„Alles so wie es sein soll – und trotzdem alles weg.“ So räsoniert Schauspielerin Peters ihre Erfahrung mit der zurückliegenden Pandemie, weil, wie sie sagt, der Darstellerin das Publikum abhandengekommen ist; und auch für die analog lebenden Menschen (wie Peters sich definiert) das Mit-Menschen-Sein nur um den Preis des Virtuellen zu haben war. Für die Festwochen hat Peters gemeinsam mit Ledwald den E.M.-Foster-Text-„Die Maschine steht still“ als Folie hergenommen, der im Jahr 1909 von einer dystopischen Welt berichtet, in der die Menschen unter der Erde leben und nur noch mit Screens kommunizieren.
Expressiv immersiv
„Die Maschine steht nicht still“, heißt ihre Arbeit, die sich als Science-Fiction ein dauerhaft immersives Zusammensein mit einem sprachgesteuerten Betriebssystem vorstellt. „Isodora“, so heißt bei Peters der Nachfolgestandard zu Siri und Alexa, der dem Einzelnen eine Form von Einzigartigkeit vorgaukelt – nicht zuletzt aber, so viel sind wir ja auch aus der digitalen Gegenwart gewohnt, jede Anfrage, Idee mit vielen Ablenkungsmöglichkeiten verziert.

Die Welt draußen wird nicht mehr betreten. Man versammelt sich nur noch in virtuellen Tafelrunden, wo das Essen in Bits & Bytes geliefert wird und selbst der Rosmarin in seiner digitalen Gestalt für die Würze garantiert. Man wird auch von den virtuellen Getränken berauscht – und am Tisch ventiliert man schon mal gerne, dass es jetzt eine neue „Frischluftfunktion“ mit dem Geruch von Gletscher und feuchter Erde gäbe.
Die Tafelrunde, vielleicht der Höhepunkt dieses Stücks, ist der Moment, wo sich das Ich in seinen vielen narzisstischen digitalen Spiegelungen begegnet, kurz: Peters ist Peters in fünf anderen Rollen. Schenkelklopfermomente im Publikum. Doch das digitale Palim-Palim wirkt wie eine semisentimentale Abrechnung mit gestelzten Abendessen, an die man sich vielleicht noch aus der Vor-Corona-Zeit erinnert. Nein, so warnt Peters, all unsere Gespräche, Besserwisserei und Rauschmomente werden uns auch im virtuellen Raum bleiben. Nur aufgetischt wird flotter.
Alles will Erlösung
Das Stück, ein Versuch der Reflexion über eine digital gesteuerte Welt, wo der Zwang der Wiederholung erst die Wirklichkeit generiert, marschiert in einer Serie von Szenen dem Moment der Emanzipation entgegen. Der Mensch verabschiedet sich von der Maschine, denn er erinnert sich, noch ein Wesen aus Fleisch und Blut zu sein. Doch statt dem „Ciao“ kommuniziert die Maschine, dass sie iterativ gelernt hat – also weitermachen kann. Die Maschine, sie steht nicht still und hat auch ohne uns ihren Weg. „Du bist nur ein Betriebssystem!“, expressiv geschrien, ist als Drohung vielleicht zu wenig.
Hinweis:
„Die Maschine steht nicht still“ ist noch bis 12. Juni im Theater Nestroyhof Hamakom zu sehen.
Wer das digitale Zeitalter und seine perfiden Selbstverständlichkeiten mit markanten Visuals einfangen will, darf sich vor einer Thomas-Brezina-Welt nicht fürchten, durch die man an diesem Abend geschickt wird. Wo das Bild der Gegenwart auf schwachen Beinen steht, könnte man frei nach Hans Blumenberg sagen, krankt auch die Vorstellungswelt. Der Witz des Digitalen, und davon künden ja die Human-Interface-Abteilungen von Konzernen wie Apple, ist ja die süchtigmachende Bedienungswelt, die ihre Abhängigkeit in der Unauffälligkeit erzeugt. Das verträgt sich schlecht mit Bühnendramaturgie.
Vielleicht darf man im Umgang mit dem Digitalen den einen oder anderen Bilderbuch-Song konsultieren, in dem sich die Welt der Interfaces viel unaufdringlicher und mit Augenzwinkern in den Lebenszusammenhang schiebt. Für die Generation Vierteltelefon brachte der Abend dann doch auch die Beruhigung, dass die virtuelle Welt auch nicht schlimmer ist als die Hölle der alten. Vielleicht nur eine Spur dichter.