BVwG-Spitze: NGOs erhöhen Druck auf Regierung

„Posten besetzen, nicht schieben“: Zivilgesellschaftliche Dachverbände und Organisationen haben heute die ÖVP-Grünen-Regierung aufgefordert, die Stelle des Präsidenten bzw. der Präsidentin am Bundesverwaltungsgericht (BVwG) unverzüglich nachzubesetzen. NGOs sprechen von einer parteipolitisch motivierten Besetzungsblockade, die das Vertrauen in Institutionen schädige.

Seit exakt 165 Tagen wird das größte Gericht Österreichs interimistisch von Vizepräsident Michael Sachs geleitet. Der frühere Präsident Harald Perl ging mit 1. Dezember 2022 in Pension.

Die zuständige Personalkommission hatte mögliche Nachfolger und Nachfolgerinnen Berichten zufolge schon damals gereiht. Als Erstgereihte ging Juristin Sabine Matejka, vor. Doch seither befindet sich die Personalcausa in koalitionärer Abstimmung, wie es heißt.

Vermutet wird, dass die im Vorjahr publik gewordenen Sideletter zwischen ÖVP und Grünen eine wesentliche Rolle beim Stillstand spielen. Denn gemäß der parteipolitischen Vereinbarung hätte die ÖVP das Vorschlagsrecht. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) sagte im Oktober 2022 gegenüber dem „Standard“, für sie sei klar, „dass der oder die Erstgereihte nominiert werden soll“.

Amnesty: Stillstand führt zu Vertrauensverlust

Nach Ansicht von Amnesty International, epicenter.works, des Ökobüros und der Asylkoordination müssen ÖVP und Grüne „die Spielchen sofort beenden“. Die Blockade beim BWvG-Posten schade dem Ansehen der Justiz und führe zu einem Vertrauensverlust, sagte Juristin Nicole Pinter von Amnesty International bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Bei der Auswahl müsse die Achtung der Rechtsstaatlichkeit im Vordergrund stehen, nicht die Parteinähe.

Der Umweltschutzverband Ökobüro erinnert daran, dass die Kommission vor Monaten ihre Empfehlung vorgelegt habe. Die Regierung müsse rasch für Klarheit sorgen, alles andere wäre fahrlässig und verantwortungslos, betonte Umweltjurist Gregor Schamschula. Für Daniel Lohninger von epicenter.works sei ein derartiges „Schleifenlassen“ bei der Besetzung nicht hinnehmbar.

Die Asylkoordination sprach von einer „unwürdigen, parteipolitisch motivierten Verantwortungslosigkeit gegenüber der ganzen Bevölkerung“. Das Vertrauen in die Institutionen werde durch die Blockade geschädigt, sagte der Sprecher der Organisation, Lukas Gahleitner-Gertz.

Laut Gesetz hat die Personalkommission, in der etwa der Präsident des Verfassungsgerichtshofes und die Präsidentin des Obersten Gerichtshofes sitzen, der Regierung drei Bewerber bzw. Bewerberinnen vorzuschlagen. Ernannt wird die neue Präsidentin oder der neue Präsident des BVwG letztlich vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Regierung.

Auch BWB-Posten interimistisch geleitet

Die Regierung sucht derzeit aber nicht nur nach einem Präsidenten bzw. einer Präsidentin für den BVwG. Seit Monaten ist auch der Leitungsposten der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) lediglich interimistisch besetzt. Auch hier sind sich ÖVP und Grüne nicht einig.

Die Personalkommission hatte nämlich BVwG-Vizepräsident Sachs erstgereiht, einen Punkt weniger erhielt die interimistische BWB-Chefin Natalie Harsdorf-Borsch. Die Grünen legen sich gegen Sachs quer, weil unter anderem ein von ihnen in Auftrag gegebenes Gutachten zum Schluss kam, dass er die Anforderungen für den Posten nicht erfüllen würde.

Das ÖVP-geführte Wirtschafts- und Arbeitsministerium beauftragte daraufhin ein Gegengutachten, das sich mit den Voraussetzungen für die BWB-Stelle und mit dem Gutachten der Grünen beschäftigte. Die nötigen Ernennungsvoraussetzungen im Ausschreibungsverfahren seien eingehalten worden, hieß es.

Die Grünen würden es begrüßen, wenn das Ministerium sein Gutachten veröffentlichen würde. Dafür sei aber das Ressort selbst verantwortlich. ÖVP-Minister Kocher hielt im Jänner fest, dass das Gutachten „der Regierungskoordinierung“ übermittelt worden sei.
Weil sich das Ministeriumsgutachten auch mit dem Gutachten der Grünen auseinandersetzt, sei „in der Frage einer allfälligen Veröffentlichung im Einvernehmen mit dem Koalitionspartner vorzugehen“.

Krisper: „Worauf wartet die Bundesregierung?“

Kritik an der Regierung übte NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper. „Es ist absurd, dass das Bundesverwaltungsgericht seit mittlerweile 165 Tagen ohne echte Leitung ist“, sagte sie. „So lange den Vorschlag der Kommission aus parteitaktischen Gründen liegen zu lassen ist eine Verhöhnung der Bestgereihten. Worauf wartet die Bundesregierung?“ Man müsse die erstgereihte Kandidatin Sabine Matejka „ohne weitere Verzögerung“ bestellen. Krisper kündigte eine parlamentarische Anfrage an.