Giorgia Meloni
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Rechtsruck in Italien

Meloni klare Nummer eins

Die Italien-Wahl ist geschlagen und nach Auszählung fast aller Stimmen ist die von Giorgia Meloni geführte postfaschistische Partei Fratelli d’Italia (Brüder Italiens, FdI) mit rund 26 Prozent klare neue Nummer eins. Der von Meloni angeführte Mitte-rechts-Block erreichte laut RAI News rund 44 Prozent – und hätte durch die Besonderheit des italienischen Wahlrechts damit eine zum Regieren ausreichende Mehrheit in Abgeordnetenkammer und Senat. Melonis direkter Herausforderer Enrico Letta zog angesichts des sich abzeichnenden Wahlergebnisses bereits Konsequenzen – und tritt als Chef der Sozialdemokraten zurück.

Meloni will als Chefin der stimmenstärksten Partei als erste Ministerpräsidentin die künftige Regierung anführen. Sie sprach von einer „Nacht des Stolzes“ und einer „Nacht der Erlösung“. Sie erkenne ein „klares Zeichen“, wer Italien nun regieren soll. „Wenn wir dazu aufgerufen werden, diese Nation zu regieren, werden wir das für alle Italiener tun, mit dem Ziel, das Volk zu vereinen, das Verbindende zu fördern und nicht das Trennende“, so Meloni.

Ihre Bündnispartner rutschten in der Wählergunst allerdings deutlich ab: Matteo Salvinis Lega muss sich mit rund neun Prozent begnügen. 2018 waren es noch rund 17 Prozent. Ein sattes Minus gab es auch für Forza Italia. Berlusconis Partei liegt nun bei rund acht Prozent (2018: rund 14 Prozent). Salvini begrüßte trotz des schwachen Ergebnisses seiner eigenen Partei den klaren Vorsprung der Mitte-rechts-Koalition und twitterte: „Wir sind vorn, danke!“

Giorgia Meloni bei der Stimmabgabe
APA/AFP/Andreas Solaro
Meloni bei der Stimmabgabe

Sozialdemokraten abgeschlagen bei unter 20 Prozent

Die Links- und Zentrumsparteien machten im Wahlkampf nicht geschlossen Front gegen die Rechten. Die von Letta angeführte Partito Democratico (PD) erreichte lediglich knapp 19 Prozent. Damit wurde selbst das angestrebte Mindestziel von 20 Prozent nicht erreicht. Das Wahlbündnis von Lettas Sozialdemokraten mit linken Parteien und Grünen auf rund 26 Prozent.

Die bisherige PD-Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus, Debora Serracchiani, räumte bereits in der Nacht auf Montag die Niederlage ihrer Partei ein. „Das ist ein trauriger Tag für unser Land“, sagte Serracchiani. Ihre Partei habe als zweite politische Kraft und erste Opposition nun dennoch eine große Verantwortung.

Letta wirft Handtuch

Letta gab am Montagvormittag im Rahmen ein Pressekonferenz seinen Rückzug von der Parteispitze bekannt. Er werde seine Partei noch bis zum Parteitag im Frühjahr führen. Danach werde er nicht mehr für den Chefposten kandidieren. Das Wahlergebnis für seine Partei bezeichnete Letta als „unbefriedigend“. Man wolle nun aber darauf achten, dass Italien trotz einer Rechtsregierung auf proeuropäischem Kurs bleibt, sagte Letta. „Die PD wird nicht zulassen, dass Italien das Herz Europas verlässt und sich von den europäischen Werten entfernt.“

Fünf Sterne auf Platz drei

Die von Ex-Premier Giuseppe Conte angeführte Partei Movimento 5 Stelle (Fünf-Sterne-Bewegung, M5S) landete bei etwa 15,5 Prozent der Stimmen. Die Fünf-Sterne-Bewegung, die Italien vier Jahre lang regiert hatte und bei der letzten Wahl noch stimmenstärkste Einzelpartei gewesen war, freute sich trotz herber Verluste über den überraschenden dritten Platz.

