Windkraftanlage
ORF.at/Roland Winkler
„Laborfunktion“

Was Gemeinden für Klimaschutz tun können

„Think globally, act locally“, also „global zu denken und lokal zu handeln“, gilt Klimaschützerinnen und Klimaschützern seit jeher als Leitspruch. Was das in der Realität bedeutet, zeigt sich auch in Österreichs Gemeinden, wo im Kleinen am Großen gearbeitet wird. Ein Gespräch von ORF.at mit Gemeindepolitikerinnen, Wissenschaftlern, dem Gemeindebund und dem Klimaministerium über Widerstände, Herausforderungen, aber auch Potenziale lokaler Klimaschutzpolitik.

„Wir wollen miteinander und füreinander bewusst eine lebenswerte Gemeinde gestalten und die Zukunft unserer Nachkommen sichern. Wir tragen Verantwortung für die Gegenwart und Zukunft und werden deshalb die uns möglichen Maßnahmen zum Klimaschutz treffen", heißt es in der Klimaschutzstrategie einer kleinen steirischen Gemeinde.

Dafür will man etwa verstärkt erneuerbare Energien einsetzen, klimafreundliche Mobilität und eine nachhaltige Bewirtschaftung der Nutz- und Erholungsflächen unterstützen, auf das Konsumverhalten der Bevölkerung einwirken und die Regionalität stärken.

Und tatsächlich: Auf dem Dorfplatz, gleich neben dem Gemeindeamt steht seit Kurzem ein E-Carsharing-Auto und ein Lastenrad, vor dem Greißler befindet sich nun ein „Fairteiler“ und auf dem Dach des lokalen Biomasseversorgers prangen mittlerweile auch schon Solarmodule.

Gemeinden als „Vorbilder und Multiplikatoren“

Seitens des Gemeindebundes verweist man gegenüber ORF.at darauf, dass es in österreichischen Gemeinden „seit Jahrzehnten“ nachhaltige Vorzeigeprojekte in unterschiedlichen Bereichen gebe – seien es Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) auf kommunalen Gebäuden, die Umgestaltung von Hitzeinseln in Ortszentren oder thermische Sanierungen. All das zeige, dass Gemeinden beim Umwelt- und Klimaschutz als „Vorbilder, Trendsetter und Multiplikatoren“ agieren.

Oftmals würden Gemeinden eine Art „Laborfunktion“ übernehmen, schließlich hätten viele Maßnahmen, die mittlerweile weit verbreitet seien, ihren Ursprung in einer kleinen Ortschaft, „die sich dafür entschieden hat, mutig vorzupreschen“. Als Musterspiele diene etwa die niederösterreichische Marktgemeinde Grafenwörth, wo bald die „größte schwimmende PV-Anlage Mitteleuropas“ in Betrieb gehen werde.

Schwimmende PV-Anlage in Grafenwörth
ORF
Schwimmende PV-Anlage in Grafenwörth – ein Musterbeispiel für gelungenen Klimaschutz in Gemeinden

Auch im Regierungsprogramm ist zu lesen: „Bund, Bundesländer und Gemeinden arbeiten gemeinsam und abgestimmt an der Erreichung der Klimaziele.“ Sei es, bis 2040 in Österreich Klimaneutralität zu erreichen oder den Anteil an Erneuerbaren bis 2030 auf 100 Prozent zu erhöhen. Für die kommenden beiden Jahre werden im Zuge des „Kommunalen Investitionsprogramms“ (KIG 2023) rund 500 Millionen Euro für Investitionen in Klimaschutz und Energiewende zur Verfügung gestellt.

Unzählige Programme und Förderungen

An Förderungen, Angeboten, Initiativen und Programmen für lokale Klimapolitik mangelt es nicht – und die Zahlen zeigen, dass diese gut angenommen werden. So gebe es dem Gemeindebund zufolge bereits über 1.000 Klimabündnisgemeinden, 250 Energiegemeinschaftsgemeinden (e5), 120 Klima- und Energiemodellregionen (KEM) mit mehr als 6.300 umgesetzten Projekten und 651 Gemeinden, die Vorreiter bei Klimawandelanpassungsmaßnahmen seien (KLAR).

