Alexander Van der Bellen am Wiener Würstelstand
ORF.at/Lukas Krummholz
Lokalaugenschein

Van der Bellen im Wahlkampf

Der Amtsinhaber, Bundespräsident Alexander Van der Bellen, absolviert seinen Wahlkampf mit recht wenigen öffentlichen Auftritten. Umso größer ist das Medieninteresse bei den raren Terminen – so auch am Freitag bei einem Fototermin mit seinem Vorgänger Heinz Fischer. Zwei Präsidenten am Würstelstand: Das gibt gute Bilder, launige Sager und erstaunte Passanten.

Der Ort des angekündigten Aufeinandertreffens liegt zentral im achten Wiener Gemeindebezirk. Der Würstelstand bietet Hotdogs im Bioweckerl, die Wurst von glücklichen Tieren oder wahlweise vom Austernpilz sowie ausgewählte Bierspezialitäten. Kurz vor 13.00 Uhr wird an diesem Tag aber fast niemand mehr etwas essen wollen – rund um den Stand ist das Equipment aller heimischen Sender aufgebaut, wer jetzt eine Wurst bestellt, darf jedenfalls nicht kamerascheu sein.

An den Stehtischen unterhalten sich Journalisten und Fotografen. Einzelne Passantinnen und Passanten wagen sich näher, um zu fragen, wer denn erwartet werde – die Ankündigung des Präsidentengipfels lässt manche verweilen. Viele haben das Handy griffbereit, die Chance auf ein Selfie mit gleich zwei Präsidenten, „wann kommt man schon zufällig zu so einer Gelegenheit“, freut sich eine ältere Frau.

Alexander Van der Bellen und Heinz Fischer am Wiener Würstelstand
ORF.at/Lukas Krummholz
Auf dem Weg zum Würstelstand

Profis durch und durch

Als der Pressesprecher die Ankunft des VDB2022-Mobils verkündet, gibt es kein Halten mehr. Kamerateams und Fotografen stürmen auf die Kreuzung zu, um sich kein Bild entgehen zu lassen. Aus dem Van steigen zwei Profis, die wohl unabgesprochen das abliefern, was in der nächsten halben Stunde gefragt sein wird. Obwohl mit dem gleichen Auto angekommen, gehen sie aufeinander zu, schütteln sich so lange die Hand, bis alle Fotografen ihr Bild haben und setzen erst dann ihren Weg fort.

Vereinzelt wird nach links und rechts gegrüßt, Hände werden geschüttelt – die Wand aus Medienleuten schirmt die beiden entspannt wirkenden Männer ab. „Was werden’S denn bestellen?“, tönt eine Frage aus dem Hintergrund. „Wir müssen ja erst einmal die Karte studieren“, antwortet Fischer – bevor er mit Van der Bellen beim Würstelstand ankommt und für die nächste halbe Stunde hinter der dichten Medientraube verschwindet.

Die ältere Frau mit dem Handy wirkt enttäuscht, will aber nicht aufgeben: „Irgendwann müssen sie ja wieder Richtung Auto gehen.“ Ein Vater mit zwei Töchtern im Volksschulalter kommt vorbei – neugierig fragen sie, für wen denn hier so ein Aufwand betrieben wird. Auch sie entscheiden sich zu warten, um vielleicht später noch näher an die Prominenz heranzukommen.

Alexander Van der Bellen und Heinz Fischer am Wiener Würstelstand
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Zwei Präsidenten hinter einer Medienbubble

Bier vor vier

Die ist mittlerweile mit dem Studium der Karte fertig und bekommt prompt auch schon die Bestellung serviert: Einmal Biobratwurst für Van der Bellen, einmal normale Bratwurst für Fischer. Dazu ein kleines Bier – ob Alkohol für Präsidenten im Dienst erlaubt ist, fragt niemand, die beiden Flaschen bleiben aber ohnehin quasi unberührt.

