Publikum und Presse feiern neue „Meistersinger“ in Wien

Es war so etwas wie die Inszenierung der Inszenierungen, der große Lackmustest für das „wie geht es weiter“ – und am Ende wie so oft in Wien auch eine fast kulturpolitische Sache: Die Neuinszenierung von Richard Wagners Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ wurde zum großen Triumph für den Musikdirektor des Hauses, Philippe Jordan – und den Regisseur Keith Warner, der dem Haus am Ring 47 Jahre nach Otto Schenk nun eine neue Repertoireinszenierung dieses wichtigen Kapitels der Operngeschichte schenkt.

Szene aus der Neuproduktion von Richard Wagners Oper "Die Meistersinger von Nürnberg
Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
Georg Zeppenfeld als Veit Pogner und Hanna-Elisabeth Müller als Eva

Vorangegangen war dieser Inszenierung bekanntlich der öffentlich ausgetragene Konflikt zwischen Staatsopernchef Bogdan Roscic und Jordan. Es gab viel Gemunkel über Unzufriedenheiten der Philharmoniker über die Orchesterführung Jordans. Und als Jordan dann via „Kurier“ zum Gegenschlag über das Regietheater ausholte, hatte Wien das, wonach es sich immer sehnt: die Debatte zwischen Alt und Jung, zwischen Neu und Klassischem – und zwischen der Frage, wer nun recht habe in der Diskussion um die Ausrichtung des Opernhauses.

Jubel mit klarer Positionierung in der Jordan-Debatte

Den Jubel der Presse für die neuen Meistersinger darf man getrost auch in diese Frontenstellung einordnen. „Ein großer Erfolg“, schreibt der „Kurier“ und erinnert daran, dass das Publikum „allen voran“ den Dirigenten feierte: „Der Abend, also der Nachmittag, weil es ja schon um 17 Uhr losging, begann mit viel Applaus und Bravorufen für Philippe Jordan. Und er endete fünfeinhalb Stunden später mit Jubel für den Dirigenten und von den Rängen geworfenen Blumen für ihn – das Publikum der Wiener Staatsoper setzte ein starkes Signal, wie sehr es Jordan schätzt und wie massiv es offenbar auf seiner Seite ist, was seine Äußerungen im ‚Kurier‘-Interview gegen Fehlentwicklungen im internationalen Operngenre betrifft.“ Die Premiere von Wagners „Meistersingern“ sei dank ihm und dem grandiosen Staatsopernorchester zum musikalischen Triumph geworden.

„Ohne Regietheaterfaxen“

„Ohne Regietheaterfaxen“ sei Warner ausgekommen, lobte auch Karlheinz Roschitz in der „Kronen Zeitung“ die Arbeit Warners. Warner erzähle die Geschichte „von Stolzings Liebe zu Eva, vom Schusterpoeten Hans Sachs und vom Traditionalisten Beckmesser sachlich, klug, liebevoll und mit genauen Charakterisierungen“. Auch Wagners Komik werde in diesem „Wurf“ gewürdigt: hervorragend die Spitzensänger mit Michael Volle, Georg Zeppenfeld, Wolfgang Koch, David Butt Philip, Hanna-Elisabeth Müller. Jordan sei viel bejubelt worden am Pult „des fabelhaften Staatsopernorchesters“.

Szene aus der Neuproduktion von Richard Wagners Oper "Die Meistersinger von Nürnberg
Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
„Meistersinger“ in der Handschrift von Keith Warner, Bühne von Boris Kudlicka

In eine ähnliche Kerbe schlägt die „Kleine Zeitung“, in dem sie den Jubel hervorhebt und ebenso würdigt, dass Warner „die Komödie intakt hält“: „Ja klar, der Mob hat am Ende des zweiten Akts aus nichtigstem Anlass gewütet, die spießbürgerliche Fassade ist längst gefallen, aber das heißt nicht, dass es nichts zu lachen gebe. Die Rezeptionsgeschichte des Werks, also das, was in den Inszenierungen der letzten Jahre oft in den Mittelpunkt gerückt war, bleibt in der Staatsoper dezent im Hintergrund.“

Ein Meisterstück am Rande des Irrsinns

Eine sehr psychologische Ausdeutung des Stoffes sieht schließlich die APA, die „die große Oper der künstlerischen Selbstbefragung in schlafwandlerisch-assoziativen Bildern“ inszeniert sieht. „Warner lässt die Meistersinger ein Schattenspiel in Sachsens Fantasie treiben, suggeriert mit Motiven zwischen Poesie und Irrsinn, dass der seltsame Plot die schlaftrunkene Einbildung eines alternden, rastlosen kreativen Geistes sein könnte.“

Von allen wird die Abstimmung zwischen Regie, musikalischer Führung und dem Ensemble aus Sängerinnen und Sänger gelobt. Nach den bleiern werdenden Debatten der vergangenen Wochen und der Entscheidung, ab 2025 ohne Musikdirektor auskommen zu wollen, bleibt für den Jahresausklang an der Staatsoper zumindest einmal ein Fest der Spielfreude im Raum stehen. ORF III zeigt am Sonntag live-zeitversetzt „Aus der Wiener Staatsoper: Die Meistersinger von Nürnberg“ ab 20.15 Uhr – mehr dazu in tv.ORF.at.