Musikverein: Wien feiert Hrusa und Kissin

Dass ein Samstagnachmittagskonzert der Wiener Philharmoniker ein Headliner im Bereich Klassik sein kann, versteht, wer die Begeisterung für den russisch-israelischen Pianisten Jewgeni Kissin kennt. Doch es ist eine neue Paarung, die seit den Salzburger Festspielen und der furiosen „Kat’a Kabanova“ für Aufsehen sorgt: Die Kombination lautet Jakub Hrusa am Pult und die Wiener Philharmoniker on stage. Beide sammelten gestern im Musikvereinsaal zurecht Ovationen der Sonderklasse ein.

Die fixe Bank war zwar in der Mitte Wolfgang Amadeus Mozarts Klavierkonzert A-Dur, KV 488, mit zwei Sonderzugaben durch Kissin. Doch wer noch fragen sollte, wer den vakanten Platz des schmerzlich vermissten Mariss Jansons einnehmen wird, darf sich nun gewiss sein: Der gebürtige Mähre Hrusa, gerade für die Musikdirektion Royal Opera House in London ab 2025 bestellt, könnte es nicht nur – er wird es sein.

Wiener Philharmoniker im Musikverein
ORF.at
Begeisterung eines Nachmittags: Wien gewöhnt sich an die schöne neue Kombination Hrusa-Philharmoniker

Wucht und Exaktheit

Seine Orchesterführung zu Antonin Dvoraks Othello-Konzertouvertüre in fis-Moll, op. 93, und nicht zuletzt Witold Lutoslawskis Klassiker aus den 1950er Jahren, Konzert für Orchester, bewiesen die Meisterschaft Hrusas, den Klangkörper in seiner Breite führen zu wollen und Exaktheit an jedem Punkt zu demonstrieren.

In Summe wird es erlebte Musikgeschichte, wenn sich bei Lutoslawski das „Dies Irae“ mit der Musiksprache aus Strawinskis „Sacre“ und Schostakowitschs symphonischem Werk zu einer Standortbestimmung der Musik nach 1945, auch gegen autoritäre Systeme, paart. Hrusa und die Philharmoniker lesen das Werk im Sinn einer großen Befreiung. Und bändigen zugleich die Wucht, die in dieser Arbeit steckt.

Am Ende ist der Musikverein in einer großen Euphorie, holt den Dirigenten gleich weitere vier Mal zurück auf die Bühne. Und zeigt, dass hier neue Erwartungen für die Zukunft ausgelegt scheinen.