„Was mir fehlt, ist eine Empathie mit diesem Staat“: Mitten in das österreichische Gedenkjahr zu 1848, 1918 und 1938 fällt auch das 70-Jahr-Jubiläum des Staates Israel, der am 14. Mai 1948 gegründet wurde. Was auf den ersten Blick wie Zufall aussieht, ist bei genauerem Hinsehen vielfach miteinander verknüpft. Trotzdem - oder gerade deshalb - ist das Verhältnis zwischen Österreich und Israel bis heute alles andere als normal: Selbst parallele Entwicklungen wie der politische Rechtsruck erweisen sich als komplexer, als es den Anschein hat.
Der israelisch-österreichische Schriftsteller und Historiker Doron Rabinovici ist überzeugt, dass sich das Verhältnis „noch lange“ nicht normalisieren wird. Das sei nicht verwunderlich, denn „Israels Entstehungsgeschichte hat sehr viel mit Europa zu tun, und insofern wird viel an Israel abgearbeitet“. Auffällig ist für Rabinovici aber das fehlende Einfühlungsvermögen in Israel auf österreichischer Seite. Der Politologe Anton Pelinka sieht noch viel Spielraum für eine Entkrampfung, gleichzeitig müsse klar sein, dass die Beziehungen immer eine „Einzigartigkeit“ behalten würden. Die Unentspanntheit und Ambivalenz Österreichs gegenüber Israel, die nach 1948 immer wieder auch in offene Ablehnung und Verurteilung umschlug, hat für Rabinovici und Pelinka vor allem mit der Ermordung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden durch das NS-Regime - unter Mitwirkung vieler österreichischer Täter und Täterinnen - zu tun.
Für die Salzburger Historikerin Helga Embacher kommt als Charakteristikum dieser Beziehung ein sehr realpolitischer Zugang hinzu. Genau diese Kombination - das durch die Schoah geprägte Opfer-Täter-Verhältnis und eine vor allem interessengeleitete Politik - führt nach Ansicht Rabinovicis in Österreich immer wieder zu dem paradoxen Effekt, dass es statt Entkrampfung zu einer Belastung des Verhältnisses komme. Denn es gelte: „Je mehr man so tut, als wäre Israel ein normaler Ort, desto mehr wirbelt man hochradioaktiven Staub auf und verfängt sich in Gegensätze.“
Auch wenn es andere, positive Bezugspunkte gibt, etwa die Gründung der Republik und Theodor Herzl, der als Journalist in Wien den Zionismus zu einer politischen Bewegung machte: Die Schoah ist und bleibt die dominierende und definierende Verbindung zwischen Österreich und Israel - auch 80 Jahre nach dem „Anschluss“.
Zehn Jahre nach der Eingliederung Österreichs in und durch Hitler-Deutschland und dem Beginn der Entrechtung, Verfolgung, Ausbeutung und Ermordung der Jüdinnen und Juden durch das NS-Regime rief David Ben-Gurion am 14. Mai 1948 um 16.00 Uhr in Tel Aviv den unabhängigen Staat Israel aus. Drei Jahre nach Ende des Holocaust und dem Sieg über Nazi-Deutschland wurde damit die Vision des Österreichers Herzl von einer sicheren Heimat für alle Juden Wirklichkeit.
Kritik als Entlastung
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In Österreich fehle es oft an Interesse für und Wissen um die Vielfalt in Israel und die Komplexität des Nahost-Konflikts, konstatiert Rabinovici. In Österreich und Europa generell werde vielfach nicht verstanden, warum für Israel das Regime in Teheran eine unmittelbare Lebensbedrohung sei - und es daher eine dauerhafte Präsenz des Iran in Syrien unbedingt verhindern will, auch mit militärischen Mitteln wie in den letzten Tagen geschehen. Es gebe ja tatsächlich auch berechtigte Kritik an Israel, die man nicht als Antisemitismus einordnen oder als ungerechtfertigt abtun könne, sagt Rabinovici.
