Anna Netrebko in Weiss mit schwarzem Raben
Wiener Staatsoper / Michael Pöhn
Comeback vor Publikum

Netrebko strahlt in düsterem „Macbeth“

Von den großen Verdi-Opern ist „Macbeth“ vielleicht die eigenwilligste – und auch schwierigste. Dieses Schlüsselwerk, das die Kehre aus dem Frühwerk besiegelt, ist pures Drama. Gerade auch musikalisch. Schwelgen kann man in „Macbeth“ nicht, eher muss man auf der Hut sein. Barrie Kosky entscheidet sich in seiner Neuinszenierung an der Wiener Staatsoper für ein minimalistisches Kammerspiel. Und hat dabei eine leuchtende Anna Netrebko an Bord, die ihr Wiener Comeback vor Publikum gibt – und ihr Debüt als Lady Macbeth.

Die letzte von zehn Neuinszenierungen dieser Spielzeit an der Wiener Staatsoper ist nun mit dem aufregenden wie gar nicht so leichten „Macbeth“ vollbracht. Koskys Produktion, die ihm bereits 2016 in Zürich großen Jubel einbrachte, wurde auch vom Wiener Premierenpublikum mit viel Applaus bedacht. Allen voran Netrebko, die ihr Debüt als Lady Macbeth an der Staatsoper gab, und Luca Salsi in der Titelrolle überzeugten in dem herausragend inszenierten, düsteren Kammerspiel.

Die Tiefe der Bühne liegt im Dunkeln, ganz vorne scheint eine Leiche zu liegen, bedeckt mit toten schwarzen Raben. Aus dem Zwielicht taucht langsam eine Gruppe nackter Wesen nicht zuordenbaren Geschlechts auf. Die Leiche entpuppt sich als lebender Macbeth, die Alptraumwesen als Vorboten der fatalen Prophezeiung der Hexen.

Verdis „Macbeth“ an der Wiener Staatsoper

Superstar Anna Netrebko intrigiert, meuchelt und mordet an der Wiener Staatsoper, denn sie ist die machtbesessene Lady Macbeth und will nichts weniger als den Thron. Der deutsch-australische Regisseur Barrie Kosky inszeniert Verdis Oper als Psychodrama und verzichtet trotz blutrünstiger Geschichte auf jegliches Theaterbrimborium.

Puristisches Kammerspiel

Kosky inszeniert „Macbeth“ nicht als opulentes Gemetzel oder politisches Lehrstück, er bringt ein puristisches Kammerspiel auf die Bühne, das auf die seelischen Abgründe der Figuren fokussiert. Die fatal-symbiotische Beziehung des mörderischen Paares steht im Mittelpunkt. Es geht um ihre Wahrnehmung der Geschehnisse, was das Publikum ebenfalls in die Täterperspektive zwingt.

Anna Netrebko und Luca Salsi  hinter bunten Papierschlangen
Wiener Staatsoper / Michael Pöhn
Symbiose eines mörderischen Paares. Nur die Papierschlangen leuchten an diesem Abend: Luca Salsi und Anna Netrebko als Familie Macbeth.

Das gelingt Kosky, weil er Gewalt und Wahn zum Kopftheater macht: Die blutigen Morde, die brutalen Gemetzel, die blutgierigen Hexen, das ausschweifende Festgelage, all das bleibt nicht greifbare Erscheinung. In diesem radikalen szenischen Minimalismus glänzen die Hauptfiguren: Netrebko als Lady Macbeth, deren Auftritt durchgehend von Szenenapplaus begleitet wird, und Salsi als irrlichternder Macbeth. Beide überzeugen stimmlich und mit ihrer Präsenz auf der großen, weiten Bühne.

De Tommaso als grandioser Macduff

Das gilt auch für den Chor und das restliche Ensemble, darunter Freddie De Tommaso als grandioser Macduff und Carlos Osuna als eindrücklicher Malcolm. Alle Mitwirkenden, auf der Bühne und im Off, lassen sich voll und ganz auf Koskys intensives Dunkel der Inszenierung ein. Eine Dunkelheit, die für den Regisseur nicht nur Shakespeares Vorlage und Verdis Partitur entspringt, sie sei das Stück selbst.

Sendungshinweis

Ö1 überträgt eine Aufnahme der Premiere am Samstag um 19.30 Uhr.

Die Essenz des Werkes, so Kosky, sei ein fast klaustrophobischer Nihilismus, den Dirigent Philippe Jordan mit dem Staatsopernorchester in feinen Nuancen begleitet, präzise und dann wieder mit emotionaler Wucht. Auch sie wurden vom Premierenpublikum mit viel Applaus bedacht.