Bregenzer Festspiele Richtfest Rigoletto auf der Seebuehne. Im Bild: Regisseur Philipp Stölzl.
Bregenzer Festspiele Dietmar Mathis
Bregenzer Festspiele

Ein Kopf mit vielen Gesichtern

Nach seinen Regieanweisungen bewegen sich Musikgrößen wie Mick Jagger, Madonna, Anastacia und Rammstein. Auf sein Kommando hören Schauspielstars wie Ben Kingsley, Erwin Steinhauer und Olga Kurylenko. Derzeit ist Film- und Opernregisseur Philipp Stölzl in Vorarlberg und zieht dort die Fäden rund um den riesigen Marionetten-Kopf auf der Seebühne der Bregenzer Festspiele.

Und nicht nur das: In Bregenz kehrt er auch zu seinen Wurzeln als Bühnenbildner zurück: Die Kulisse für das diesjährige Spiel auf dem See, „Rigoletto“ von Giuseppe Verdi, ist nämlich nach den Vorstellungen von Stölzl und seinem Team entstanden. Glücklich, stolz und „ein wenig überrascht“ gibt sich der gebürtige Münchner im ORF-Interview wenige Tage vor der Premiere: „Unsere ehrgeizigen Pläne, die wir uns für diesen außergewöhnlichen Spielort ausgedacht haben, sind tatsächlich Realität geworden“, nickt er mit Blick auf die Bühne: „Es ist – bis jetzt – alles so, wie wir es uns erträumt haben.“

Lange gehegte Sehnsucht gestillt

Stölzl sieht sich als Künstler „sehr beschenkt vom Leben“ und weiß das auch zu schätzen: „Ich habe mir so lange gewünscht, hier in Bregenz zu arbeiten“, schwärmt er. Seit „Tosca“ im Jahr 2007 sei er immer wieder als Gast zu den Festspielen an den Bodensee gereist. Meist mit seiner Frau, einer gebürtigen Bregenzerin, mit der der dreifache Familienvater in Berlin wohnt. Seither hat der Regisseur eine “richtige Sehnsucht“ verspürt, auch einmal in Bregenz zu arbeiten.

Weltweit einzigartige Mischung

„Ich liebe diese unglaubliche Verbindung aus Natur, populärem Theater und Anspruch“, erklärt Stölzl. „Es kommen auch Besucher hierher, die eben nicht jede Woche in die Oper gehen und die Inszenierungen quasi frisch, manchmal sogar jungfräulich, erleben. Auf der anderen Seite spürt man diesen bildnerisch und interpretatorisch hohen Anspruch. Diese Mischung aus höchstem Kunstanspruch an Szene, Bild und Musik und gleichzeitigem Wunsch, sinnliches Theatererlebnis zu schaffen, das auch der verstehen und genießen kann, der noch nie in der Oper war, das ist schon herausragend. Das ist eine unverwechselbare Mischung, die es meines Wissens weltweit nur einmal gibt: hier in Bregenz.“

Deshalb hat Stölzl auch sofort zugesagt, als der Anruf aus Vorarlberg kam: „Ich habe Ja! gesagt, obwohl noch nicht einmal feststand, dass es Rigoletto werden würde!“ Das war vor drei Jahren.

Mit der Musik auf Streifzug gehen

Mittlerweile steht das Bühnenbild, an den technischen Feinheiten wird bis zuletzt gefeilt. So, wie auch an der Idee lange gefeilt worden ist: „Es ist ja nicht so, dass ich zu Rigoletto sofort Bühnenbilder im Kopf gehabt hätte. Es wäre schön, wenn das so wäre“, lacht der 52-Jährige. „Aber das Erarbeiten einer Bühnenkulisse ist ein langwieriger Prozess, hinter dem eine Menge Arbeit und Fleiß stecken.“

Stölzl versucht zu Beginn eines Musikprojektes sogar, möglichst KEIN fixes Bild im Kopf zu haben, sondern sich von der Musik treiben zu lassen: „Ich gehe tatsächlich mit der Musik im Ohr auf Streifzüge. Auf Streifzüge durch meine Bücher – ich habe eine große Bibliothek. Und durch meine Erlebnisse – ich habe doch schon einiges gesehen. Und ich google mich nächtelang durchs Internet, mache Hunderte Skizzen und sammle zunächst einfach mal nur.“

