Pünktlich mit dem Glockenschlag um zwölf Uhr schreitet Dominik Wlazny, auch bekannt als Marco Pogo, über den sonnigen Rathausplatz in St. Pölten. Der Musiker, studierte Arzt und jüngste Präsidentschaftskandidat trägt schwarze, enge und ausnahmsweise nicht zerrissene Jeans, ein weißes Hemd, darüber ein schwarzes Sakko und Turnschuhe. Sein Markenzeichen, die schwarze Sonnenbrille, steckt in seinen Haaren.
Die meisten Menschen, die sich an diesem Tag vor der Pestsäule in der niederösterreichischen Landeshauptstadt eingefunden haben, kommen gerade von der Schule. Jene, die älter sind, hat vor allem die Neugierde und die Rockmusik, die aus den Boxen im Lieferwagen schallt, hergetrieben. „Was ist denn da los?“, fragt eine ältere Dame. Dominik Wlazny kennt sie nicht, erst bei seinem Künstlernamen weiß sie Bescheid. „Ah, der Marco Pogo!“
Fein dosierter Wiener Dialekt
Eine richtige Bühne aufzubauen, das sei zu aufwendig gewesen und koste zu viel Geld, erklärt Wlazny seinem Publikum, nachdem er sich auf der Ladeklappe des weißen Lieferwagens positioniert hat. „Wie find’s es? I find’s guad!“ Das Publikum klatscht verhalten, vereinzeltes Gelächter ist zu hören.
Die Glocken im Hintergrund läuten weiter, weshalb Wlazny die Menschengruppen vor der Pestsäule auffordert, näherzukommen, „dann muss ich nicht so schreien“. Es soll nicht sein letzter Versuch sein, das Publikum mehr oder weniger erfolgreich zum Mitmachen zu animieren. Der 35-Jährige gibt sich locker, bodenständig und setzt seinen Wiener Dialekt fein dosiert ein, wenn er seine potenzielle Wählerschaft direkt anspricht. Die Botschaft: Ich bin einer von euch.
Im Rahmen seiner Kampagne sei er über seine zerrissenen Hosen, sein Bier, alte Musikvideos ausgefragt worden. Aber niemand frage ihn nach dem Grund, weshalb er etwa heute hier in St. Pölten stehen würde. Wieder bindet er sein Publikum aktiv ein: Der Zweck sei, „euch“ das Ganze persönlich zu sagen, er beobachte „so wie ihr“ die Politik seit längerer Zeit und halte eine Veränderung für notwendig.
Wahlreportagen
ORF.at nimmt von jedem Kandidaten der Bundespräsidentenwahl eine Veranstaltung im Wahlkampf in Lokalaugenschein. Bisher erschienen sind die Artikel zu
– Michael Brunner
– Alexander Van der Bellen
– Dominik Wlazny
– Tassilo Wallentin
– Heinrich Staudinger
– Walter Rosenkranz
Von Idealismus getrieben
Er wolle seinen Beitrag leisten, um die ganzen Krisen – Inflation, Teuerung, Pflege – zu meistern. Und ja, das dürfe auch Spaß machen. Dass er sich entgegen mancher Vorwürfe nicht als „Spaßkandidat“ versteht, möchte er dann aber wohl mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für einen „aktiven Bundespräsidenten“ klarstellen. Wenn Unrecht im Land passiere, müsse man das laut sagen, er wolle für seine Werte – Toleranz, Offenheit, Unabhängigkeit und Solidarität – unabdingbar einstehen. Das Publikum klatscht.
Natürlich wolle er sich als Bundespräsident nicht in Tagespolitik einmischen, man müsse seine Meinung an der Schwelle zur Hofburg aber nicht ablegen, so Wlazny. Er scheint von einem ehrlichen, fast schon naiven Idealismus getrieben, wenn er sich ein „Zukunftsministerium“ wünscht, das an zukünftige Generationen abseits von Legislaturperioden denkt und politische Entscheidungen auf ihre Nachhaltigkeit hin bewertet. Das sei nicht utopisch, versichert Wlazny, sondern „dringend notwendig“. Wenn jemand gegen seine Werte verstoße, dann sage er: „Hey Freunde, so nicht.“
„Meinung auf der Schwelle zur Hofburg nicht ablegen“
Über die „Würde des Amtes“ mokiert sich Wlazny, sinniert, was diese genau beinhalte. Ob es das Wissen um das richtige Besteck beim Galadinner sei oder die Fähigkeit, mit Frau Biden Walzer zu tanzen, fragt er das Publikum. Dass man sich bei einem Staatsbesuch nicht „wie ein Depp“ aufführe? Das könnten wohl fast alle Kandidaten, „außer Gerald Grosz“. Das Gelächter im Publikum bestätigt Wlazny, der seinen weißen Schummelzettel mit Stichworten bewusst nicht versteckt.
Es sind Seitenhiebe wie diese, die beim Publikum funktionieren: Wenn er etwa sagt, dass er nicht „wie Sebastian Kurz ein Bundesland aufhetzen will“, nur um das kurz darauf zurückzunehmen („Vergesst’s, dass ich das gesagt hab“), erntet er unerzwungene Lacher, etwa von einem Mann in Sportkleidung, der seine Radtour für Wlazny unterbrochen hat. Die Frage „Wer hat Walter Rosenkranz eigentlich sein Österreich weggenommen?“ wird sogar mit vereinzeltem Applaus belohnt. Man merkt Wlazny an, dass er nicht zum ersten Mal auf einer Bühne steht.
Kandidatur als „geile Aktion“
Dass Wlazny sich abseits vom Wahlkampf vor allem auf Social Media zu verkaufen weiß, zeigt sich auch hier in St. Pölten. Im Anschluss an die gut zehnminütige Rede nimmt das junge Publikum noch Wartezeit in Kauf, um Selfies mit Wlazny zu machen oder Autogrammkarten signieren zu lassen. Er kenne Marco Pogo wegen eines Konzertes, auf dem Turbobier als Vorband aufgetreten war, so ein Schüler. Dass er jetzt kandidiere, sei „eine geile Aktion“. Und was er sage, sei auch gar nicht so schlecht.
Dass er Themen anspreche, die er eigentlich im Nationalrat eher angehen könne, verneint Wlazny im Gespräch mit ORF.at. Seit Jahren seien die Bundespräsidentschaftswahlkämpfe an „Langeweile nicht zu überbieten“ gewesen. Zudem habe er sich inhaltlich auch schon auf Bezirksebene in Simmering einbringen können. Dass er heute so viele junge Gesichter sehe, bekräftige ihn zudem „in seinem Ansinnen, das Richtige zu tun“. Er freue sich schon auf den nächsten Termin in Salzburg.