Zudem unterstützt die Initiative „Gemeindeoffensive“ von Gemeindebund und Klimaministerium bei Gemeinderatsbeschlüssen im Bereich Klimaschutz. Aufseiten der NGOs ist das Klimabündnis laut Ministerium eng mit der Betreuung von Gemeinden betraut. Und mit klimaaktiv gibt es zudem ein österreichweites Netzwerk, „das eine Vielfalt an praxistauglichen, erprobten Unterstützungs- und Beratungsangeboten beim Bauen und Sanieren, beim Energiesparen, bei der Nutzung erneuerbarer Energie und in der Mobilität bereithält“.

Aus Gemeindepolitikkreisen heißt es hinter vorgehaltener Hand, aufgrund des großen Angebots sei es manchmal gar nicht so einfach, den Überblick zu behalten. Daher sei es sinnvoll, dass sich in einer Gemeinde nicht nur der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin darum kümmere, sondern ein ganzes Team. In Gemeinden bedeutet das aber immer noch oft: Ehrenamtliche.

Parkplatz vor dem Zoo Hellbrunn
ORF.at/Georg Hummer
Wie kann eine Gemeinde klimafreundlich werden? Antworten und Angebote gibt es viele – an der Umsetzung scheitert es noch

Widerstände aus der Bevölkerung

Doch während sich einige Bürgerinnen und Bürger aktiv für Klimaschutz einsetzen, stellen sich andere klar dagegen. Gerade auf lokaler Ebene habe man oftmals mit Widerständen zu kämpfen, gibt auch der Gemeindebund zu. So müsse bei allen Maßnahmen beachtet werden, dass diese stets unter Einbindung der Bürgerinnen und Bürger geschehen, da diese freilich deren „direktes Lebensumfeld“ betreffen.

„Diese Balance ist nicht immer einfach oder konfliktfrei möglich“, so der Gemeindebund, deren Sprecherin als Beispiel für Proteste aus der Bevölkerung etwa die Bürgerinitiative gegen einen Windpark im Waldviertel nennt.

„Wissen sehr wenig, was Länder und Gemeinden tun“

Ein weiterer Punkt: das Geld. So heißt es seitens des Gemeindebunds: „Investitionen in Klimaschutz kosten Geld, wovon in den meisten Fällen der Großteil für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur und der Daseinsversorgung der Bürgerinnen und Bürger – Abfall, Kanal, Kinderbetreuung etc. – benötigt wird.“ Laut Fachleuten ist aber auch klar, dass mangelnder Klimaschutz längerfristig gesehen weitaus teurer ist.

Zudem fehle derzeit noch eine genaue Übersicht über die Klimaausgaben und -kosten in den Ländern und Gemeinden, kritisierte die Ökonomin des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), Margit Schratzenstaller, im Ö1-Morgenjournal. „Wir wissen eigentlich sehr wenig, was Länder und Gemeinden tun“ – und das, obwohl diese ja eine Reihe von Aufgaben und Ausgabenbereichen hätten, die für das Klima relevant seien.

Lücken zwischen Länder- und Bundeszielen

Auch in der Analyse zu den Klima- und Energiestrategien der Länder ist zu lesen, dass wesentliche Stellschrauben für die Energiewende und den Klimaschutz in den Kompetenzbereich der Länder fallen. „Idealerweise entspricht also die Summe der Länderziele für eine Zielgröße (z. B. für den erneuerbaren Anteil am Stromverbrauch) dem Bundesziel.“ In vielen Bereichen, etwa im Ausbau der Erneuerbaren oder bei der Treibhausgasreduktion, gebe es allerdings noch „erhebliche Differenzen“ zwischen Länder- und Bundeszielen.