„Fast wäre es ein Schiff geworden“

Im Falle von „Rigoletto“ hat sich diese Sammlung zunächst in eine komplett andere Richtung entwickelt: „Wir hatten ursprünglich einen völlig anderen Entwurf weiter betrieben: Es war ein aufgeschnittenes Schiff, das für das Stück durchaus gut funktioniert hätte“, ist Stölzl nach wie vor überzeugt und erklärt, dass er diesen Entwurf damals sogar schon dem Team vorgestellt hat: „Aber irgendwie hat bei dieser Variante dann doch etwas gefehlt. Es war good but not great. Es fehlte das letzte gewisse Etwas. Eben das, was Gänsehaut verursacht.“

Stölzl und sein Team haben sich dem Ganzen dann noch einmal von einer ganz anderen Seite genähert. Schließlich ist auch der Puppenkopf, der heute 14 Meter über den See ragt, noch durch „unzählige Metamorphosen“ gegangen, bis daraus schließlich das geworden ist, was als 57. Bühnenbild in die Geschichte der Bregenzer Festspiele eingehen wird.

Leidenschaft, Dialog und Ehrgeiz

In dieser ersten Phase der Entstehung habe Stölzl das „bisher schönste“ an den Bregenzer Festspielen erlebt – nämlich „die Dialogfähigkeit“ des Festspielteams: „Es ist ein Dialog mit Emotion und Leidenschaft. Und Ehrgeiz. Und vieles, was das Bühnenbild jetzt ausmacht, ist in diesem Dialog entstanden. Das fertige Ergebnis hat also unglaublich viele Quellen. Es ist nicht nur aus einer einzigen Inspiration heraus entstanden.“

Dazu kommen noch die Einflüsse des Bühnenstandorts, die der Regisseur erst im Laufe der Zeit so richtig kennen gelernt hat: Die riesige Spielfläche, der See mit all seinen Tücken, die Landschaft und das Wetter. „Und dann natürlich das Stück selbst“, fügt Stölzl hinzu: „Das Stück mit seinen Abläufen, seiner Musik und der Zeit, in der es spielt. Das alles hat das Bühnenbild mitgestaltet.“

Ein riesiger Kopf und eine überdimensionaler Ballon sind die Kulisse für das Spiel auf dem See 2019: „Rigoletto“ bei den Bregenzer Festspielen
ORF Vorarlberg/Angelika Schwarz
Erst während der Inszenierung entfaltet der Marionettenkopf seinen wahren Zauber

Weniger Skulptur und mehr Theatermaschine

Stölzl war sich bewusst, dass er hier etwas erschaffen würde, das das ganze Jahr über steht, gesehen, besprochen und fotografiert wird. „Unser Bühnenbild ist weniger skulptural, als es seine Vorgänger in den vergangenen Jahren waren“, bilanziert der Bühnenbildner. „Wir haben uns bewusst für weniger Skulptur und mehr Theatermaschine im wortwörtlichen Sinn entschieden.“

Laut Stölzl bewegt sich der Aufbau während der Inszenierung sehr stark und entfaltet erst am Theaterabend seine wirkliche Magie: „Ich habe das Gefühl, dass dieses Bühnenbild zwar ein eher weniger attraktives Fotomotiv ist, aber dafür werden die Besucher während der Aufführung einen ganz besonderen Zauber erleben“, verspricht er.

„Klappmaul-Marionette“ mit Ausdruck

Und so viel sei vorab verraten: Der Puppenkopf entwickelt im Laufe des Theaterabends mehrere Gesichter. „Es ist eigentlich der Kopf einer Klappmaul- Marionette. Klingt doof“, lacht der Regisseur, "heißt aber tatsächlich so im Fachjargon der Puppenspieler. Und wer einmal in einem Marionettentheater war, der hat gesehen, dass solche Puppen die Augen auf- und zuklappen und den Mund auf- und zumachen können. Sie können auch nach unten und oben sehen. Es ist wirklich verblüffend, wie groß die Ausdruckspalette ist. Wir sind hier auch beim Programmieren immer wieder erstaunt, dass schon ein Meter mehr oder weniger bei der Mundöffnung einen völlig anderen Ausdruck schafft: Es ist ein großer Unterschied, ob der Mund auf oder zu ist, ob die Puppe Zähne zeigt, die Augen weit aufreißt oder auf Halbmast hat und damit ein bisschen schläfrig aussieht.“

