Walter Rosenkranz beim FPÖ-Oktoberfest in der Fendigasse
ORF.at/Peter Pfeiffer
Lokalaugenschein

Rosenkranz im Wahlkampf

Wie kein anderer Bundespräsidentschaftskandidat kennt Walter Rosenkranz die Welt der Wahlkämpfe. Zahlreiche hat der freiheitliche Politiker in seiner Karriere schon absolviert. Im Rennen um die Hofburg versucht er, mit ebendieser Erfahrung zu punkten: Als bürgernaher „Volksversteher“ geht er auf Wähler und Wählerinnen ein, als redegewandter Jurist bedient er das Publikum mit Wuchteln gegen Amtsinhaber Alexander Van der Bellen.

Die Wiener FPÖ hat Anfang Oktober zu einem launigen Oktoberfest beim Gasthaus zur Elisabeth in Wien-Margareten geladen. An die 40 Biertische sind in der Fendigasse aufgestellt. Ab 10.00 Uhr kann zwischen den Gemeindebauten Herweghhof, Matteottihof und Metzleinstalerhof mit Bier, Gratisweißwurst und Gratisbrezel zu Livemusik geschunkelt werden. Wer größeren Hunger hat, kann ein Rindsgulasch mit Gebäck oder ein Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat bestellen. Als Nachspeise stehen Kuchen parat, ein Stamperl Zirbe wartet ebenfalls.

„Das Wetter meint es gut mit uns“, sagt Rosenkranz, als er um 9.44 Uhr mit seinem Team die nasse Fendigasse betritt. Er sei aus Krems angereist, und Pünktlichkeit sei ihm wichtig. Schon in den ersten paar Minuten hat der Präsidentschaftskandidat die Hände der Anwesenden geschüttelt. Erste Fotos werden gemacht und Autogrammkarten, von denen Rosenkranz lacht und die ein Mitarbeiter des Hofburg-Anwärters zuvor im Publikum verteilt hat, signiert.

Gespräche, Selfies und Autogramme

In der Woche vor der Bundespräsidentschaftswahl tritt Rosenkranz im sicheren Terrain auf. Auf FPÖ-Veranstaltungen zählt nur das Gesagte. Es sind die letzten Versuche, bereits Entschlossene zum Urnengang zu bewegen und potenzielle Nichtwähler vom Protest gegen den Amtsinhaber zu überzeugen. „Was mir viele sagen und in E-Mails schreiben: Der Van der Bellen muss einfach weg“, sagt Rosenkranz im ORF.at-Gespräch, fügt gleichzeitig aber hinzu: „Ich weiß, dass mein Publikum nicht repräsentativ für die gesamte Wählerschaft steht.“

Walter Rosenkranz beim FPÖ-Oktoberfest in der Fendigasse
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Rosenkranz versucht, mit den Leuten ins direkte Gespräch zu kommen

Kurz nach 10 Uhr werden die ersten Biere bestellt sowie Brezeln und Weißwürste verteilt. Langsam erscheinen auch namhafte Freiheitliche, um ihren Kandidaten mit ihrer Anwesenheit zu unterstützen. Dieser tourt derweil aber durch die Tischreihen und geht mit den Gästen auf Tuchfühlung. In erster Linie sind es ältere Personen, die mit dem langjährigen Politiker das direkte Gespräch suchen. Sie beklagen die Teuerung und schildern, dass sich ihre Kinder und Enkelkinder nichts mehr leisten könnten.

Wahlreportagen

ORF.at nimmt von jedem Kandidaten der Bundespräsidentenwahl eine Veranstaltung im Wahlkampf in Lokalaugenschein. Bisher erschienen sind die Artikel zu
Michael Brunner
Alexander Van der Bellen
Dominik Wlazny
Tassilo Wallentin
Heinrich Staudinger
Walter Rosenkranz

„Es kostet viel zu viel, der Einkauf, die Miete, alles“, sagt eine Frau, die wie viele andere an diesem Tag in Tracht erschienen ist. Sie fragt den Kandidaten, mit wem man von den Freiheitlichen über Pensionen sprechen könnte. Rosenkranz hält kurz Rücksprache und nennt einen Namen. Vermehrt kommen jüngere Personen auf den Kandidaten zu. Sie wünschen ihm Glück, holen sich Autogramme und machen Selfies. So geht das bis 10.30 Uhr, dann zieht sich Rosenkranz bis zu seinem Auftritt in das Gasthaus zurück. Die Hälfte der Bierbänke ist besetzt.

Musikalische Bandbreite

Auf der kleinen Bühne hat inzwischen ein Musiker das Mikrofon in die Hand genommen. Noch während er einige Schrauben am Equipment dreht, beginnt er, „Okie From Muskogee“ zu singen. Das Lied, das der US-Country-Sänger Merle Haggard inmitten des Vietnam-Krieges verfasst hatte, handelt von Patriotismus und von einer Aversion gegenüber Hippies, die gegen den US-Militäreinsatz protestieren. In Oklahoma laufe niemand in Sandalen herum, rauche Marihuana oder verbrenne auf offener Straße Einberufungsbescheide, schrieb Haggard. „Wir leben gerne rechtschaffen und frei.“

Walter Rosenkranz beim FPÖ-Oktoberfest in der Fendigasse
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Der FPÖ-Politiker wechselte nach seiner Abgeordnetentätigkeit in die Volksanwaltschaft

Haggard meinte später, dass das Lied ironisch gemeint gewesen sei. Trotzdem wurde es in konservativen Kreisen positiv aufgenommen. In seinen Grundzügen passt das Lied vielleicht auch in die Fendigasse, doch das Publikum ist vom Country-Hit der 60er Jahre wenig angetan. Erst bei Roland Kaisers „Kein Problem“ und Neil Diamonds „Sweet Caroline“ kommt ein wenig Stimmung zwischen den Bierbänken auf. Mit Liedern von Elvis Presley („Always on My Mind“) und Ostbahn-Kurti („Feuer“) zeigt der sichtlich bemühte Musiker sein vielfältiges Repertoire und holt sich damit endgültig den Applaus ab.

