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Projekt „mitgehn“ hilft Menschen bei Terminen

Heute, am 20. Februar, ist Tag der sozialen Gerechtigkeit. An diesem Tag macht man auf die Ungerechtigkeit in der Gesellschaft aufmerksam. Armutsbetroffene Menschen erleben viele Nachteile in der Gesellschaft. Zum Beispiel sind sie oft von Beschämung betroffen. Beschämung bedeutet, dass man von jemandem kleingemacht wird. Durch Beschämung geht es Menschen sehr schlecht. Das Projekt „mitgehn“ unterstützt armutsbetroffene Menschen, damit sie bei Behörden und Ärzten keine Beschämung erleben. Die ILR hat Martin Schenk interviewt, um mehr über das Projekt zu erfahren. Schenk ist ein Sozial-Experte.

Detail of two teenager legs walking down a street
Getty Images/Kentaroo Tryman

Projekt „mitgehn“ hilft gegen Beschämung

Das Projekt „mitgehn“ ist aus einer Untersuchung der Armuts-Konferenz entstanden. Die Untersuchung wurde im Jahr 2015 gemacht. Bei der Untersuchung war der größte Wunsch der Menschen, dass es eine Begleitung zu Terminen gibt. Deswegen hat 2021 „mitgehn“ begonnen. Bei „mitgehn“ gibt es Begleitung für armutsbetroffene Menschen zu Terminen. Die Begleitung machen Freiwillige. Das Projekt „mitgehn“ kann man für verschiedene Termine nutzen. Am meisten wird es für Termine bei Ämtern und Gesundheitseinrichtungen genutzt.

Armutsbetroffene Menschen erleben oft Beschämung

Jeder Mensch kann Beschämung erleben, sagt Schenk. Armutsbetroffene Personen erleben Beschämung aber besonders oft. Das liegt daran, dass sie weniger Macht haben. „Bei Beschämung braucht es immer einen Mächtigeren“, sagt Schenk. „Mächtiger bedeutet, dass man stärker ist, mehr Geld und Einfluss hat und in der Welt wichtiger erscheint“, erklärt Schenk. Sonja ist eine armutsbetroffene Person. Sie hat „mitgehn“ genutzt. Sie erzählt, dass es gut getan hat, dass neben ihr jemand gesessen ist. Sie sagt: „Ich habe gewusst, der tut sich das nicht an, wenn wer dabei ist, dass er über mich drüberfährt.“

Projekt „Mitgehn“ Interview
ORF
Carla und Sonja erzählen von ihren Erfahrungen beim Projekt „mitgehn“.

Beschämung macht krank

Wenn man oft beschämende Erfahrungen macht, ist das schädlich für die Gesundheit. Beschämung löst nämlich eine schlechte Stress-Reaktion im Körper aus. Menschen, die oft beschämende Erfahrungen machen, bekommen öfters Entzündungen und werden leichter krank. Außerdem kann häufige Beschämung zu Depression und Burnout führen. Man hat dann irgendwann das Gefühl, dass man selbst an der Beschämung schuld ist. Das ist aber gefährlich, sagt Schenk. Man ist nämlich nicht selbst an der Beschämung schuld.

Was Begleitung verändert

Sich gegen Beschämung zu wehren, ist schwer. Das erklärt Schenk. Am besten kann man sich gemeinsam wehren. Besonders eine Begleitung macht einen Unterschied. Der Begleiter darf bei Terminen aber nichts sagen, erklärt Schenk. Aber alleine, dass eine weitere Person im Raum ist, macht eine Veränderung. Das erzählt auch Carla, die eine Freiwillige im Projekt „mitgehn“ ist. Sie sagt: „Es reicht oft, dass jemand zusieht. Es ist schon in vielen Situationen aufgefallen, dass es ein ganz anderes Gespräch war. Es war ruhiger, es war respektvoller.“ Das Machtverhältnis löst sich zwar nicht auf, aber es wird etwas ausgeglichener. Man bekommt mehr Respekt und Zeit. Das erklärt Schenk.

Begleitperson als Vertrauensperson oder Rechtsbeistand

Jeder Mensch darf zu allen Terminen eine Begleitperson mitnehmen. Das erklärt Schenk. Diese Begleitperson nennt man Vertrauensperson. Es ist für die Vertrauensperson aber wichtig, dass sie nichts sagt. Die Vertrauensperson darf sich nicht in das Gespräch einmischen. Sonst kann nämlich zum Beispiel der Beamte beim AMS sagen, dass die Vertrauensperson rausgehen soll. Das erklärt Schenk. Beim stillen Begleiten darf die Person nicht hinausgeschickt werden. Wenn der Beamte das Wort Vertrauensperson nicht mag, kann man es auch Rechtsbeistand nennen. Jeder Mensch hat das Recht auf einen Rechtsbeistand, der einen still begleitet.

Die Zukunft von „mitgehn“

Das Projekt „mitgehn“ hat es in verschiedenen Bundesländern und Städten gegeben. In Linz gibt es das Projekt noch immer. Bis jetzt war „mitgehn“ aber ein Test-Projekt. Die Test-Zeit ist bald vorbei. Wie nun weitergemacht wird, ist noch nicht klar. Die Rückmeldungen sind von allen Beteiligten sehr positiv, so Schenk. Da es kein Geld mehr gibt, muss man überlegen, wie das Projekt weiterhin laufen kann.