„Wahnwitziges Handwerksstück“

Die große Hand mit ihren beweglichen Fingern unterstützt das feine Spiel, denn auch damit können die Opernmacher Nuancen an Emotionen sowie emotionale Kraftfelder schaffen. Trotz der Größe kann der Regisseur also durchaus Feinheiten herausholen. „Sofern alles klappt“, fügt Stölzl hinzu und nennt den Puppenkopf mit all seinen Spielmöglichkeiten ein „wahnwitziges Handwerksstück“. Immerhin werden mehrere Tonnen per Hydraulik hin und her, auf und ab bewegt: „Da haben einige Vorarlberger und Schweizer Handwerksfirmen getüftelt, das ist eine ordentliche Leistung“, gibt sich der Regisseur beeindruckt: „Ein neues Bühnenbild ist natürlich theatertechnisch immer wieder eine weiße Landkarte, ein Prototyp, der bis zum Schluss immer wieder neue technische Fragen aufwirft. Aber wenn es dann hinhaut, hat es tatsächlich eine Leichtigkeit, die man bei so einem riesigen Konstrukt gar nicht erwarten würde.“

Leichtigkeit in Massen

Die Massen, die sich auf der Bühne bewegen, lassen den erfahrenen Film- und Opernregisseur hin und wieder tief Luft holen: „Ich habe am meisten… nicht Angst, aber… ja, Respekt vor diesen Bewegungen“, gesteht er. „Es sind ja Größenordnungen, die man sonst nur bei Container-Bahnhöfen kennt: es hat ja eigentlich etwas Mechanisches, Schwerfälliges. In einem Indoor-Theater hat man ja sonst nur ein klassisches Zugwerk, mit dem man mit Leichtigkeit eine Magie erzeugen kann. Eben etwas, das man sich beim Verschieben von riesigen Stahlflächen nur schwer vorstellen kann.“

Bislang habe alles funktioniert. Stölzl ist überzeugt davon, „dass es klappt“, und er hofft, dass es auch beim Publikum so ankommt. „Dass die Sänger und das Orchester verstärkt sind, hilft dabei natürlich sehr. Die Mechanik funktioniert eben nicht komplett lautlos. Wir achten natürlich genau darauf, an welchen Musikstellen die Bühnenelemente bewegt werden und an welchen auf keinen Fall!“

Ein riesiger Kopf und eine überdimensionaler Ballon sind die Kulisse für das Spiel auf dem See 2019: „Rigoletto“ bei den Bregenzer Festspielen
ORF Vorarlberg/Angelika Schwarz
Die „Rigoletto“-Bühne bietet viel Platz für besondere Stimmungen

Ein Rockkonzert im offenen Theater

Das Team um Regisseur Philipp Stölzl möchte etwas auf die Bühne bringen, das der Musik Verdis entspricht. „Also etwas Lässiges, denn die Musik von Verdi ist sehr dynamisch. Dazu kommt, dass im Gegensatz zu herkömmlichen Bühnenbildern hier am See einfach alles komplett offen ist – ein offenes Theater im wahrsten Sinne des Wortes. Das schafft Platz für besondere Stimmungen und Szenen. Es hat fast ein bisschen etwas von einem Rockkonzert“, schmunzelt er.

DAS Stück zur „Me too“-Debatte

Ein Rockkonzert, gepaart mit einem Hauch von Shakespeare-Theater. Denn das bietet „Rigoletto“ allein schon durch die Erzählmethode an, erklärt Stölzl: „Da sind einzelne Sätze so leicht hingeworfen, die muss man dann halt einfach glauben. Es ist ein richtiges Spektakel. Dabei ist die Oper inhaltlich ja eigentlich eine total grausige Geschichte über Machtmissbrauch und Vergewaltigung. Sozusagen DAS Stück zur Me too-Debatte. Diese Härten, die die Oper hat, erzählen wir natürlich auch. Die Themen werden also trotz aller Leichtigkeit und Schmuddeligkeit im Storytelling nicht ZU leichtfüßig genommen.“