„Wir sind totgesagt worden, doch wir sind die drittstärkste Partei im Land“, sagte Michele Gubitosa, Vizepräsident der Fünf Sterne. Vor allem mit dem Versprechen, eine 2019 eingeführte Mindestsicherung weiterhin zu finanzieren, hat die vom Komiker Beppe Grillo gegründete populistische Partei Wählerstimmen erobert, vor allem im ärmeren Süden des Landes.

Die Zentrumsallianz der Parteien Azione (Aktion) und Italia Viva (Italien lebt) von Ex-Minister Carlo Calenda und Ex-Premier Matteo Renzi erreichte rund 7,8 Prozent.

Logo mit Mussolinis Flamme

Die FdI waren die einzige nennenswerte Opposition der von Ministerpräsident Mario Draghi angeführten und im Juni gestürzten Vielparteienregierung. Bei der vorigen Parlamentswahl 2018 kamen sie gerade einmal auf rund vier Prozent. Die Partei vertritt nationalistische, EU-kritische und teils rassistische Positionen und hat ihre Wurzeln direkt in der nach dem Tod von Benito Mussolini gegründeten neofaschistischen Italienischen Sozialbewegung (Movimento Sociale Italiano, MSI). Einen deutlichen Hinweis dafür gibt es auch im FdI-Logo – konkret erinnert die dort abgebildete Flamme an den faschistischen Diktator, der mit seinem Marsch auf Rom vor genau 100 Jahren die Macht in Italien übernahm.

Matteo Salvini, Silvio Berlusconi und Giorgia Meloni
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Salvini, Berlusconi und Meloni bei einem gemeinsamen Auftritt kurz vor der Wahl

Kritiker bemängelten, dass sich Melonis Partei nie klar von Faschismus losgesagt hat. Meloni distanzierte sich zwar selbst von eigenen früheren Aussagen über Mussolini, eine klare Abgrenzung vom Faschismus fehlt aber. Vertreter ihrer Partei fielen zudem immer wieder mit rechtsextremen Ausfällen auf. Erst wenige Tage vor der Wahl brachte ein FdI-Regionalpolitiker Meloni unter Druck. In einem Video war zu sehen, wie er bei der Beerdigung eines früheren Rechtsextremen den Arm zu dem im Faschismus verwendeten „römischen Gruß“ ausstreckte.

„Ich bin schon rechts geboren“, sagte Meloni einmal über ihre ersten politischen Schritte. Mit 15 Jahren trat sie der MSI-Jugendbewegung bei. Später sammelte sie politische Erfahrung bei der Nachfolgepartei Alleanza Nazionale von Gianfranco Fini, einem langjährigen Verbündeten Silvio Berlusconis. Im Wahlkampf 1996 lobte sich gegenüber dem französischen Sender Soir3 Mussolini als „guten Politiker“.

Seit 2006 ist Meloni Abgeordnete im Parlament. 2008 wurde sie unter Berlusconi im Alter von 31 Jahren Jugend- und Sportministerin und damit zur jüngsten Ministerin in der Geschichte Italiens. Seit 2014 steht sie an der Spitze der 2012 gegründeten FdI.

Historisch niedrige Wahlbeteiligung

Seit der Parlamentswahl im März 2018 gab es drei Regierungen in Italien. Planmäßig sollte erst Anfang 2023 ein neues Parlament gewählt werden. Der parteiunabhängige Premier Mario Draghi war Anfang 2021 an die Spitze der Regierung berufen worden. Die Fünf-Sterne-Bewegung entzog dem früheren Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) im Juli bei einem Gesetzesvorhaben das Vertrauen, woraufhin er zurücktrat. Draghi bleibt geschäftsführend im Amt, bis eine neue Regierung vereidigt ist – das kann etliche Wochen dauern.

