. Laut ÖFB sind es derzeit rund 15.000.

ORF-„Report“-Gespräch zum Gender Pay Gap

Wüstenrot-Chefin Susanne Riess und Frauen-Fußballnationaltrainerin Irene Fuhrmann im Gespräch

Die Schere endlich schließen

Einer Quote stehen beide aber trotz des nach wie vor geringen Frauenanteils in Führungsfunktionen skeptisch gegenüber. Das Vorurteil, den Job nicht in erster Linie aufgrund der Qualifikation erhalten zu haben, würde dadurch nach wie vor bestärkt. Fuhrmann lehnt auch die politische Forderung ab, Fußballclubs in der Bundesliga sollten verpflichtend eine Frauen-Mannschaft haben.

Vielmehr würden beide schon viel früher ansetzen: Riess nennt gleiche Bezahlung bei gleicher Qualifikation, Karrieremöglichkeiten auch in Teilzeitarbeit und vor allem eine bessere Bezahlung in systemrelevanten Branchen, in denen nachweislich großteils Frauen arbeiten. Fuhrmann fügt hinzu, nirgendwo gehe die Schere bei der Bezahlung zwischen Mann und Frau so offensichtlich weit auseinander wie im Spitzenfußball.

Grafik zu Frauen in systemrelevanten Berufen
Grafik: APA/ORF.at; AK OÖ

Mehr für Frauen, weniger für Männer

Für männliche Spitzenfußballer ist der Sport ein Millionengeschäft, um nach dem Karriereende ausgesorgt zu haben. Weibliche Spitzenspielerinnen können vom Sport alleine nicht leben. Die meisten Nationalteamspielerinnen haben hauptberuflich einen anderen Job, und auch die größten und traditionsreichen Bundesliga-Mannschaften wie Rapid Wien und Red Bull Salzburg haben keine Frauen-Mannschaften, wie es zum Beispiel in England bei Traditionsclubs der Fall ist.

Was sich im Fußball drastisch widerspiegelt, ist in vielen Branchen seit Jahren ein Faktum: Frauen verdienen laut Studien trotz gleicher Qualifikation im Schnitt zwischen 30 und 50 Prozent weniger während ihrer Berufslaufbahn. Fuhrmann wünscht sich auf lange Sicht gleiche Bezahlung von Frauen und Männern im Fußball – womit sie auch meint, dass Männer im Spitzenfußball weniger verdienen sollten, weil ihre Gehälter wirtschaftlich für Clubs auf Dauer nicht tragbar seien.

Grafik zu Frauen auf dem Arbeitsmarkt
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Statistik Austria

Faktor Kind in der „Rabenmütter“-Debatte

Wie in vielen internationalen Studien nachgewiesen, ist der Gender Pay Gap oftmals auf die Mutterschaft und die damit einhergehende Teilzeitarbeit zurückzuführen. Die ungleiche Bezahlung für gleiche Arbeit wird somit zum „Motherhood-Gap“. Statistisch gesehen gibt es kaum Einkommensunterschiede zwischen gleich qualifizierten Männern und Frauen bis zum ersten Kind. Von diesem Zeitpunkt an wird die Kluft im Laufe der Jahre trotz gleicher Ausbildung immer größer, und Frauen verdienen dadurch um bis zu 50 Prozent weniger, was sich auch auf die Pensionshöhe auswirkt.

ORF-„Report“ zu Ungleichheit wegen Mutterschaft

Wüstenrot-Chefin Susanne Riess und Fußballnationaltrainerin Irene Fuhrmann im Gespräch

In skandinavischen Ländern ist das aufgrund der höheren Väterbeteiligung bei Karenz und Kinderbetreuung anders. Selbst im Spitzenfußball sind Kinder dort kein Hindernis, weiterhin aktiv zu sein. Abgesehen von der faktischen Ungleichheit werden Frauen gerade in dieser Frage weiterhin diskriminiert, sprich auf die Kinderfrage reduziert, erzählt Riess. Die Gleichberechtigung ist wohl so lange in weiter Ferne, als es für berufstätige Frauen noch Begriffe wie „Rabenmütter“ gibt.