Verdi-Hits zum Mitpfeifen

Stölzl bezeichnet „Rigoletto“ als eine „ganz ordentliche Kolportage“: zwar sehr ergreifend, aber mit dickem Pinsel aufgetragen und grellen Farben gemalt, mit Klischees und reißerischer Absicht: „Dazu kommt noch die – ich nenne es mal ganz salopp – Frontalmusik von Verdi. Allein schon die Straßenkapelle, die wir ganze vorne beim Publikum herumlaufen lassen und die locker-lässig Verdi-Hits regelrecht hinschmeißt… Anders als beispielsweise bei Puccini, den ich im Gegensatz dazu fast schon meditativ und ölmalerisch sehe.“
Stölzl will ganz bewusst zeigen, dass Verdi auch Musik ist, die man „auf dem Fischmarkt genauso pfeifen kann wie auf der Opernbühne“.

Ein Händchen fürs Populäre

Es ist also eine Art Populärkunst, die in Bregenz zu sehen sein wird. Populärkunst, die zu Verdis Zeiten durchaus auch kommerziell erfolgreich war und sofort ins Ohr geht: „Bei Verdi jagt eine Hitmelodie die andere. Es ist toll, wie wertschätzend Verdi mit dem Gesang, mit der Stimme umgeht. Die steht nämlich extrem im Vordergrund und das Orchester hebt und stützt sie. Für Sänger ist Verdi ein toller Komponist", fasst Stölzl zusammen. "Und er wollte Hits schreiben. Das kann man in seinen eigenen Schriften nachlesen. Unvergessliche Ohrwürmer sollten es sein. Und er hatte tatsächlich ein Händchen fürs Populäre und Eingängige. Der Erfolg in seiner Zeit bis heute hat ihm Recht gegeben.“

Diese Mischung aus Populärem und Kunst kommt Stölzls persönlichem künstlerischen Wesen sehr entgegen: „Es entspricht mir sehr. In meiner eigenen Arbeit als Künstler ist diese Verbindung aus dem populären und dem künstlerischen Anspruch immer schon mein Grundthema gewesen. Ich schätze das Populäre in der Kunst.“

„Kunst soll viele Menschen erreichen“

Die Auseinandersetzung mit Populärmusik wie wir sie heute kennen, ist dem Regisseur alles andere als fremd: Legendär sind Stölzls Musikvideos unter anderem für so große Namen wie Rammstein (Du hast; Du riechst so gut; Stripped), Madonna (American Pie), Die Toten Hosen (Ich bin die Sehnsucht in Dir; Strom) und viele mehr.

Angesprochen auf seine Einstiegswerke, mit denen er sich einen Namen gemacht hat, schwenkt der Regisseur allerdings seinen Blick lieber nach vorne in die Zukunft: Stölzl führt nämlich auch heute noch Regie in Produktionen mit und über Musikgrößen. Bereits im Oktober 2019 kommt unter dem Titel „Ich war noch niemals in New York“ ein Musikfilm über Udo Jürgens ins Kino, bei dem Stölzl Regie führt. „Das war ja auch ein Komponist, der ein unglaubliches Gespür für Hits hatte“, schwärmt er. „Ich liebe es, wenn man Kunst so macht, dass sie viele Menschen erreicht.“

Mit Außenblick in die Opernwelt

Was seine Regietätigkeiten in der Opernwelt angeht, bezeichnet sich Stölzl immer noch als "engagierten Laien“. Obwohl er sich mittlerweile bereits seit über zehn Jahren in dieser Welt bewegt, sei er doch nicht – wie so viele in der Branche – direkt vom Musikstudium aus eingestiegen: „Ich komme vom Theater, vom Bühnenbild, vom Film. Ich habe also eine Art Außenblick mitgenommen, was ich immer wieder als sehr bereichernd erlebe. Dieser fremde Blick tut gut, schafft einen etwas anderen Zugang.“

Als Ergänzung lässt sich Stölzl aber ganz gerne auch von einem „Insider" unterstützen und gestaltet seine Regie-Arbeit nicht selten im Team. Bei der Inszenierung von „Rigoletto“ beispielsweise steht ihm als Co-Regisseur Philipp Krenn zu Seite. Der einstige Solist bei den „Wiener Sängerknaben“ ist Schauspieler, hat somit wieder eine ganz andere Sicht auf die Dinge: „Er ist zudem sattelfest in den Partituren und dadurch nochmal einen Schritt näher an der Oper“, fügt Stölzl hinzu. „Und das ergänzt sich ideal“.

