Filmstill aus „In 3 Tagen bist du tot“
Filmladen Filmverleih

Die Suche nach Weiblichkeit(en)

Vorschlag, Impuls, Denkanstoß: Das historische Programm der Diagonale 2019 ist, genaugenommen, eine Provokation. Es geht um Frauenbilder, in über hundert Jahren Bewegtbilder aus Österreich.

Wiener Mädel, Ahnfrauen, Models, Scream Queens und Künstlerinnen: Das historische Special der diesjährigen Diagonale könnte kaum breiter aufgestellt sein. Ausgehend von einem Essay, den die Filmjournalistin Alexandra Zawia und die Autorin Michelle Koch zum aktuellen Stand der Debatte über Frauen im Film verfasst haben, wurden ganz unterschiedliche Persönlichkeiten aus und abseits der Filmbranche um ihre Filmvorschläge gebeten.

In Ruhe leben, ungestört arbeiten

Doch was ist das überhaupt, die Debatte über Frauen im Film: Da geht es um die Abbildung von Weiblichkeit, von typischen und atypischen Rollenbildern, es geht um den männlichen Blick auf Frauen, um den weiblichen auf sich selbst. Es geht um Begehren und Selbstermächtigung. Und dann geht es auch um Produktionsbedingungen, um Budgets und Quoten, um ungestörte Arbeit ohne (sexuelle) Übergriffe.

Filmstill aus „Models“
MR-Film
Wollen wir so? Oder lieber ganz anders? Ulrich Seidls „Models“ (1998)

Das alles schwingt in dieser Debatte, und, am Rande zumindest, auch in diesem Programm mit, das unter Mitwirkung der drei größten österreichischen Bewegtbildarchive – Filmarchiv Austria, Österreichisches Filmmuseum und ORF-Archiv – zusammengetragen wurde. „Es ist ein gigantisches Thema, das einzufangen ohnehin unmöglich ist“, sagt Alexandra Zawia. So haben sich Zawia und Koch mit den Diagonale-Intendanten Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger auf mehr als zehn Kuratorinnen und Kuratoren geeinigt.

„Die geliebte Friederike Mayröcker“

Entsprechend heterogen ist das Programm: Die Filmideen stammen von Anja Plaschg, bekannter als die Musikerin Soap and Skin, die sich Carmen Tartarottis Mayröcker-Porträt „Das Schreiben und das Schweigen“ wünschte mit den Worten „Es ist die schönste Dokumentation über die geliebte Friederike Mayröcker“. Die Filmkritikerin Alexandra Seibel bringt mit Werner Hochbaums „Vorstadtvariete – Die Amsel von Lichtental“ (1934) und Willi Forsts „Maskerade“ (1935) zwei Varianten des „Wiener Mädels“ ins Programm.

Filmstill aus „Vorstadtvariete“
Filmarchiv Austria
Das Wiener Mädl, eine Projektion – hier im „Vorstadtvariete“ aus 1934

Stephan Ruzowitzkys Vorschlag ist der Horror „In 3 Tagen bist du tot“ seines Kollegen Andreas Prochaska, Michelle Koch programmierte gegen den Strich Ulrich Seidls „Models“ aus dem Jahr 1998. Und die Künstlerin Amina Handke suchte gemeinsam mit der Schauspielerin Asli Kislal „Die Ahnfrau“ (1919) der österreichischen Filmpionierin und weltweit zweiten Regisseurin überhaupt aus, Louise Kolm-Fleck, die beiden kommentierten den Film live.

Keine Erziehungsarbeit!

Kein didaktisches Programm, sondern ein Angebot, keine Erziehungsarbeit, sondern Impulse setzen, das hatten sich die beiden Diagonale-Intendanten von diesem historischen Special gewünscht. „Klischees zu brechen und aufzulösen, das vermag Kunst mit kontinuierlicher Hingabe“, schreiben Zawia und Koch in ihrem Essay.

Einstellung aus der Sendung „Club 2“
ORF Archiv
„Frauenbilder, Bilderfrauen“: Im Club 2 wurde schon 1981 feminstisch debattiert.

Vor allem im Zusammenspiel der Extreme ergibt sich aus dem Programm ein ernüchterndes Bild: Ausschnitte aus dem ORF-Frauenmagazin „Prisma“ und aus der „Club 2“-Sendung „Frauenbilder, Bilderfrauen – Das Bild der Frau in den Medien“ aus dem Jahr 1981 etwa demonstrieren, wie weit der feministische Diskurs im damaligen Mainstream bereits angekommen war, ein herber Befund angesichts so mancher Debatte der Gegenwart.

Unterschiede zulassen

„Was wir hier zeigen, ist kein Ideal. Hätten wir zehn Filme ausgesucht, die selbstbewusste, realistische Frauen zeigen, wäre das ja auch verfälschend gewesen“, sagt Alexandra Zawia. So ist es also ein Programm geworden, das Fragen aufmacht, die auch anderswo im Diagonale-Programm Resonanz finden, das zum Streiten einlädt, zum Diskutieren, und, vielleicht, zum „agree to disagree“, zum einander unterschiedliche Frauenbilder zugestehen. „Von dem, wie es sein soll, sind wir noch weit entfernt“, sagt Zawia.