Abwechselnd beantworten die beiden Fragen, während sie sich die Wurst schmecken lassen. Warum er Van der Bellen unterstütze, will man von Fischer wissen – die Antwort darauf kann man sich denken („wen sonst?“). Dass das auch vor vielen Jahren Van der Bellens Antwort auf dieselbe Frage war, als Fischer zum ersten Mal um das Amt des Staatsoberhaupts kandidierte, liefert man als nette Anekdote hinterher.

Alexander Van der Bellen und Heinz Fischer am Wiener Würstelstand
ORF.at/Lukas Krummholz
Würstelbraten für Anfänger

Keine Tipps nötig

Tipps will er seinem Nachfolger keine geben, was angesichts der Tatsache, dass dieser ja auch schon bald sechs Jahre in der Hofburg arbeitet, auch nachvollziehbar ist. Die Wurst dürfte schmecken, sowohl die Bio- als auch die Nicht-bio-Variante sind schnell aufgegessen. Das erste Fotomotiv („Zwei Präsidenten vor dem Würstelstand“) ist auch ausreichend gewürdigt worden, auf zum nächsten: „Zwei Präsidenten im Würstelstand“.

Wahlreportagen

ORF.at nimmt von jedem Kandidaten der Bundespräsidentenwahl eine Veranstaltung im Wahlkampf in Lokalaugenschein. Bisher erschienen sind die Artikel zu
Michael Brunner
Alexander Van der Bellen
Dominik Wlazny
Tassilo Wallentin
Heinrich Staudinger
Walter Rosenkranz

Fischer und Van der Bellen dürfen von zwei jungen Würstelbratern lernen, wie man Würste wendet und Bosna zubereitet. Fischer versucht sich im Verkauf und reicht einem jungen Mann ein Bier über die Budl – Geld nimmt er dafür keines, der Stand wird es wohl verschmerzen, angesichts der überwältigenden Publicity an diesem Tag.

Interview mit Bosna

Die selbst zubereitete Bosna mit Manufaktur-Käsekrainer schmeckt sowohl Fischer als auch Van der Bellen sichtlich, wieder beantworten sie Fragen zwischendurch. „Man kennt mich“, hat Van der Bellen seine Ablehnung von Diskussionen mit den Mitkandidaten vor einiger Zeit in einem Interview erklärt. Und genau wie man ihn kennt, tritt er auch bei diesem seltenen Wahlkampftermin auf: bedacht, unaufgeregt und ruhig. Über die anderen Bewerber will er nicht sprechen, dass er sich einen Wiedereinzug in die Hofburg ohne Stichwahl und neuerlichen Wahlkampf wünscht, gibt er zu: In volatilen Zeiten mit multiplen Krisen würde er sich diesen lieber schnell weiter widmen.

Alexander Van der Bellen und Heinz Fischer am Wiener Würstelstand
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Viel näher als an den Bezirksvorsteher kommen die Präsidenten bei diesem Termin nicht ans Volk

Nach einer guten halben Stunde sind die Bilder geliefert und die wichtigsten Statements abgegeben. Van der Bellen verabschiedet sich und verschwindet in Richtung seines Autos. „Viel Glück, Herr Präsident“, ruft ihm eine Pensionistin zu. Die Selfiejägerin lässt er zurück, ein Bild gemeinsam mit dem Präsidenten hat sie zwar nicht bekommen, dass sie überhaupt das Glück gehabt habe, an einem Tag gleich zwei Präsidenten zu sehen, überwiege aber, schließlich sei sie ja nur auf dem Weg zum Einkaufen gewesen und habe gar nicht mit der Prominenz am Weg gerechnet. Dass sie ihn wählen wird, weiß sie schon, das sei aber unabhängig von der heutigen Begegnung. „Wen sonst?“, fragt sie.

Fischer, der kurz davor die gleiche Antwort gegeben hatte, ist nicht mit Van der Bellen im Auto abgefahren. Er wird zu Fuß nach Hause gehen, es ist nicht weit und das Wetter ist herbstlich-schön. Die Medienansammlung hat sich aufgelöst, und die Passantinnen und Passanten ziehen weiter ihrer Wege.