Regisseur Philipp Stölzl schaut auf sein für die Bregenzer Festspiele 2019 entworfenes Bühnenbild
ORF Vorarlberg/Angelika Schwarz
Philipp Stölzl inszeniert Opern mit dem Blick eines Außenstehenden

Der „Opern inszenierende Rammstein-Typ“

Diese Art der Zusammenarbeit erinnert Stölzl spontan an ein Madonna-Video, bei dem er Regie geführt hat: „Ich durfte American Pie inszenieren und habe Madonna dann einmal gefragt, warum sie ausgerechnet mich, einen Deutschen, dafür geholt hat und keinen Amerikaner. Und sie meinte, dass sie es spannend findet, wenn das jemand macht, der mit dem Blick eines Außenstehenden, eines Nicht-Amerikaners inszeniert. Ähnlich sehe ich es bei mir und meinen Opern-Inszenierungen."

Trotz dieser befruchtenden Querverbindungen muss Stölzl mitunter lesen und hören, wie er von Kritikern wenig schmeichelhaft als „Opern-inszenierender Rammstein-Typ“ beschrieben wird. "Manch einer will mich aus der Zeit meiner Musikvideos einfach nicht mehr raus lassen“, lacht er. "Damit muss ich einfach leben. Aber ganz im Ernst: Hin und wieder muss ich doch richtig vehement Vorurteile aus dem Weg räumen.“

„Unterteilung in E und U ist Quatsch“

Dabei ist Stölzl ohnehin fest davon überzeugt, dass sich die Arbeiten mit den unterschiedlichen Musikrichtungen gar nicht so stark voneinander unterscheiden: „Denn nur weil man breit erzählt, die Geschichte für viele zugänglich macht, heißt das noch lange nicht, dass man seinen Anspruch an die Themen verliert, um die es geht. Im Gegenteil. Wenn ich etwa an meine Arbeit für den Film Der Medicus denke, dann ist das auch ein prächtiges Mittelalter-Panorama. Gleichzeitig sind deshalb die Themen, um die es geht – Aberglauben, Fundamentalismus – nicht weniger anspruchsvoll und politisch.“

Und genau das sei es auch, was den Regisseur in seiner Arbeit antreibt: „Es ist das sichere Gefühl, dass diese komische Unterteilung in E wie Ernst und U wie Unterhaltung ziemlicher Quatsch ist. Zumindest für mich. Ich sehe hier das Trennende nicht und bin der, der es liebt, zu verbinden. Deshalb mag ich die Seebühne in Bregenz so gern. Hier findet die Synthese von E und U in einer wirklich epischen Dimension statt.“

Ausgefüllte Tage

Stölzl fühlt sich aus diesen Gründen in mehreren Kunstgenres zuhause, wird als Freiberufler auch gerne für die unterschiedlichsten Projekte ins Boot geholt: Noch im Sommer geht er in die Schweiz, um am Theater Basel „Andersens Erzählungen“ zu inszenieren, eine spartenübergreifende Produktion aus Oper, Schauspiel und Ballett. „Danach erscheint meine Inszenierung von Stefan Zweigs Schachnovelle als Kinofilm in Österreich und Deutschland. Es sind so viele tolle Projekte, dass es fast schon ein bisschen zu viel ist. Ich habe durchaus die Schwäche, dass ich mich sehr schnell begeistere und mir recht viel auflade – ich fände es gut, wenn es mich zweimal gäbe oder der Tag länger wäre. Dann könnte ich alles machen, was ich sonst noch so gerne machen wollen würde.“

Außerdem vermisst er sein Frau und seine drei Kinder sehr, wenn er so lange nicht zuhause in Berlin ist, gesteht er: „Das ist so ein bisschen der Nachteil an meinem Beruf, der mich sehr viel reisen lässt. Manchmal bin ich – wie gerade jetzt – einige Wochen am Stück nicht zuhause.“
Philipp Stölzl sieht seine Lieben allerdings schon bald wieder: „Meine Familie kommt zur Premiere nach Bregenz. Und dann fahren wir gemeinsam in Urlaub.“