Expertin: Rechtliche Strukturen nicht klimafreundlich

Aus dem Klimaministerium heißt es, dass Klimaschutz in Österreich kompetenzrechtlich eine „Querschnittsmaterie“ sei. Prinzipiell können alle – Bund, Länder und Gemeinden – im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Maßnahmen erlassen, die dem Klimaschutz dienen.

Klimaschutzrechtsexpertin Birgit Hollaus von der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien ortet hier jedoch ein Problem mit rechtlichen Strukturen. Diese seien oftmals nicht klimafreundlich gestaltet oder würden Klimaschutz sogar verhindern. Zudem gebe es zahlreiche Herausforderungen bei der Abstimmung und Koordinierung zwischen den Gebietskörperschaften, so Hollaus in einem Onlinepressegespräch von „Scientists for Future“ und „Diskurs. Das Wissenschaftsnetz“ am Mittwoch.

Laut Hollaus sind Länder im Vergleich zu den Gemeinden in einer stärkeren Position, hier Maßnahmen zu setzen – doch ohne Klimaschutzgesetz gebe es auf Länderebene keine quantifizierbaren Ziele.

Bau einer Wohnhausanlage nahe einem Feld
ORF.at/Lukas Krummholz
In den Bereichen Bauen, Wohnen, Verkehrsinfrastruktur, Energie, vor allem bei der Flächenwidmung können Gemeinden viel für das Klima tun

Flächenwidmung „starker Hebel“ für Klimaschutz

Das Klimaministerium hebt beim Klimaschutz in den Gemeinden etwa die Bereiche Bauen, Wohnen, Verkehrsinfrastruktur, Energie und Flächenwidmung hervor. Für Hollaus hätten Gemeinden vor allem bei der örtlichen Flächenwidmung „grundsätzlich“ einen starken Hebel, um hier tätig zu werden und „klima- sowie energieeffiziente Raumstrukturen“ zu schaffen.

Der ÖVP-Gemeinderat und Ratsvorsitzende der Universität für Bodenkultur (BOKU) Franz Fehr verweist hierbei jedoch auf Spannungen und Verantwortungskonflikte, denen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bei der Widmung von Bauland ausgesetzt sind: „Man kann nicht nur überregional denken, sondern hat auch den Druck von Bürgern.“ Diese seien dann oftmals überfordert, was die Flächenwidmungs-, aber auch Verkehrsstrategie ihrer Gemeinde betreffe, so Fehr.

Gerade der Verkehr böte aber noch viel Potenzial: Ilse Bartosch (Uni Wien und SPÖ) verweist hierbei etwa auf Niederösterreich, wo 43 Prozent der Emission aus dem Verkehr stammen. Regionale Mobilitätskonzepte könnten also eine „zentrale Rolle“ für die rasche Senkung der CO2-Emissionen spielen.

Stadtbus Bruck an der Mur
ORF.at/Christian Öser
Regionale Mobilitätskonzepte bieten viel Potenzial, um CO2-Emissionen zu senken

„Föderalismus ungeeignet, um globales Problem zu lösen“

Weitaus kritischer äußert sich Reinhard Steurer (BOKU). Ihm zufolge sei der Föderalismus ganz generell nicht geeignet, um ein globales oder nationales Problem zu lösen. Besonders deutlich zeige sich das bei der Energiewende. Zahlreiche Landesregelungen würden den Ausbau von Windkraft und PV-Anlagen derzeit bremsen oder sogar ganz verhindern. Das betreffe etwa lange Genehmigungsverfahren und fehlende Flächenwidmungen.

Lokale Klimapolitik zeigt also: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Hier liegt es wohl an den Gemeinden, das Licht zu nützen und es in Energie umzuwandeln. Denn egal ob Personen aus der Wissenschaft oder Politik, sie alle sind sich in einem einig: Angesichts des Ausmaßes der Klimakrise bedarf es eines entschlossenen Handelns – auf allen Ebenen.