„Aber was mir fehlt, ist eine Empathie mit diesem Staat - bei allen Fehlern. Und im Grunde genommen sehe ich stattdessen auch keine Empathie mit den Palästinensern, was ja verständlich wäre. Ich sehe eigentlich eher eine beinahe innere Zufriedenheit, dass die Juden beweisen, dass sie auch nicht besser sind“, umreißt Rabinovici eine Einstellung gegenüber Israel, die in Österreich verbreitet sei.
Im Nahost-Konflikt habe man die Möglichkeit, Kritik an Israel zu üben, „ohne Kritik an Juden zu üben. Und man kann sich als besonders humanitär und abgeklärt zeigen und muss sich nicht mit der eigenen Vergangenheit auseinandersetzen“ - Rabinovici sieht die Wahrnehmung Israels psychologisch gesprochen auch als Entlastung von der eigenen österreichischen NS-Vergangenheit. Egal ob die Linke oder die Rechte - man habe sich in Österreich stets wenig mit Israel auseinandersetzen wollen. Österreich habe vielmehr immer Interesse daran gehabt, kritisch zu sein. Selbst Menschen, die überhaupt nicht gegen Juden seien, hätten hier oft eine Intensität in der Kritik an Israel entwickelt, die „hellhörig macht und merkwürdig ist“.
Auch der Politologe Pelinka bemerkt bei der Kritik aus Österreich einen Beigeschmack: „Menschenrechtsverletzungen in Israel - zum Beispiel in Zusammenhang mit dem Besatzungsregime in der Westbank (dem Westjordanland, Anm.) - werden in Österreich immer viel aufmerksamer wahrgenommen als - zumeist viel gröbere - Menschenrechtsverletzungen im Sudan oder in Russland oder in der Volksrepublik China oder anderswo“, so Pelinka. „Das ist auch die Folge eines eher unbewussten Rechtfertigungsmechanismus: Seht her, ‚die Juden’ sind auch nicht besser. Als ob das jemals ernsthaft behauptet worden wäre.“
IsraelsKibbuzim Als Kibbuz bezeichnet man Israels Kollektivsiedlungen. Die Idee des Kibbuz basierte zu Beginn auf sozialistischen Grundsätzen und der gemeinsamen Bewirtschaftung des Bodens. Anders als in der sowjetischen Kolchose waren die Kibbuzniks auch gemeinsam Eigentümer des Bodens. Doch auch im Kibbuz erwies sich die Umsetzung der sozialistischen Ideale in die Praxis als schwierig - umso mehr, als die israelische Wirtschaft einen immer wirtschaftsliberaleren Kurs einschlug.
Vergleich macht sicher
Aufschlussreich ist es, die Beziehung Österreichs zu Israel mit jener von Deutschland zu vergleichen. Realpolitik spielte auch zwischen Israel und der BRD und später Deutschland eine große Rolle - doch es kam noch etwas dazu: Anders als Österreich bekannte sich Deutschland sehr früh zu seiner Verantwortung für die NS-Verbrechen und verpflichtete sich auch rasch zu umfangreichen Entschädigungszahlungen. Westdeutschland baute seine gesamte politische Kultur nach 1945 nicht nur auf dem „Nie wieder!“ auf, sondern auch auf dem bedingungslosen Einsatz für das Existenzrecht Israels. Israelische Politiker und Diplomaten bewerten die Qualität der Beziehungen zu Deutschland und Österreich bis heute meist unterschiedlich. Das hat zwar durchaus realpolitische Gründe wie das erheblich stärkere Gewicht Berlins, aber es gibt auch ein größeres Vertrauen als gegenüber Österreich - aufgrund der widersprüchlichen Erfahrungen über die Jahrzehnte.
Israels Anfänge: Von Herzl bis zur Unabhängigkeit
Frage des eigenen Interesses
Dabei nahm Israel mit Österreich bereits 1950 konsularische Beziehungen auf, ab 1956 gab es vollwertige Beziehungen. Mit Deutschland war das erst 1965 der Fall. Doch das Verhältnis war von Anfang an - von beiden Seiten - sowohl von den Nachwirkungen des Holocaust als auch von „Realpolitik“ geleitet, fasst die Historikerin Embacher eine Konstante zusammen. Aus israelischer Sicht war klar, dass es von Österreich keine umfangreichen Entschädigungen wie von Deutschland bekommen werde - Zahlungen, die für das im Aufbau befindliche und gleichzeitig immer um seine Existenz ringende Land von vitaler Bedeutung waren.
