Junge Pflanzen im Feld im Frühjahr
ORF.at/Günther Rosenberger
Trockenheit in Landwirtschaft

Saisonstart mit „leeren Akkus“

Es war ein ungewöhnlich warmer und auch trockener Winter, besonders im Westen hat es vergleichsweise wenig geregnet. Die Landwirtschaftskammer sieht einen Saisonstart mit „leeren Akkus“, die Aufmerksamkeit auf die nun entscheidende Niederschlagsentwicklung im Frühjahr ist groß. Fachleute wünschen sich daher ein flächendeckendes, einheitliches Monitoring der Dürresituation.

In Summe hat es heuer in ganz Österreich im Dezember, Jänner und Februar vergleichsweise wenig geschneit beziehungsweise geregnet. Rund 13 Prozent beträgt das Niederschlagsdefizit in diesem Winter im Vergleich zum langjährigen Mittel von 1961 bis 1990. Die Klimamonitoring-Karte der GeoSphere Austria zeigt auch, dass dieses Defizit vor allem den Westen Österreichs betroffen hat.

In Tirol, Vorarlberg und Salzburg habe es rund um ein Drittel weniger Niederschlag gegeben, so Klaus Haslinger, Leiter der Kompetenzeinheit Klimasystem und Klimafolgen bei der GeoSphere Austria. Auch in Niederösterreich und Oberösterreich habe es leichte Defizite gegeben, während heuer die Situation in der Südsteiermark und im östlichen Kärnten etwas besser gewesen sei.

Blick auf eine Skipiste in Schruns in Vorarlberg
APA/Dietmar Stiplovsek
Weiße Bänder in grüner Landschaft: Nicht nur in Schruns in Vorarlberg herrschte im Dezember 2022 Schneearmut

Deutlich sichtbar war das Niederschlagsdefizit vor Weihnachten, Bilder von aperen Skigebieten in ganz Europa haben die Berichterstattung geprägt. Doch nicht nur für das Skifahren ist der Schnee wichtig. „Wenig Niederschlag im Winter bedeutet auch wenig Schneedecke. Sprich: Es fehlt zum Start der Frühjahrssaison gespeicherte Flüssigkeit“, so der Trockenheitsexperte im Gespräch mit ORF.at. Schmelze die dünne Schneedecke früher, sei man im Frühjahr sehr bald von Niederschlägen abhängig.

Dürre ist nicht gleich Dürre

Allgemein wird bei Trockenheit zwischen meteorologischer und landwirtschaftlicher Dürre unterschieden. Atmosphärisch trockene Zustände durch fehlenden Niederschlag werden als meteorologische Dürre bezeichnet, während landwirtschaftliche Dürre jenen Moment beschreibt, ab dem Böden beginnen auszutrocknen und Pflanzen unter Wassermangel leiden. Punktuelle Niederschlagsdefizite müssen also nicht gezwungenermaßen zu einer landwirtschaftlichen Dürre führen.

Von einer landwirtschaftlichen Dürre könne man derzeit noch nicht sprechen, zumal es im sonst so vulnerablen Osten nur ein kleines Niederschlagsdefizit gibt. „Aber die Niederschlagsentwicklung der nächsten Wochen und Monate wird einen Einfluss darauf haben, ob sich eine längere Dürresituation entwickeln wird“, fasst Haslinger die Lage zusammen.

Warten auf Regen

Ob die Trockenheit im Winter Auswirkungen auf die kommende Agrarsaison haben wird, ist derzeit noch schwierig zu sagen. „Derzeit ist es noch viel zu früh, um eine Abschätzung der Auswirkungen beziehungsweise allfälliger Ernteausfälle treffen zu können“, erklärt der Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich (LKÖ), Josef Moosbrugger, auf Anfrage. Entscheidend sei die Niederschlagssituation während der Vegetationsphase, die erst beginne.

Rapsfeld im Mostviertel
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Winterkulturen wie Raps werden schon im Herbst angebaut und gewinnen an Bedeutung, da sie die Winterfeuchte nutzen können

Allerdings sei auch klar, dass „wir mit weniger Winterfeuchte ins Jahr starten“. Der Boden habe aber – je nach Beschaffenheit – die Fähigkeit, Wasser zu speichern, was einen gewissen Puffer ergebe. „Wenn man das Ganze mit Energie vergleicht, dann starten wir mit recht leeren Akkus in die neue Saison“, so Moosbrugger.

Extremwetter

Zwar lassen sich einzelne Extremereignisse nicht direkt auf eine bestimmte Ursache zurückführen, klar ist laut Weltklimarat aber: Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitze häufiger und intensiver. Das heißt: Niederschläge und Stürme werden stärker, Hitzewellen heißer und Dürren trockener.

Generell ist eine Veränderung der Bedingungen durch die Erderhitzung auch für die Landwirtschaft spürbar: „Wir merken deutlich, dass die Temperaturen steigen und der Wind zunimmt. Die Vegetation verlagert sich im Jahr deutlich nach vorne. Das heißt, die Blüte findet früher statt, was wiederum zur Folge hat, dass das Risiko für Spätfröste bei manchen Kulturen massiv steigt.“

Neben Trockenheit würden auch andere Wetterextremereignisse wie Hagelunwetter, Starkregen, Überflutungen und Stürme die Ernte bedrohen. Zudem würden durch mildere Winter auch Schädlinge häufiger auftreten. „Alles in allem ist es unbestreitbar, dass die Bedingungen herausfordernder werden, aber jetzt eine Prognose für die Ernte 2023 zu treffen, wäre unseriös“, so der LKÖ-Präsident.