Inzwischen füllen sich auch die letzten Plätze, am Rand bleiben einige Passanten etwas länger stehen und hören zu. Der Chef der Wiener FPÖ, Dominik Nepp, trifft um 10.50 Uhr ein. Er schüttelt Hände, lässt sich auf Selfies ablichten und begibt sich ins Gasthaus. Um 11.23 Uhr kommen beide Politiker wieder heraus. Rosenkranz macht dort weiter, wo er aufgehört hat: Er geht durch die Reihen. So manch einer ist dann doch überrascht, als der Freiheitliche plötzlich hinter ihm auftaucht und mit ihm redet.

Gegen Van der Bellen und Regierung

Während Rosenkranz einen Hund streichelt, werden zwei Bierfässer vor die Bühne gestellt. FPÖ-Wien-Chef Nepp hat sich das Mikrofon geschnappt und spricht von den „roten Bonzen in Wien“, die sich mit der Wien-Energie „das Geld der Wiener und Wienerinnen nehmen“. Vereinzelt sind „Bravo“-Rufe zu hören, doch die Mehrheit der Gäste ist in Gesprächen mit ihren Sitznachbarn vertieft. In der Hofburg müsse jemand sitzen, der „kompromisslos“ sei, sagt Nepp und kündigt seinen Parteikollegen an. „Lieber Walter, wir unterstützen dich.“

Walter Rosenkranz beim FPÖ-Oktoberfest in der Fendigasse
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Ganz nach FPÖ-Manier teilt Rosenkranz gegen die Regierung und Bundespräsident Van der Bellen aus

Unter Applaus betritt der Präsidentschaftskandidat die Bühne und lässt keine Zweifel daran, wohin die Reise seiner Rede geht. Unter der ÖVP-Grünen-Regierung und Bundespräsident Van der Bellen habe das Land seinen „Stolz“ und sein „Selbstbewusstsein“ verloren. Er kritisiert die Aussagen des Amtsinhabers, wonach man in Zeiten der Teuerung die Zähne zusammenbeißen müsse. „Wir wollen nicht frieren“, sagt der Freiheitliche und legt gleich darauf nach: „Wir können uns das Leben nicht mehr leisten, aber Van der Bellen kann es.“

Er hätte seinem Konkurrenten in Diskussionen „gerne eure Fragen und Sorgen mitgeteilt“, so Rosenkranz. „Aber der Ersatzkaiser verweigert die Gespräche, weil er die Würde des Amtes bewahren wolle, sagt er.“ Der FPÖ-Kandidat versucht es mit einer Wuchtel und verweist auf die „VdB“-Badeschlapfen, die Van der Bellen in seinem Webshop anbietet. „Geht Österreich etwa baden?“, fragt er und beantwortet die Frage selbst: „Ja, aber Schlapfen sind das wenigste, das wir brauchen.“

Zwölf Schläge, bis es tropft

Er wolle ein Bundespräsident „auf Augenhöhe“ sein, der das Ansehen und Österreichs „Freiheit“ zurückholen werde, sagt Rosenkranz wohl mit Blick auf die Europäische Union. Die Entscheidung der Bevölkerung im Jahr 1995, der Europäischen Union beizutreten, respektiere er. Aber vieles, was „uns damals versprochen wurde“, werde heute einfach nicht eingehalten. Besonders Viktor Orban, Ungarns Premierminister, kommt bei Rosenkranz gut weg. Dieser trete nämlich „selbstbewusst“ auf und gebe in der Europäischen Union schon einmal den Takt vor.

Walter Rosenkranz beim FPÖ-Oktoberfest in der Fendigasse
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Zum Abschluss seines Auftritts musste Rosenkranz das Bier anzapfen

In Sachen Russland-Krieg in der Ukraine vertritt Rosenkranz freilich die Parteilinie: Wir führen keinen Krieg in der Ukraine; wir sind an die Neutralität gebunden; Sanktionen gegen Russland schaden auch uns. Man brauche eine „rasche Kurskorrektur auf allen Ebenen“, ansonsten gehörten Österreicher und Österreicherinnen zu den Verlierern. An die Regierung gerichtet sagt der 60-Jährige: „Bevor Menschen in diesem Land entlassen werden, entlasse ich eine unfähige Regierung.“

Um 12.06 Uhr richtet der Freiheitliche noch eine letzte Bitte an sein Publikum: „Viele haben das Vertrauen in die Politik verloren. Aber bitte geht wählen und wählt am besten mich.“ Am Ende wartet noch das Highlight des Oktoberfestes auf Rosenkranz. Er schreitet zu einem der zwei Bierfässer, setzt den goldfarbenen Zapfhahn an und schlägt mit dem Holzhammer drauf. Insgesamt zwölfmal haut er, bis der Hahn sitzt und die ersten Tropfen Bier aus dem Fass laufen. „Er hat Übung darin“, sagt sein Mitarbeiter. „Für einen Burschenschafter ist das ein Einfaches.“