Die „Hazena“-Jahre Mit der Staatsgründung verhängte die erste Regierung des Langzeitregierungschefs David Ben-Gurion eine extreme Sparpolitik („Hazena“, die Sparsamkeit). Praktisch alle Güter des täglichen Bedarfs - von Lebensmitteln bis zu Möbeln - waren rationiert. Eine wichtige Erleichterung brachten die deutschen Entschädigungszahlungen ab 1952. 1956 waren nur noch 15 Güter rationiert. Kaffee blieb bis in die 90er Jahre für viele ein Luxusgut. Allgegenwärtig waren dafür bis in die 2000er Jahre der israelische lösliche Kaffee und eine Variante türkischen Kaffees, umgangssprachlich „kaffee botz“ („Schlammkaffee“) genannt.
Um einen dringend benötigten 100-Millionen-Kredit zu bekommen, war Israel aber zur Aufnahme von Beziehungen bereit und anerkannte damit de facto auch die österreichische Opferthese. Das wiederum habe Österreich „enorm bei den Verhandlungen über den Staatsvertrag und die Wiedergutmachungszahlungen an die Alliierten geholfen, beziehungsweise wurde Israel immer wieder dafür instrumentalisiert“, so Embacher.
Bewunderung mit Kehrseite
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Die österreichische Bevölkerung nimmt Israel erstmals mit dem Sechstagekrieg 1967 - in dem Israel die kombinierten arabischen Armeen Ägyptens, Jordaniens und Syriens schlägt und Ostjerusalem, das Westjordanland und den Gazastreifen, die Sinai-Halbinsel und die Golanhöhen erobert - in einem größeren Ausmaß wahr. Vor allem von ehemaligen Soldaten der deutschen Wehrmacht gibt es für Israels Armee Bewunderung - insbesondere vom langjährigen „Krone“-Kommentator „Staberl“. Was heute von manchen rechten Parteien in ähnlicher Form praktiziert wird, habe sich damals bereits gezeigt: Die positive Sicht auf Israel habe zugleich einen „sehr rassistischen Blick auf ‚die Araber‘“ ermöglicht, so Embacher.
Schwierige Kreisky-Kiste
In den 1970er Jahren, unter Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ), änderte sich europaweit das Bild von Israel. Trotz der existenziellen Krise, die der Jom-Kippur-Krieg 1973 darstellte, und Attentaten radikaler palästinensischer Gruppen wurde Israel international weitgehend auf eine Besatzungsmacht im Westjordanland und im Gazastreifen reduziert. Israels Erwartungen in den jüdischen Kanzler Kreisky, der selbst von den Nazis vertrieben worden war, erfüllten sich nicht, im Gegenteil: Mit seiner prononcierten Nahost-Politik, seinem Wirken innerhalb der Sozialistischen Internationale für die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO), mit der Einladung von PLO-Chef Jassir Arafat nach Wien 1979 und der Anerkennung der PLO, die für Israel damals eine Terrororganisation war, stieß Österreich Israel mehrfach vor den Kopf.
Jedes Jahr an einem anderen Datum Die israelische Unabhängigkeitserklärung erfolgte am 14. Mai 1948 beziehungsweise nach jüdischem Kalender am 5. Ijjar 5708. Der jüdische Kalender ist ein Lunisolarkalender, der sich also sowohl am Mondjahr als auch am Sonnenjahr orientiert. Daher verschieben sich die Monate im Vergleich zu reinen Sonnenkalendern, da zwölf Mondmonate nur 354 und nicht 365 Tage ergeben. Daher fiel der Unabhängigkeitstag („Jom Haazma'ut“) heuer eigentlich schon auf den 19. April. Die Palästinenser dagegen begehen jedes Jahr nach dem gregorianischen Kalender „Jawm al-Nakba“ („Tag der Katastrophe“) am 15. Mai.
