Gerald Grosz in der Lugner City
ORF.at/Peter Pfeiffer
Lokalaugenschein

Grosz im Wahlkampf

Der frühere FPÖ/BZÖ-Politiker und Autor Gerald Grosz tingelt im Wahlkampf für das Bundespräsidentenamt mit lautstarker Kritik am Establishment durch das Land. Wenige Tage vor der Wahl steht er gemeinsam mit Hausherr Richard Lugner in dessen Lugner City in Wien auf der Bühne, eingebettet in die Oktoberfest-Woche des Einkaufszentrums mit Glücksrad, Bier und Weißwurst. Grosz wettert unter viel Applaus gegen die Regierung, Amtsinhaber Alexander Van der Bellen und die Russland-Sanktionen.

Exakt um 16.00 Uhr betritt Grosz die Bühne, angekündigt von Lugner, selbst zweifacher ehemaliger Bundespräsidentschaftskandidat. Es sollte ein Interview werden. Lugner stellt dem aktiven Hofburg-Kandidaten Fragen – von der EU über die Neutralität, den Ukraine-Krieg bis zur CoV-Impfung. Doch Grosz nimmt das Heft bald selbst in die Hand, wandert von einem Thema zum nächsten, ab und zu wirft Lugner noch eine Frage ein. So manches Wort geht aber im Trubel des Einkaufszentrums unter.

„Corona war eine Herausforderung“, gesteht Grosz zu, aber es habe keinen Anlass gegeben, Menschen in den Lockdown zu schicken. Über die CoV-Impfung solle jeder selbst entscheiden können. Er selbst sei dreimal geimpft, weil er gehofft habe, damit Impf- und Maskenpflicht sowie Lockdowns zu verhindern. Nichts davon habe er bekommen: „Die Regierung hat gelogen und betrogen.“

Gerald Grosz in der Lugner City
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Grosz tadelt die Regierung und Amtsinhaber Alexander Van der Bellen

Attacken gegen die Regierung

Die Regierung wie die EU müssen bei Grosz für viele Probleme herhalten. Kritik wird auch mit Schimpfwörtern gespickt. Die Regierung halte sich selbst nicht an die Gesetze, sie achte den Rechtsstaat nicht und damit auch nicht die Bürger. „Ich werde am ersten Tag meiner Amtszeit die Regierung entlassen“, wiederholt Grosz auch in der Lugner City seine Ansage im Wahlkampf. Der erste große Applaus, viele weitere folgen.

Die meisten im Publikum sitzen auf den bereitgestellten Bierbänken, viele mit gezückter Handykamera. Nur wenige greifen zum Bier- und Weißwurstangebot rundherum während Grosz’ Auftritt. Mit der Dauer der Veranstaltung gesellen sich rund um die Bänke und auf den oberen Rängen Schaulustige dazu.

Grosz will Van der Bellen in die Stichwahl zwingen

Grosz nimmt auch Van der Bellen ins Visier. Sein großes Ziel sei, den Amtsinhaber in die Stichwahl zu zwingen. Chancen dafür gebe es. In Umfragen (59 Prozent für Van der Bellen, neun Prozent für Grosz) lassen sich diese Chancen nicht erkennen, doch die Umfragen seien ohnehin „manipuliert“, ist Grosz überzeugt.

Wahlreportagen

ORF.at nimmt von jedem Kandidaten der Bundespräsidentenwahl eine Veranstaltung im Wahlkampf in Lokalaugenschein. Bisher erschienen sind die Artikel zu

„Van der Bellen hat von den Sorgen der Menschen keinen blassen Schimmer“, ruft Grosz ins Publikum. Er selbst habe den Auftrag bekommen, dass er nicht auf die Armen vergesse. Gerade bei Themen wie Inflation und steigenden Energiepreisen erntet Grosz laute Zustimmung. Im Publikum sitzen zwar mehrheitlich junge Männer, doch auch Pensionisten werden von Grosz angesprochen: „Wir dürfen nicht zulassen, dass die Pension zu einem Almosensystem wird.“

