Gasspeicher Haidach
ORF.at/Roland Winkler
Gas in Österreich

Mit vollem Speicher in den Winter

Österreich hat seine Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen binnen weniger Monate auf 21 Prozent im September gesenkt. Zu Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine lag der russische Anteil an den Importen noch bei 79 Prozent. Laut Fachleuten ist man für den Winter gerüstet – überlegen müsse sich die Politik aber, wie man mit den weiterhin hohen Gas- und Strompreisen umgehen wird.

Das Energieministerium unter Ressortchefin Leonore Gewessler (Grüne) verwies in einer Aussendung auf die neue Website Energie.gv.at, auf der die Daten der E-Control nun zur Verfügung gestellt werden. Die Gasspeicher sind derzeit zu 95,5 Prozent gefüllt, ein Drittel ist für Speicherkunden in Österreich reserviert. Ein Fünftel wurde als strategische Reserve eingespeichert.

Der Rest verteilt sich auf eine „immunisierte“ Menge, die Unternehmen für den Krisenfall eingespeichert haben, und auf Gas, das für ausländische Speicherkunden reserviert ist – laut der Plattform können diese noch festlegen, in welchem Land und an wen sie das eingelagerte Gas verkaufen werden.

Leitungen über Deutschland und Italien

Seit Februar 2022 konnte die Abhängigkeit von russischem Gas Schritt für Schritt reduziert werden. Stammten Anfang des Jahrs noch knapp 80 Prozent des Gasimports aus Russland, waren es im September nur noch 21 Prozent. Die Importe aus anderen Quellen erfolgen laut E-Control im Wesentlichen über Routen durch Deutschland und Italien. So wurden etwa Leitungskapazitäten von 40 Terawattstunden (TWh) nach Deutschland und Italien gebucht. Damit konnte Österreich Gas aus Norwegen, Flüssiggas sowie zu einem geringen Teil Gas aus Nordafrika und Zentralasien beziehen.

„Wir haben einen großen Schritt aus der Abhängigkeit von russischem Gas gemacht. Ich möchte mich bei allen bedanken, die mitgeholfen haben, das zu ermöglichen – bei den Energieversorgern, die sich um neue Lieferländer bemüht haben, und bei allen Menschen, die zu Hause Energie einsparen“, führte Ministerin Gewessler aus, aber: „Wir sind noch nicht am Ende des Weges angekommen, wirklich frei sind wir erst, wenn wir ganz auf russisches Gas verzichten können.“ Daran arbeite man täglich „unter Hochdruck“.

Preis gesunken, Verbrauch erhöht

Die Plattform gibt auch den monatlichen Strom- und Gasverbrauch an. Laut Johannes Schmidt vom Institut für Nachhaltige Entwicklung an der Wiener Universität für Bodenkultur (BOKU) sind in den Monaten September, Oktober und November heuer durchschnittlich rund zehn Prozent weniger Gas verbraucht worden als in den Jahren 2019 bis 2021. Im Gesamtjahr sei bisher um fünf Prozent weniger Gas verbraucht worden als in den Vergleichszeiträumen 2015 bis 2021, sagte er am Montag im Rahmen einer Veranstaltung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

„Wir sind grundsätzlich für den Winter in einer guten Ausgangslage“, sagte Schmidt. Die Speicher seien sehr gut gefüllt, so gut wie fast nie zuvor. „Seit Samstag leeren sich die Gasspeicher in Europa jetzt“ und damit relativ spät im Jahr. „Wir haben Glück gehabt mit der Witterung, es war warm.“ Auch über die Witterung hinaus habe man Einsparungen beim Gasverbrauch beobachtet.

Es sei nicht immer ganz klar, wer welches Gas verbrauche, so Schmidt. „Da sehen wir, dass wir witterungsbereinigt im September und Oktober durchaus zehn bis 15 Prozent eingespart haben“, im November sei die Einsparung aber auf fünf Prozent zurückgegangen. „Wir gehen davon aus, dass viele dieser Einsparungen aus der Industrie kommen“, sagte der Experte. Gleichzeitig seien die Sparerfolge im November auch deshalb zurückgegangen, weil der Gaspreis auf dem Spotmarkt gesunken sei und jene Industrien, die dort kaufen, ihren Verbrauch entsprechend wieder erhöht hätten.

Experte: Sparanreize setzen

Der Gasverbrauch in der Stromproduktion sei heuer allerdings höher als in den vergangen drei Jahren. „Wir haben eine Knappheit im Stromsektor“, sagte Schmidt. Der Grund dafür sei, dass wenig Niederschlag und niedrige Wasserstände die Stromproduktion aus Wasserkraft gedämpft hätten. Weiters belastend wirke, dass die Produktion aus Atomkraft in Frankreich derzeit weit unter dem Ziel liege.

Wie man mit den hohen Strom- und Gaspreisen umgeht, ist eine politische Frage. So könne man das etwa den Märkten überlassen, dann werde dort gespart, wo es am leichtesten geht, so Philipp Schmidt-Dengler vom Institut für Volkswirtschaftslehre an der Uni Wien. „Es ist klar, das führt zu sozialen Verwerfungen. Um ein Extrem zu nennen: Man würde eine Hungersnot ja auch nicht den Märkten überlassen“, so der Forscher.

Das andere Extrem sei es, die Preise zu regulieren, etwa mit einem Preisdeckel. „Das Problem ist, dadurch wird das Gas nicht mehr“, sagte Schmidt-Dengler. Die Herausforderung sei es deshalb, einerseits die Wirkung der Preismechanismen, also Anreize zum Sparen, aufrechtzuerhalten und andererseits dort zu entlasten, wo es notwendig ist.

Wichtig sei dabei die soziale Treffsicherheit. „Was sozial treffsicher ist, liegt natürlich im Auge der Betrachterin“, so der Experte. Bei Klimabonus und Strompreisbremse sei jedenfalls nicht sozial differenziert worden, und es seien kaum Sparanreize entstanden.