Geiseldrama und Tabubruch
Davor hatte bereits das Geiseldrama in Marchegg im September 1973 die Beziehungen belastet: Sowjetische Juden, die emigrieren durften, wurden per Zug nach Österreich gebracht. Dort wurden sie in einem Auffanglager in Schloss Schönau in Niederösterreich von Vertretern der Jewish Agency, die die Einwanderung nach Israel organisiert, betreut. Israel, das damals wie heute eine Politik der aktiven Einwanderung von Juden aus der ganzen Welt betrieb, war der Ansicht, alle sowjetischen Emigranten müssten nach Israel weiterreisen, Kreisky wollte sie dagegen selbst entscheiden lassen.
Der Konflikt spitzte sich am 28. September 1973 zu, als zwei Palästinenser drei sowjetische Juden und einen österreichischen Zollwachebeamten auf dem Grenzbahnhof in Marchegg entführten. Kreisky ging auf die Forderungen der Terroristen - Schließung des Transitlagers Schönau und freies Geleit - ein. Für Israel brach Kreisky damit ein Tabu, das da lautete: Mit Terroristen darf um keinen Preis verhandelt werden. Israels Premierministerin Golda Meir, die nur drei Tage später nach Österreich kam, forderte die Aufhebung der Sperre von Schönau - was Kreisky ablehnte. Entsprechend belastet waren die bilateralen Beziehungen in der Folge. Allerdings wurde ein Ersatzlager eingerichtet, sodass sich die Betreuung der sowjetischen Juden keineswegs verschlechterte.
Kreiskys Nahost-Politik, die PLO einzubinden, sei in vielerlei Hinsicht sehr fortschrittlich gewesen, aber für viele zu früh gekommen, so Embacher. Das hätten auch einige linke israelische Politiker später eingeräumt. Mit seinen Aussagen habe er aber oft die Grenzen des Sagbaren überschritten. So beschimpfte er Israels Regierungschef Menachem Begin als „Ostjuden“ und „kleinen politischen Krämer“. Solche Aussagen seien „vielen Österreichern willkommen gewesen, nach dem Motto: Wenn der Kreisky das macht, dann kann ich auch.“ Freilich erkannte Kreisky immer das Existenzrecht Israels an.
Das „Kippen“ der Linken
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Mit dem Libanon-Krieg 1982 wollte Israel unter anderem die Angriffe der PLO vom Südlibanon aus stoppen. Zuvor hatten Syrien und Israel schon jahrelang im libanesischen Bürgerkrieg interveniert. Zwei Anschläge durch libanesische Gruppen boten Israel vor allem gegenüber den USA die nötige Grundlage, im Libanon einzumarschieren. Die Haltung der Linken in Österreich sei damals „endgültig gekippt“, so die Historikerin Embacher.
Israel sei in den Augen vieler Österreicherinnen und Österreicher zu einem „illegitimen Staat“ oder „zionistischen Gebilde“ geworden, und es habe eine starke Identifikation mit den Palästinensern gegeben. Vor allem bis 1967 hatten viele Linke eine ausgesprochen positive Sicht auf Israel - nicht zuletzt wegen der Kibbuz-Bewegung und des Versuchs, ein Land in politischer Hinsicht demokratisch, wirtschaftlich aber in vielen Aspekten sozialistisch zu gestalten.
Israel wurde nach dem Libanon-Krieg in weiten Teilen Europas verurteilt. Nicht nur in Österreich war die Kritik aber häufig mit antisemitischen Grenzüberschreitungen verbunden. Embacher erklärt das für Österreich unter anderem damit, dass auch die zweite und dritte Generation noch an die These von Österreich als erstem Opfer der Nationalsozialisten geglaubt habe. Kritik an Israel sei daher stets mehr gewesen - nämlich auch eine bewusste oder unbewusste Entlastungsstrategie von der NS-Vergangenheit oder der Verstrickung der Elterngeneration.
Ringen um Abkehr vom Opfermythos
Mit der Affäre um den ÖVP-Präsidentschaftskandidaten Kurt Waldheim und dessen NS-Vergangenheit brach diese jahrzehntelang gepflegte Fiktion auf, dass Österreich als erstes Opfer von Nazi-Deutschland zu betrachten sei und somit auch die Österreicher keine Verantwortung für NS-Verbrechen tragen könnten.
