Filmstill aus „Szenen meiner Ehe“
Diagonale

Ehe, Liebe – und die Moral

Die Produzentin und Uniprofessorin Katrin Schlösser hat bei der Diagonale ihren ersten Film als Regisseurin produziert – und der war gleich eine Mutprobe. Immerhin ist die Doku ein Porträt ihrer Ehe, ein sehr intimes noch dazu. Was ist das Geheimnis der Liebe? Und welche Rolle spielt die Moral?

Ein Großteil der Doku spielt im Südburgenland, wo Schlössers Gatte, der österreichische Schriftsteller Lukas Lessing ein altes Bauernhäuschen in idyllischer Umgebung besitzt. Die beiden fläzen sich im Bett, Lessing gartelt, und immer läuft Schlössers Handykamera mit. Gesprochen wird über den gemeinsamen Lebensentwurf, über Gefühle, über Ängste und über Sexualität. Mal wird nur herumgeflachst, mal geht es ans Eingemachte.

Der Film ist entweder sorgsam durchchoreografiert, oder Schlösser hatte Glück. Zuerst wird herumgebrabbelt und herumgekabbelt, dann kommt man zum Kern des Problems – sogar von Trennung ist die Rede – und gegen Ende versteht man als Zuseher mehr und mehr, warum die beiden ein Paar sind und schließlich auch bleiben wollen. Gerade das anfängliche „bullshiting around“, das ist eine der Lehren, die man aus dem Film zieht, braucht es zunächst. Erst nach und nach schält sich heraus, worum es wirklich geht.

Filmstill aus „Szenen meiner Ehe“
Diagonale
Ein Tänzchen wagen: Auch der, der führt, muss auf den anderen achten

Der Kampf gegen die Einsamkeit

Die Erkenntnis kommt gerade noch rechtzeitig. Lessing formuliert sie in etwa so: „Dein Problem ist die zu starke Eingebundenheit in eine fremde Familie und die mangelnde Eingebundenheit in einen eigenen Freundeskreis oder die eigene Familie.“ Im idyllischen, trotz Handykamera wunderschön fotografierten Südburgenland kann es schon einmal einsam werden, zumal wenn man wie Schlösser aus Deutschland kommt.

Und in Deutschland haben die beiden auch ihren zweiten Wohnsitz, in Berlin, um genau zu sein. Dort ist Schlösser eingebunden und glücklich. Im Burgenland ist sie allein. Die Erkenntnis ist, dass sich der immer wieder aufkeimende, diffuse Streit über „Gefühle“, bei dem die beiden so sehr herumschwurbeln, dass sie wohl manchmal ihre eigenen Worte nicht verstehen, in Wahrheit darum dreht.

Freie Bahn für die Gefühle

Dabei gibt es noch viel anderes aufzuarbeiten. Denn ganz früher waren die beiden zusammen, obwohl sie mit jeweils anderen Partnern verheiratet waren. Aus der Affäre enstand eine Schwangerschaft, die Schlösser abbrechen ließ, weil Lessing es nicht schaffte, sich für sie zu entscheiden – er war damals Vater zweier kleiner Kinder in erster Ehe. Doch zehn Jahre, nachdem sie Schluss gemacht hatten, trafen sie einander zufällig wieder – und machten Nägel mit Köpfen.

Für den Zuschauer ist das Verfolgen der Gefühlsschwurbeleien mitunter schmerzhaft – weil man das auf den ersten Blick sinnbefreite Herumgeeiere selbst allzu gut kennt. Doch es läuft auf etwas hinaus: Respekt zueinander, Verständnis – und letztendlich Liebe. Der Film ist nicht zuletzt ein Appell dafür, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen, auch wenn die Moral, zumindest im ersten Moment, dagegen spricht. Denn die Liebe, sie ist zu kostbar, um sie zu ignorieren.