Mehr als 51 Millionen Italienerinnen und Italiener waren zur ersten im Herbst stattfindenden Parlamentswahl in der italienischen Nachkriegsgeschichte aufgerufen. Die Möglichkeit zur Briefwahl gab es nur für die knapp 4,9 Millionen Italienerinnen und Italiener im Ausland. Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben des Innenministeriums bei lediglich rund 64 Prozent. Damit wurde die bisher niedrigste Wahlbeteiligung aus dem Jahr 2018 (73,76 Prozent) deutlich unterboten.

Ungeachtet der historisch niedrigen Wahlbeteiligung kam es am Sonntag vor manchen Wahllokalen zu Schlangen, was teilweise für Empörung sorgte. Das lag auch daran, dass von den zwei ausgefüllten Stimmzetteln – je einer für das Abgeordnetenhaus und einer für den Senat – ein Streifen sorgfältig abgerissen werden musste, bevor sie in die Wahlurne kamen. Dieses zusätzliche Prozedere zur Bekämpfung von Wahlbetrug verzögerte den Vorgang.

Abgespecktes Parlament

Erstmals wurde mit der vorgezogenen Parlamentswahl auch eine 2020 per Referendum abgesegnete Verfassungsreform umgesetzt – das neue Parlament hat deutlich weniger Sitze: Für die Abgeordnetenkammer standen nur noch 400 statt bisher 630 Sitze und im Senat 200 statt 315 Sitze zur Wahl. Gewählt wurde nach einem als „Rosatellum“ bekannten und im Vorfeld zur Wahl vieldiskutierten System. Es handelt sich um ein komplexes Mischsystem, bei dem etwa ein Drittel der Sitze nach Mehrheitswahlrecht und der Rest nach einem Verhältniswahlrecht vergeben werden.

Meloni: „Nacht des Stolzes“

Giorgia Meloni hat nach ihrem absehbaren Wahlsieg in Italien bereits Anspruch auf das Amt der Regierungschefin erhoben. Die 45-Jährige sprach in einer ersten Reaktion vor ihren Anhängerinnen und Anhängern von einer „Nacht des Stolzes“.

Südtiroler Volkspartei: „Wahlziel erreicht“

Kaum Veränderungen gibt es trotz verkleinerten Parlamentskammern für die Südtiroler Volkspartei (SVP). Für den Senat wurden Julia Unterberger und Meinhard Durnwalder wieder gewählt. Zudem stellt die SVP drei Abgeordnete. „Unser zentrales Wahlziel ist erreicht“, teilte die SVP-Führung Montagfrüh bei einer Pressekonferenz mit. Im Wahlkreis rund um die Hauptstadt Bozen hat der ehemalige Bürgermeister der Stadt, Luigi Spagnolli das Rennen um den Senatssitz knapp gegen die SVP gewonnen.

Geht es nach der wiedergewählten Senatorin Unterberger, werde man während der Regierungsbildung mit allen sprechen. „Es wird sicher eine schwierige Zeit“, so Unterberger, die gegenüber dem Nachrichtenportal Südtirol Online eine Unterstützung der anstehenden Meloni-Regierung gleichzeitig ausschloss.

Glückwünsche von AfD, Le Pens RN und Vox

Glückwünsche für Meloni kamen von der deutschen Rechtsaußenpartei AfD, von Rassemblement National (RN) aus Frankreich und der polnischen PiS. „Wir jubeln mit Italien!“, schrieb die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch auf Twitter. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki schrieb auf Twitter „Glückwunsch @Giogia Meloni“. Der französische Europaabgeordnete Jordan Bardella von Marine Le Pens RN schrieb auf Twitter, dass die Italiener der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen „eine Lektion in Demut“ erteilt hätten.

Auch die rechtsextreme spanische Partei Vox, die Meloni im Wahlkampf unterstützt hatte, begrüßte das Wahlergebnis. Am Montag gratulierte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban von der rechtsnationalen FIDEZ-Partei auf Facebook mit „Bravo, Giorgia! Ein mehr als verdienter Sieg“.