Austritt aus EU oder Sanktionen beenden

Immer wieder kommt Grosz auf den Ukraine-Krieg und die Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland zu sprechen. Der Krieg sei „fürchterlich“. Solidarität bedeute, jemandem zu helfen, aber nicht, sich selbst zu opfern. Grosz: „Es ist niemandem gedient, wenn in Wien die Lichter ausgehen, die Volkswirtschaft ruiniert ist und die Lebensmittel nicht mehr leistbar sind.“

Wieder Applaus. Niemand habe gefragt, ob wir einen Krieg gegen Russland führen wollen. Seine Lösung: Entweder aus der EU austreten oder die Sanktionen beenden.

Gerald Grosz in der Lugner City
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Im Publikum in der Lugner City findet Grosz viel Bestätigung für seinen Antritt bei der Hofburg-Wahl

„Jetzt habe ich bald keine Fragen mehr“

Nach 20 Minuten gehen Lugner die Themen aus: „Jetzt habe ich bald keine Fragen mehr, wenn Sie alles schon vorwegnehmen.“ Er wendet sich an das Publikum: „Will noch jemand im Publikum Herrn Hofer befragen?“ Vermutlich meint er damit den FPÖ-Politiker Norbert Hofer, der bei der letzten Bundespräsidentschaftswahl angetreten ist. Grosz steckt es mit einem Lächeln weg: „Ich bin Herr Grosz, aber kein Problem.“ Lugner, der in wenigen Tagen seinen 90. Geburtstag feiert, bekommt trotzdem eine rote Gerald-Grosz-Kappe als vorgezogenes Geburtstagsgeschenk.

Gerald Grosz in der Lugner City
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Kurz vor seinem 90. Geburtstag bekommt Lugner ein Grosz-Kapperl geschenkt

Im Publikum gibt es noch ausreichend Fragen und bestärkende Worte für den Kandidaten. „Ich bin dafür, dass wir Grosz wählen“, ruft ein Gast ins Mikrofon. „Grenzgenial“ sei es, dass „Sie sich mit Ihrer Weitsicht (Anm. zur Wahl) gestellt haben“, meint eine Anhängerin Richtung Grosz. Ein anderer mit roter „Make Austria Grosz Again“-Kappe steht hinter dem ehemaligen FPÖ/BZÖ-Politiker, weil er einen „Kampf gegen das Establishment“ führe, das sich „wie Monarchen verhält“.

„Sie brauchen wir wirklich“

Nach einer guten halben Stunde sind alle Fragen beantwortet und Themen abgearbeitet. Sofort bildet sich um Grosz eine Traube an Menschen, die sich für ein Selfie oder ein Autogramm anstellen. Ab und zu fällt auch ein Selfie mit Lugner ab.

Grosz schüttelt routiniert die Hände, umarmt seine Anhänger und Anhängerinnen und freut sich über bestärkende Worte wie „Sie brauchen wir wirklich“. Eine halbe Stunde badet Grosz in der Menge, dann muss er weiter Richtung ORF zur abendlichen Runde aller Kandidaten. Für sein Publikum in der Lugner City ist klar, dass Grosz Bundespräsident werden muss.

Gerald Grosz in der Lugner City
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Bitte Lächeln – viele wollen ein Selfie mit dem Hofburg-Kandidaten

Keine neuen Pläne ohne Hofburg

Falls es mit dem Einzug in die Hofburg doch nicht klappen sollte, würde er nach dem 9. Oktober das Gleiche machen wie bisher, so Grosz gegenüber ORF.at kurz vor seinem Abgang. Wenn er es aber schafft und als ersten Schritt die Regierung abgesetzt hat, weiß er bereits, was danach kommt: „Die neue Regierung angeloben, einen Neuwahltermin festlegen und den Auftrag geben, aus den Sanktionen auszusteigen.“

Aber das hören nur mehr die wenigsten. Nach dem Trubel um den Bundespräsidentschaftskandidaten geht das Oktoberfest wieder seinen gewohnten Gang. Bierflaschen werden geöffnet, und das Glücksrad dreht sich wieder auf der Bühne.