Vom Sechstagekrieg zum „Marsch der Rückkehr“
Erstmals kam es zu einer öffentlichen Auseinandersetzung über die Rolle von Österreicherinnen und Österreichern als Opfer und Täter in der NS-Zeit. Waldheim wurde in einer „Jetzt erst recht“-Kampagne voller antisemitischer Untertöne in die Hofburg gewählt.
Israel zeigte an der Waldheim-Affäre zunächst wenig Interesse - das Land war mit der ersten Intifada beschäftigt, und 1950 hatte Israel indirekt die Opferthese anerkannt. Die Beziehungen wurden aber schließlich heruntergestuft. Mit dem Aufbrechen der Vergangenheitslüge begann in Österreich aber auch der Aufstieg von FPÖ-Chef Jörg Haider. In Israel war Österreich zu dieser Zeit kaum ein Thema - wenn, dann vor allem Haider und alle Hinweise auf das nicht aufgearbeitete Verhältnis Österreichs zu seiner Nazi-Vergangenheit.
Kreisky und die PLO Österreich knüpfte vor allem unter Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ) eine enge Beziehung zu den Palästinensern. Auf Kreiskys Einladung eröffnete die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) 1977 ein Büro in Wien. Kreisky galt als Unterstützer von PLO-Chef Jassir Arafat, was Israel scharf kritisierte. Zwischen 1977 und 1982 fanden daher keine offiziellen Besuche zwischen Israel und Österreich statt. 1980 erkannte Österreich als erster westlicher Staat die PLO an.
Eine wichtige Marke in den Beziehungen stellte schließlich der Besuch von Kanzler Franz Vranitzky (SPÖ) 1993 dar. In der Knesset bekannte er sich - und damit das offizielle Österreich - erstmals klar zur Täterrolle vieler Österreicher in der NS-Zeit. Embacher gibt zu bedenken, dass in den 1990er Jahren auch das Umfeld äußerst positiv war: Mit dem Osloer Friedensprozess herrschte eine starke Aufbruchstimmung in Bezug auf den Nahost-Konflikt, eine Annäherung an Israel sei daher relativ leicht gefallen.
Umgang mit dem Aufstieg der Rechten
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Mit der Angelobung der ersten ÖVP-FPÖ-Regierung im Jahr 2000 kam auch aus Sicht Israels erstmals eine Partei, die historisch als Sammelbecken der Nazis diente und immer wieder durch mangelnde kritische Distanz zur NS-Zeit auffiel, in Europa an die Regierung. Israel fror die offiziellen Beziehungen weitgehend ein.
Dass Israel 18 Jahre später auf die Neuauflage der ÖVP-FPÖ-Koalition weniger hart reagierte, hat für Embacher mit einer anderen innenpolitischen Konstellation in Israel - auch hier sind Rechtsparteien deutlich stärker als damals - zu tun. Außerdem sieht sie darin ein Ausloten: Denn in immer mehr europäischen Ländern kommen Rechtsparteien an die Macht - Israel müsse seinen Umgang damit erst finden. Das ist umso schwieriger, als das Land aus seiner Sicht in Europa, anders als mit den USA, ohnehin wenige echte Partner habe - und sich gerade manche Rechtsregierungen teils als Unterstützer anbieten, etwa aktuell Ungarn.
Auch die Strategie der FPÖ habe sich mittlerweile völlig geändert, so Embacher. Im Gleichschritt mit anderen europäischen Rechtsparteien werde nun der Schulterschluss mit Israel im Kampf gegen den Islamismus gesucht. Dabei habe FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky noch 2009 nach der israelischen Militärintervention im Gazastreifen von einem „geplanten Vernichtungsfeldzug“ der israelischen Regierung gegen die Palästinenser gesprochen. Nun werde Israel als einzige echte Demokratie im Nahen Osten dargestellt, die die Islamisten bekämpfe. Als problematisch betrachtet Embacher es, dass die FPÖ den Israel-Diskurs in Österreich dominiere. Es gebe praktisch kaum andere Parteien, die hier öffentlich Position beziehen.
Gemeinsame Front gegen Islamismus?
