Spritzen in einem Impfzentrum
Reuters/Lisi Niesner
Impfpflicht

Was es für die Umsetzung braucht

Das Gesetz zur Impfpflicht ist auf Schiene und derzeit in Begutachtung. Doch mit dem Gesetz allein ist es nicht getan. Fachleute des IHS nannten am Freitag mehrere Faktoren als Voraussetzung, damit die Impfquote tatsächlich deutlich gesteigert werden kann. Einer der wichtigsten davon: „Massiv mehr Personal“.

Die Einführung einer Impfpflicht dürfe nicht dazu führen, dass bisherige Maßnahmen zur Steigerung der Impfbereitschaft zurückgefahren würden, betonten Verhaltensökonominnen und -ökonomen in einer Pressekonferenz. Außerdem brauche es sowohl im Gesundheits- als auch im Kontrollbereich mehr Personal. Kontrollen sollten auf bestimmte Gruppen wie Risikopatienten fokussiert werden, als Strafe sollte auch gemeinnützige Arbeit möglich sein.

Die Verhaltensökonomin Katharina Gangl beschäftigt sich vor allem mit der Frage, wie man es schafft, dass Menschen Pflichten befolgen – und das möglichst freiwillig. Ihrer Ansicht nach liegt bei der Impfung einer der Schlüssel im „Empowerment“ des Gesundheits- und Kontrollpersonals. „Wir haben zu wenige Leute, die mit den Menschen auch reden können.“

„Massives Überangebot an Fehlinformation“

Jene Personen, die im direkten Kontakt mit der Bevölkerung stehen, müssten etwa in Konfliktmanagement trainiert werden. „Wie muss ich ein Aufklärungsgespräch führen mit Angstpatienten, mit Radikalisierten, aber auch mit Menschen, die einfach ihren Termin vergessen haben?“ Für diese Aufgaben brauche es „massiv mehr Personal“.

Man brauche auch „sehr viel mehr Aufklärungsstellen“, sagte Gangl. Dem „massiven Überangebot an Fehlinformation“ müsse der Staat etwas entgegensetzen – online, per Telefon und auch an Ort und Stelle. So wäre es etwa wichtig, im Aufforderungsbrief zum Impfen auch auf die entsprechenden Aufklärungsangebote hinzuweisen. Bei den Kontrollen der Einhaltung der Impfpflicht empfiehlt Gangl aus Kapazitätsgründen zunächst einen Fokus auf jene Personen, die andere gefährden könnten, sowie auf Risikopatientinnen und -patienten.

Mögliche Strafen sollten individuell und aufsteigend sein, so Gangl. Am Anfang sollte eine Aufklärung stehen, eine Strafe müsse dann auch den finanziellen Möglichkeiten entsprechen. Mögliche Konsequenz könnte außerdem eine Therapie sein, auch gemeinnützige Arbeit komme infrage. So könne man etwa sicherstellen, dass sich Reiche nicht „freikaufen“ können.

Empfehlung zur Wahlmöglichkeit

Gangl empfiehlt auch, den Menschen Wahlmöglichkeiten einzuräumen – etwa beim Impfstoff, beim Ort der Impfung und bei der Wahl des Arztes oder der Ärztin.

Gleichzeitig müsse man die möglichen negativen Effekte einer Impfpflicht im Auge behalten, so Florian Spitzer. Dazu gehörten neben einer Radikalisierung der vor CoV überschaubaren Impfgegnerszene auch „Spill-over“-Effekte – also, dass etwa Menschen, die der CoV-Impfung skeptisch gegenüberstehen, Auffrischungsimpfungen gegen andere Krankheiten verweigern und ihre Kinder auch gegen diese nicht mehr impfen lassen.

Psychologische Effekte

Die niedrige Impfrate erklärte Spitzer auch mit psychologischen Effekten wie Gegenwartspräferenzen: „Wenn ich mich impfen lasse, fallen bestimmte Kosten an. Ich muss einen Termin vereinbaren, habe vielleicht Nebenwirkungen – die positiven Effekte habe ich aber erst in der Zukunft.“ Außerdem spiele der Unterlassungseffekt eine Rolle: Das Risiko einer Impfung, also einer aktiven Handlung, werde deutlich überschätzt im Vergleich zum Risiko, einfach nichts zu tun.

Außerdem hätten Menschen Schwierigkeiten, Wahrscheinlichkeiten richtig einzuschätzen, so Spitzer. Das sei vor allem bei sehr kleinen Wahrscheinlichkeiten der Fall – also etwa der Abwägung des Risikos von Nebenwirkungen gegenüber jenem eines schweren Verlaufs. „Das Risiko der Erkrankung wird unterschätzt, die Risiken der Impfung überschätzt.“