Black Box im burt nordwest (Weiße Würfel mit schwarzer Stiege auf einer Bühne)
Abiona Esther Ojo
„MITTEN am Tag“

Mit Kunstlaboren in den Herbst

Die Wiener Festwochen haben ihre diesjährige Ausgabe zu Festmonaten erklärt. Nach den ersten acht Wochen mit ausgewählten Produktionen aus dem ursprünglich geplanten Programm startet man Ende des Sommers mit interaktiveren Formaten. Darunter das „Mitten“ Festival, in dessen Rahmen internationale Künstler in neun Workshops zusammen mit dem Publikum von der Stadt inspirierte Themen erforschen.

Wie benutzen Wiener Passanten Parks, was erzählen uns die Räume um uns herum, wie viele Stunden dauert es, um achtsam eine Suppe zu kochen und was würde die Donau sagen, wenn sie sprechen könnte? Diesen und ähnlichen Fragen gehen mehrtägige künstlerische Labore zu kollektiven Prozessen ab 1. September im Rahmen der Wiener Festwochen nach.

In insgesamt neun Workshops, zu deren Teilnahme man sich noch bis Ende Juli bewerben kann, erkunden Künstlerinnen und Künstler abseits etablierter Formate neue Formen der Interaktion mit den Teilnehmern jenseits von didaktischen Kursen.

Was Räume sein können

Einer der Künstler, die in der Schiene „MITTEN am Tag“ einen Workshop abhalten, ist der belgische Bühnenbildner Jozef Wouters. Er betreibt seit 2016 im Brüsseler Stadtteil Molenbeek sein „Decoratelier“ – einen partizipativen Raum für Kunstprojekte in einer aufgelassenen Lagerhalle.

Für sein Künstlerlabor ab 7. September nimmt sich Wouters vor, die Art, wie Räume gedacht werden, für die Teilnehmer zu erweitern, wie er ORF.at erzählt: „Wir werden gemeinsam in einen Raum gehen, von dem wir im Vorhinein nichts wissen. Wir wissen nicht, wozu er da ist oder ob wir uns darin wohlfühlen. Anstatt dann zu fragen, was man dem Raum hinzufügen könnte, werden wir uns fragen, was der Raum uns erzählt.“

Die insgesamt neun Künstlerinnen- und Künstlerlabore im Rahmen des Mittenfestivals der Wiener Festwochen finden zwischen 1. und 12. September im brut nordwest statt. Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben bis zum 31. Juli die Möglichkeit sich für die begrenzten Plätze pro Labor zu bewerben.

Zu sehr hätten wir uns daran gewöhnt, so Wouters, Räume nach der Logik wirtschaftlicher Verwertbarkeit wahrzunehmen. „Was wir heute als Architektur bezeichnen ist ein sehr begrenzter Zugang dazu, Räume zu erschaffen, der von Funktionalität und Profitinteressen getrieben wird.“

Jenseits dieser Vorstellung findet der Künstler Inspiration in einer nahezu grenzlosen Raumvorstellung: „Ich komme vom Bühnenbild und versuche alle möglichen Arten von Räumen zu erschaffen, seien sie aus Wörtern, Vorstellungen, Träumen, aus Wind oder Sand.“ In seinem Künstlerlabor wird er seine „Freude, einen Raum zu lesen, mit einer Gruppe Menschen teilen“.

Kleine Paradise oder Abkürzungen in der Stadt?

Ganz besonderen Räumen hat sich die iranische Künstlerin Azade Shahmiri verschrieben. In ihrem Labor „Garden to Garden“ erkundet sie das Verhalten von Menschen in Wiener Parks und fragt sich nach den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen grüner Grätzloase und den Gärten von Teheran und Shiraz im Südiran.

„Die Idee eines persischen Gartens ist es, eine Abbildung des Paradieses auf der Erde zu schaffen“, sagt Shahmiri im Gespräch mit ORF.at. „Ein grüner Ort in der Mitte eines sehr heißen Landes wie dem Iran ist etwas besonderes, weil nicht viel Wasser zur Verfügung steht. Gärten sind Kulturerbe im Iran.“ Besonders fasziniert sie der Übergang von Natur zu Kultur in Gartenanlagen.

„Wenn man in der Natur einen Stein findet und ihn ‚Stein‘ nennt, ist er schon nicht mehr ganz Natur.“ Genauso verhält es sich mit Gärten, die wie sie bei ihrer Recherche in Wien beobachtet hat, für viele Menschen gar nichts natürliches mehr haben, sondern gerne als Abkürzung auf dem schnellsten Weg durch die Alltagshektik eingesetzt werden. In ihrem Workshop will sie gemeinsam mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die sozialen und historischen Bedeutungen der Wiener Gärten befragen.

Rave und Suppe für die kommende Gemeinschaft

Auch die andere Workshops werfen interessante Fragen auf: Die brasilianische Künstlerin Gabriela Carneiro da Cunha wird von der Perspektive der Donau aus Fragen nach Verletzungen und Heilung stellen. Stine Janvin, Ula Sickle und Persis Bekkering schließen sich zur „Univerisity of Rave“ zusammen.

Über den Zeitraum von zwei Tagen wird von ihnen der Dance Floor in seine Grundelemente zerlegt: Ein Bewegungs- und Stimmworkshop wird mit Diskurs, Schreiben und Reflektieren verknüpft, um Rave aus historischer Perspektive sowie als Kontinuum in die Gegenwart und „als Potenzial für neue Zukunftsformen“ zu erforschen.

Laia Fabre und Thomas Kasebacher versuchen sich mit „Caldo“ im extrem langsamen Zubereiten einer Suppe. Neben Erkenntnissen über die perfekte Knochenbrühe, die ganze 18 Stunden kochen muss, werden Zero Waste und Nachhaltigkeit nähergebracht. Hervorragende Aussichten für den zweiten Teil der Festmonate also.