Dass die FPÖ und andere Rechtsparteien Israel nun als „Bündnispartner“ gegen Dschihadisten sehen, das an der „äußersten Front“ im Kampf gegen Islamismus stehe, liegt für den Schriftsteller Rabinovici in einem Missverständnis begründet. Denn die Rechte übersehe, dass Israel „nicht gegen das Kopftuch kämpft und auch keinen Kulturkampf führt, sondern einen nationalen Kampf“.
Dschihadisten gehe es nicht darum, dass es keine österreichische Stadt auf diesem Boden geben soll - sehr wohl sei das aber mit Tel Aviv, Netanja und jeder anderen israelischen Stadt der Fall. Europa müsse nicht ein Land verteidigen, sondern die freie Gesellschaft. Mit jeder Verschärfung in Richtung „kulturalistischer Konflikt, in dem alle Musliminnen, die Kopftücher tragen, zu unseren Feinden werden“, gehe man auf das Konzept der Islamisten ein, warnt Rabinovici.
Ob der Wunsch von ÖVP und FPÖ, Israel als Bündnispartner zu gewinnen, aufgehen wird, bleibt abzuwarten. Derzeit verweigert Israel Kontakte zur FPÖ-Ministerriege. Rabinovici verweist auf zwei widersprüchliche Beispiele: Der Premier und Außenminister der aktuellen Mitte-rechts-Koalition, Benjamin Netanjahu, stieß zuletzt Ungarns Juden vor den Kopf, als er sich in Budapest mit Viktor Orban einer Meinung zeigte. Mit dem anderen bedeutenden rechtsnationalen Visegrad-Land, Polen, ist Israels Regierung dagegen auf Konfliktkurs. Grund ist dessen Holocaust-Gesetz, das es verbietet, Polen mit der Judenvernichtung in Verbindung zu bringen. Man könnte es vereinfacht auf die Formel bringen: Rechts ist im Kontext der Beziehungen mit Israel nicht gleich rechts. Das gilt insbesondere für Länder, die Teil des NS-Reichs waren.
Emotionen, die bleiben
Die Schoah und die Tatsache, dass jüdische Österreicherinnen und Österreicher oftmals von ihren Landsleuten entrechtet, beraubt, erniedrigt und ermordet wurden, erlaubt keine normalen bilateralen Beziehungen. Die israelische Botschafterin Talja Lador-Frescher bezeichnete die Beziehungen zu Österreich erst vor Kurzem als „emotionales Thema“.
„Denn alles, was mit dem Holocaust und Antisemitismus zu tun hat“, sei sehr emotional - insbesondere für Überlebende und ihre Familien. Vorangegangen war Lador-Freschners Aussage eine hitzige Debatte in der Knesset über den Umgang mit der ÖVP-FPÖ-Regierung. Bundespräsident Alexander Van der Bellen versprach bei der 70-Jahr-Feier der israelischen Botschaft in Wien im April (zum Datum des jüdischen Mondkalenders), Österreich sehe das „Bemühen um Freundschaft und verantwortungsvolle Zusammenarbeit mit Israel“ auf allen Ebenen der Republik als „zentralen Auftrag“. Das erinnert an Deutschlands Beziehung zu Israel.
Viele Welten in einem Land
Für den Politologen Pelinka ist eine Normalisierung der diplomatischen Beziehungen im Gange, die das Verhältnis „entkrampfen“ könne. Freilich gehe es „oft nur sehr langsam“ voran. Wie Rabinovici ist auch Pelinka überzeugt, dass „immer eine Besonderheit, eine Einmaligkeit in diesen Beziehungen bleiben“ wird.
Jenseits der politischen Beziehungen wünscht sich Rabinovici vor allem eines: Österreicherinnen und Österreicher sollten bei Israel eine „Vorstellung von einer widersprüchlichen, vielfältigen Gesellschaft“ haben - und die Bereitschaft, sich „mit dem, was Israel mit Österreich verbindet, auseinanderzusetzen, und Israel zugleich in seiner interessanten Buntheit sehen“.
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Guido Tiefenthaler, Caecilia Smekal (Text), Roland Winkler (Bildrecherche), Harald Lenzer (Lektorat), alle ORF.at, Kurt Schmutzer (Archiv), ORF