Blog, 26.8. Julia Ortner, ZiB 2-Redakteurin

Die Systemkritiker kommen: Oder warum KPÖ-Kandidat Mirko Messner Punk wirklich verstanden hat

Wir sind alle irgendwie Punk. Wir sind Anti-Establishment. Wir sind gegen das System. Diese Punk-Attitüde aus den 70er Jahren ist bei den Kleinparteien im Wahlkampf jetzt ziemlich angesagt – zumindest in der österreichischen Variante: Also ein bissl provozieren, aber nicht zu wild und ein wenig am herrschenden System rütteln, aber nicht zu arg. Wenn die Politik generell ein mieses Image hat, haben die Systemkritiker Saison.

Das System – wie wir. Journalisten und große Medienunternehmen, die sind natürlich auch Teil des Systems. Das weiß ich spätestens, seitdem ich mich irgendwie an das freundliche „Mahlzeit!“ gewöhnt habe, das man einem hier im ORF-Zentrum ab 11.30 Uhr am Gang zuruft.

Also schauen wir uns das System im Wahlkampf einmal von der anderen Seite an. Mit ZiB2-Reportagen über die bundesweit antretenden Kleinparteien, inklusive Live-Interviews mit den Spitzenkandidaten im Studio. „Spannend, auch mal andere Leute aus dem Politikbetrieb, von denen man vielleicht einmal etwas Anderes erfährt“, sagt Lou Lorenz noch vor den Interviews. Und anders ist es dann auch. Also teilweise.

Zum Beispiel die pinken NEOS. Ihr Punk-Gestus äußert sich in gepflegtem Aktionismus und Botschaften, die hierzulande radikal anmuten: zum Beispiel hohe Pensionen kürzen. Man definiert sich irgendwie als bürgerlich und auch als liberal.

Frech sein gegen das System gehört bei den Neuen natürlich dazu, aber dabei sein würde man schon ganz gerne: Schwarz-Grün-Pink, das wünscht sich Parteichef Matthias Strolz. Der legt auch einen professionellen Antipolitiker-Auftritt im ZiB2-Studio hin. Inklusive demonstrativem Tannenzapfen-vom-Tisch-fegen. Taferln herzeigen, das wäre ja auch zu sehr Systempolitiker gewesen.

Die Politiker, das sind die anderen

Das Anti-Establishment der Piratenpartei sieht anders aus. Politische Amateure, so etwas ist für sie keine Beleidigung. Man will rein ins System, um es zu verändern. Da sagt die Nationalratskandidatin Juliana Okropiridse zum Beispiel: „Wir sind eher Hobbyliga“ – so etwas habe ich jedenfalls noch nie von jemand gehört, der ins Parlament will.

Die Piraten setzen also nicht nur auf den Kampf gegen den Überwachungsstaat, sondern auch auf den Charme des Dilettantismus. Doch wenn ihr Bundesvorstands-Mitglied Christopher Clay im Live-Studio damit ringt, die Forderung vom bedingungslosen Grundeinkommen in der Kürze der Zeit schlüssig zu erklären – dann denkt man sich: ein bisschen Systemdenken wäre ihm jetzt schon hilfreich.

Der Pirat im Morphsuit – einmal eine andere Wahlkampfinszenierung

ORF/Julia Ortner

Der Pirat im Morphsuit – einmal eine andere Wahlkampfinszenierung

Und da wäre noch die KPÖ, die hat die Systemgegnerschaft zur Folklore gemacht. Seit mehr als fünfzig Jahren versucht man unverdrossen, aber vergeblich, wieder ins Parlament zu kommen. Bei der letzten Nationalratswahl hat man nur 0,8 Prozent erreicht. Mirko Messner macht den Spitzenkandidaten-Job jetzt zum dritten Mal, mit KPÖ-Lieblingsthemen wie günstigere Mieten.

Kein Rhetorikseminar, kein Politikerhandbuch kann Messner beirren, wenn er dann im Studio mit Armin Wolf zum Beispiel über die von der KPÖ geforderte Vergesellschaftung der privaten Banken diskutiert. „Wenn die Verstaatlichung die Form ist, in der man zu einer Vergesellschaftung kommt, dann ist es die Verstaatlichung“, sagt Messner. Wer so gelassen auf seinem Kurs gegen das System bleibt, schon jenseits jeder rebellischen Haltung, der ist wohl wirklich so was wie der Punk der österreichischen Politik.