Anpassungsmaßnahmen unumgänglich

Für die Landwirtschaft stellen die Grundwasserstände und der Abfluss in Oberflächen einen wesentlichen Faktor für ausreichende Bewässerung dar. Doch die Verteilung des Wasserbedarfs ist in Österreich unterschiedlich, wie es in einer Studie des Landwirtschaftsministeriums („Wasserschatz Österreichs“) heißt: „Österreichweit ist der Anteil der Bewässerung am gesamten Wasserbedarf mit rund 69 Millionen Kubikmetern pro Jahr zwar gering, aber auf wenige Regionen in Ostösterreich und zeitlich auf die Vegetationsperiode konzentriert.“

Der Großteil davon werde aus den Grundwasserkörpern aktiv mittels Brunnen entnommen, während der restliche Anteil aus Oberflächengewässern und Quellen stamme. Für den Zeithorizont 2050 wird angenommen, dass der durchschnittliche Bewässerungsbedarf um rund 80 Prozent steigt, in Trockenjahren noch mehr.

Pegelstand österreichischer Gewässer und Grundwasserstand (Ansicht auswählbar), mehr Informationen per Klick, Stand 10.3.

Da der Bewässerungsbedarf in der Landwirtschaft nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich konzentriert sei, könne die Verfügbarkeit von Wasserressourcen für die landwirtschaftliche Bewässerung besonders in Trockenperioden saisonal zur Herausforderung werden, heißt es in der Studie. Grundwasserstände und ein erforderlicher Mindestabfluss in Oberflächengewässern sowie andere Nutzungen müssten berücksichtigt werden.

Dürreplan nach französischem Vorbild?

Gewisse Verschiebungen und Anpassungen werde es im Bereich der Landwirtschaft also weiterhin geben, erklärt Hans-Peter Kaul, Leiter des Instituts für Pflanzenbau an der Universität für Bodenkultur (BOKU). Aber „das Bild von der Landwirtschaft in der Landschaft wird sich nicht deutlich verändern“. Es würden zum Beispiel Nischenprodukte hinzukommen, das sei vor allem wirtschaftlich hoch interessant. Pflanzen, die in trockeneren und heißeren Gebieten wachsen, werden weiter zunehmen – etwa Sojabohne, Hirse und Mais.

In Österreich ist die Situation noch besser als in Frankreich, wo mancherorts bereits Pläne zur Rationierung von Trinkwasser umgesetzt werden müssen. „Auch weil es im sonst vulnerablen Osten mehr geregnet hat“, meint Haslinger. Aber: Das Grundwasser sei immer noch niedrig, und nochmal so eine trockene Jahreszeit könne gebietsweise durchaus zu Problemen führen, so der Hydroklimatologe. „Alles südlich und östlich von Wien war die letzten Jahre schon sehr trocken.“

Dass die Situation in Frankreich eine andere sei als in Österreich, weiß auch Kaul. Mittelfristig sei die Wasserversorgung in Österreich überwiegend gedeckt. Denkbar sei hierzulande eher, dass es zu kleinräumigen Wassersparmaßnahmen komme. Nicht zu vergessen sei, dass derlei Einschränkungen „auch ein Eingriff in das Leben der Bevölkerung ist, nicht nur der Landwirte“, so der Agrarwissenschaftler zu ORF.at.

Grundwasser wird immer weniger

In Europa wird das Grundwasser immer weniger. Nach der Trockenheit des vergangenen Sommers bereiten sich Wasserversorger und Gemeinden auf einen möglichen Trinkwassermangel vor.

„Wenn sich für bestimmte Regionen abzeichnet, dass bei öffentlichen Wasserversorgungsanlagen oder bei Einzelwasserversorgungsanlagen Engpässe auftreten können, werden vom Wasserversorger und der Gemeinde Notfallmaßnahmen geplant“, heißt es dazu seitens des Landwirtschaftsministeriums auf Anfrage. In der Regel seien Maßnahmen zur Überbrückungsversorgung bei Wasserversorgern oder mittels Wassertransporten, zum Beispiel durch die Feuerwehr, gesetzt worden.

Einheitliche Datenerfassung essenziell

Neben Anpassungsmaßnahmen ist auch die Datenerfassung ein wichtiger Faktor im Umgang mit der Trockenheit. Haslinger wünscht sich hier mehr Zusammenarbeit: „Ein flächendeckendes Monitoring wäre wichtig.“ Die GeoSphere Austria habe intern ein Dürremonitoringsystem, das Niederschlag und Verdunstung beinhalte. Wünschenswert sei es aber, etwa auch Aufzeichnungen zu Pegelständen von Oberflächengewässern zu kombinieren.

Auch müssten Regionen besser zusammenarbeiten. Jetzt sei die Hydrografie noch auf die Bundesländer aufgeteilt, mit jeweils eigenen Monitoringsystemen. „Da wäre ein flächendeckendes österreichisches Bild natürlich sinnvoll“, so Haslinger weiter. Es herrsche durchaus Interesse, gemeinschaftlich an Monitoringstrategien zu arbeiten, und es gebe dahingehend auch Gespräche.