Szene aus dem Film „Geschichten vom Franz“
NGF Wild Bunch Germany, 2022
„Geschichten vom Franz“

Wann ist ein Bub ein Mann

Er hat goldene Locken, ist der Kleinste in seiner Klasse und leidet fürchterlich unter seiner Piepsstimme: Jossi Jantschitsch spielt in Johannes Schmids hinreißender Christine-Nöstlinger-Verfilmung den Franz, den es nur einmal gibt, ein fröhliches Kind zwischen Selbstfindung und Weltentdecken.

No, wo isser denn jetzt? Ein bisserl klein ist er, der Franz, man sieht ihn nicht gleich. Nur mit Schemel und drei dicken Büchern obendrauf reicht er beim Zähneputzen hinauf bis zum Badezimmerspiegel. Neun Jahre und drei Monate ist er alt, in der vierten Klasse, beim strengen Lehrer Zick Zack. Zum Glück sitzt er in der Schulbank neben seinem besten Freund Eberhard, der eingreift, wenn alles schiefgeht.

Überhaupt, ohne Freundschaften hätte der Franz es schwer. Zwar sind sein Papa (Simon Schwarz) und die Mama (Ursula Strauss) ziemlich brauchbare Eltern, aber sein älterer Bruder Josef ist in letzter Zeit eigentlich gar nicht so nett zum ihm. Aber es gibt die Gabi, die im Hinterhaus wohnt und zwar ziemlich g’schaftig ist, aber dafür in fast jeder Situation Rat weiß. Und es gibt eben den Eberhard, der nur vor der giftigen Frau Berger (Maria Bill) Angst hat.

Filmhinweis

„Geschichten vom Franz“ feiert am Samstag, den 9. April um 15.00 Uhr seine Österreich-Premiere bei der Diagonale im KIZ Royal 1.

Regulär startet der im Rahmen des ORF-Film/Fernseh-Abkommens geförderte Film am 14. April 2022 in den österreichischen Kinos.

Wegen seiner blonden Locken und weil er so klein ist, wird Franz manchmal für ein Mädchen gehalten, und das ist ziemlich schlimm für ihn, auch wenn Gabi das nicht einsieht. „Für ein Mädchen gehalten zu werden ist doch super! Ich würd mich freuen an deiner Stelle. Das heißt nur, du bist zu schön für einen Buben“, findet sie. Aber der Franz ist halt kein Mädchen, also ist das schon sehr lästig. Und dass er mit heruntergelassenen Hosen gegenüber Josefs Clique den Beweis anzutreten versucht hat, dass er keines ist, schien auch nur im Augenblick eine gute Idee.

Franz im Internet

Zwischen 1984 und 2011 schrieb Nöstlinger 19 Bände von „Geschichten vom Franz“ über den blondlockigen Buben, der wegen seiner geringen Körpergröße und seiner hohen Piepsstimme gehänselt wird. Der Film unter der Regie des Deutschen Schmid („Blöde Mütze!“, 2007) ist keine direkte Adaption, sondern eine sanfte Modernisierung, für die Sarah Wassermair verantwortlich zeichnet. Als Drehbuchautorin hat sie bisher vor allem für Fersehproduktionen geschrieben, von der Krimiserie „Janus“ über diverse „Soko Donau“-Folgen bis zur „Landkrimi“-Reihe.

Szene aus dem Film „Geschichten vom Franz“
NGF Wild Bunch Germany, 2022
Influencer Hank Haberer (Philipp Dornauer) hat das mit dem Mannsein total heraußen

Wassermair ist es gelungen, den Kern der warmherzigen Geschichten zu behalten, die verständnisvollen Eltern, die ihr Kind auch Fehler machen lassen, die verlässlichen Freunde, und zugleich den Franz in eine Kindergegenwart zu holen. Natürlich hat der Franz ein Handy, mit dem er abends unter der Decke noch mit der Gabi telefoniert, auch wenn es ein altes Handy mit Sprung im Display ist. Vor allem aber findet Franz über dieses Handy im Internet eine Lösung für sein Problem.

Die Leiden des jungen Alpha

Sobald er nämlich ein echter Mann ist, ein Alpha, nehmen ihn bestimmt alle ernst. Niemand hält einen solchen für ein Mädchen, ein Alpha hat Muskeln und außerdem eine tiefe Stimme, wie Franz in den Videos von YouTube-Influencer Hank Haberer lernt. Gabi und Eberhard unterstützen ihren Freund natürlich voll und ganz. In einer grandiosen Szene infiltrieren die drei Neunjährigen heimlich einen ultraharten Fitnessclub, wo übrigens nicht nur echte Männer (als Chef: Anton Noori), sondern auch echte Frauen trainieren, eine davon ist eine echte Bodybuilderin.

Wie sich jedoch nach und nach herausstellt, ist dieses Alpha-Dasein, das Hank Haberer propagiert, zwar sehr cool und bringt Franz in der sozialen Hackordnung seiner Schulklasse mindestens eine Etage höher. Doch besonders nett sind Alphas offenbar nicht, was dann vor allem die Freundschaft zur Gabi aufs Äußerste strapaziert. Und es ist auch nicht unbedingt das, was sein Papa dem Franz vorlebt, der ist nämlich glücklicher beim Kuchenbacken als beim Bodybuilding.

Szene aus dem Film „Geschichten vom Franz“
NGF Wild Bunch Germany, 2022
Der Zick Zack (Rainer Egger) ist gnadenlos, was vergessene Hausübungen betrifft

„Geschichten vom Franz“ ist weder schrill noch fad, nicht anbiedernd oder stressig, sondern ganz einfach ein grundentspannter, fröhlicher Kinderfilm, der genau hinhört, wie es seinen Figuren geht, und voller sinniger Details ist. Wie schön, dass Franz in die „Rosa-Riedl-Schule“ geht, benannt nach Nöstlingers berühmtem Schutzgespenst-Kinderbuch, und wie schön auch, dass die barbusige Statue vor der Schule ein gehäkeltes Trägerleiberl angezogen bekommen hat.

Wanda auf dem Soundtrack, Maschek in Müll-Orange

Obwohl eine deutsch-österreichische Koproduktion und unter deutscher Regie umgesetzt, ist die Geschichte solide in Wien verortet und mit gemäßigt österreichischem Deutsch inszeniert und gespielt. Brigitte Kren hat die Erzählerinnenstimme übernommen, Marco Wanda steuert einige Songs zum Soundtrack bei, und Hauptdarsteller Jossi, Sohn von Eva Jantschitsch (bekannt als Sängerin Gustav) und Maschek-Mitglied Peter Hörmanseder, meistert sein Leinwanddebüt grandios.

Wer die Mascheks kennt, dem werden übrigens die Müllmänner im Film bekannt vorkommen: Papa Hörmanseder absolviert mit seinen Maschek-Kollegen einen Kurzauftritt in MA-48-Orange. Franz und seine Freunde sind ein durch und durch beglückendes Kinoerlebnis, für Kinder und auch alle Ex-Kinder, die Franz geliebt und durch seine Abenteuer Mut gefasst haben. Der Franz ist nämlich genau so richtig, wie er ist. Oder, wie die Gabi am Ende feststellt: Keiner franzt so gut wie er.