Parkende Autos in einer Altstadt
ORF.at/Dominique Hammer
Stellplatzverordnung

Klimaexperten fordern weniger Parkplätze

Die Rechnung ist einfach: Wenn Autos größer werden, brauchen sie mehr Platz – auf Kosten der Umwelt, denn je mehr Fläche für Autos versiegelt wird, desto weniger steht der Natur zur Verfügung. Dazu kommt: Wer direkt vor der Haustür einen Parkplatz hat, wird den Weg zur nächsten Haltestelle weniger in Kauf nehmen, als wenn Auto und öffentliche Verkehrsmittel gleich weit weg sind. Klimaexperten und -expertinnen sehen in der Stellplatzverordnung eine wichtige Stellschraube für den Klimaschutz und fordern gesetzliche Änderungen.

Die Stellplatzverordnung nötige Bauträger ungeachtet des Bedarfs, Parkplätze für Autos zu errichten, kritisierten Fachleute am Donnerstag bei einer Onlinepressekonferenz des Wissenschaftsnetzes „Diskurs“ und „Scientists for Future“. In Ortszentren mache man private Pkws damit attraktiver als den klimafreundlicheren öffentlichen Verkehr, und um die Gemeinden würden „Österreichs fruchtbarste Böden“ versiegelt. Die Experten fordern, die Verordnungen stark an den örtlichen Gegebenheiten auszurichten und Ober- statt Untergrenzen festzulegen.

Die Stellplatzverpflichtungen stammten aus einer Zeit, als die motorisierte Mobilität der Bevölkerung explizit vorangetrieben wurde, sagte Birgit Hollaus vom Institut für Recht und Governance der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien. Damals war Vollmotorisierung das erklärte gesellschaftliche und politische Ziel. Heute müsse hingegen der Klimaschutz Vorrang haben.

Parkende Autos in der Shopping City
APA/Herbert Pfarrhofer
Statt Unter- fordern Fachleute Obergrenzen für Parkplätze

Spielräume für Gemeinden

Die Zahl der Stellplätze werde von den Landesregierungen nach der Anzahl der Wohneinheiten oder den Quadratmetern bei Handel und Gewerbe festgelegt, so Hollaus. Die Gemeinden hätten aber teils Spielräume, nach oben oder unten abzuweichen.

In Niederösterreich könnten sie die Vorgaben nach „örtlichem Bedarf“ ändern, gemeint sei damit aber lediglich eine Erhöhung. In Wien dürften die Pflichtparkplatzzahlen um bis zu 90 Prozent reduziert werden, und in Oberösterreich könne man sowohl mehr als auch weniger Parkmöglichkeiten anordnen. „Dort steht es also offen, aus Klimaschutzerwägungen weniger Stellplätze vorzusehen“, sagte sie.

Bequemer Individualverkehr

Mit der Stellplatzverordnung schaffe man dem Individualverkehr einen zusätzlichen Bequemlichkeitsvorteil gegenüber dem öffentlichen Verkehr, so Harald Frey vom Institut für Verkehrswissenschaften der Technischen Universität (TU) Wien.

„Eine 400 Meter entfernte Haltestelle weist im durchschnittlichen städtischen Umfeld weniger als 20 Prozent Attraktivität im Vergleich zu einem Stellplatz in der Tiefgarage, im Haus oder vor dem Haus auf.“ Ist ein Stellplatz verfügbar und leicht erreichbar, fahren die Menschen auch entlang von Strecken mit gut ausgebautem öffentlichen Verkehr vorzugsweise mit dem privaten Pkw.

„Will man Chancengleichheit zwischen dem öffentlichen Verkehr und dem Auto herstellen, sind zentrale Garagen in gleicher Entfernung wie die Haltestellen von häufig verkehrenden Verkehrsmitteln anzulegen“, sagte er.

Neue Bauten im Nordbahnviertel
ORF.at/Christian Öser
Bauträger müssen laut Stellplatzverordnung Parkplätze errichten – ungeachtet der örtlichen Bedingungen

Experte: Obergrenzen gesetzlich festlegen

Außerdem solle man Obergrenzen für Stellplätze pro Grundstück gesetzlich festlegen, wie es etwa in der Schweiz gemacht wird. Der Experte kritisierte, dass überall gleich viele Stellplätze gebaut werden müssen, egal ob es eine gute Anbindung zum öffentlichen Verkehr gibt oder nicht.

„Wir bauen am Bedarf vorbei“, sagte Frey. Mancherorts seien bis zu 70 Prozent der Garagen- und Parkplätze ungenutzt. Das würde auch den Wohnbau verteuern und somit soziale Probleme schaffen. Als positives Beispiel nannte er die Stadt St. Pölten, wo die „Bedienquantitäten“ am öffentlichen Verkehr ausgerichtet sind. Im Zentrum müssen die Bauträger dort weniger Parkplätze errichten als in der Peripherie.

„Wir verbauen die fruchtbarsten Böden Österreichs“

Die enorme Flächeninanspruchnahme für die Infrastruktur, die man in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts als wohlstandsfördernd forciert habe, sei auf Kosten von land- und forstwirtschaftlicher sowie Naturschutzfläche gegangen, sagte Johannes Tintner-Olifiers vom Institut für Statistik der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien: „Man hatte offensichtlich den Eindruck, dass Fläche unbegrenzt da ist, was freilich nicht stimmt.“

„Wir verbauen in Österreich für Infrastruktur und Bauland primär die fruchtbarsten Böden des Landes“, so Tintner-Olifiers. Das sei beinahe unumkehrbar, denn versiegelte Flächen lassen sich auch durch „Entsiegelung“ nicht rasch wieder in gute landwirtschaftliche Flächen umwandeln. Außerdem würde bei der Verbauung klimaschädlicher Kohlenstoff freigesetzt, egal ob die Fläche vorher Wald, Grünland oder Ackerland war.

Ausgleichsabgabe: Geld von Parkplätzen für „Öffis“

In den Stellplatzverordnungen sei auch festgeschrieben, dass finanzielle Ausgleichsabgaben fällig sind, wenn die geforderte Anzahl an Stellplätzen nicht errichtet werden kann, so Birgit Hollaus. Sie würden jedoch in der Regel dazu verwendet, anderswo ersatzweise Parkflächen zu betonieren. Etwa in Niederösterreich und Wien könne man damit aber auch den Personennahverkehr fördern. „Auf diese Weise kann die Ausgleichsabgabe zu einer Ökologisierung des lokalen Verkehrs beitragen.“