Israel Galvan beim Tanz
Stephane de Sakutin / AFP / picturedesk.com
Israel Galvan

Wenn Flamenco den Rahmen sprengt

Zum spanischen Flamenco zirkulieren viele Bilder und Gefühle. Und seit Pedro Almodovar weiß man: Auch beim Flamenco kann man Traditionen auf den Kopf stellen. Israel Galvan, der Tänzer und Choreograf aus Sevilla, ist für internationale Kultur- und Kunstfestivals so etwas wie der Lieblingscrossdresser des Flamenco. Nicht nur, weil er Tanz und Musik neu kombiniert, sondern weil er bei jeder Performance, wie auch beim heurigen ImPulsTanz und live hier auf ORF.at (19.00 Uhr), die Grenzen des Bekannten sprengt.

Das ImPulsTanz-Festival und das ORF-RadioKulturhaus sind in diesem Jahr wieder eine besondere Partnerschaft eingegangen. Für das „Radio Concert“, das zugleich als Livestream hier zu erleben ist, hat sich Galvan für 60 Minuten eine Grenzüberschreitung im besonderen Rahmen einfallen lassen. Die Folklore seiner Heimat, die er durch seinen Vater, den Tänzer Jose Galvan, und seine Mutter, Eugenia de los Reyes, quasi in die Wiege gelegt bekommen hat, bricht er auf die Grundform künstlerischen Ausdrucks herunter: Und das ist Kunst als Ritual.

Hinweis:

Das „Radio Concert“ von Israel Galvan ist am Freitag um 19.00 Uhr im RadioKulturhaus und hier live zu erleben. Am Samstag und Sonntag finden zwei weitere Abende von Galvan im RKH statt. Mehr dazu in radiokulturhaus.ORF.at.

Und als Ritual ist Kunst eine Form der Selbsterkundung, die Überlieferung mit einschließt, die das Denken ausschaltet – und das Erleben in den Vordergrund rückt. Alle Performances von Glavan eint eines: das Zerlegen einer Überlieferung, die Begutachtung der Einzelteile – und das neue Zusammenbauen.

Die Beats vom „tablao“

Der Flamenco ist auch bei Galvan als solcher zu erkennen. Aber der Tanz auf dem „tablao“, dem hölzernen Boden, hat sich verselbstständigt und er tritt in der Musik noch viel mehr als im traditionellen Flamenco in einen Dialog – mitunter auch in ein Kräftemessen. Rollenbilder zerschmettert Galvan dabei. Es geht bei ihm nicht mehr um den perfekten Männer- oder Frauenkörper, sondern um den primär lebendigen Körper, der sich auch nicht mehr in Stereotype schubladisieren lässt.

Performance aus dem 2018 mit Israel Galvan
Stephane de Sakutin / AFP / picturedesk.com
Zurück in der Tradition bis hin zum Ritual. Im Zweifel muss man da vor den Töpfen sitzen.

Flamenco ist für Galvan neu zu formulieren. Oder anders gesagt: Galvan nimmt den Flamenco, weil es seine innigste künstlerische Ausdrucksform ist und begibt sich dabei auf Erkundungen. Cross-Dressing, Stierkampf, ja das Kochen in seiner Heimat können in seiner Performance vorkommen. Und der Fußball, er spielt bei Galvan auch immer eine Rolle.

Erinnerungen an 2016

2016 hat Galvan mit seinem Programm „FLA.CO.MEN“ bei ImPulsTanz vorgemacht, wie er seine poetische Dekonstruktion des Flamenco anlegt. Die Kritiken damals waren begeistert. „Hier passiert nicht Genderdiskurs auf theoriegebeizter Bühne, sondern vor allem ein Schmäh“, schrieb etwa „Der Standard“ damals. „Den Schmäh leistet sich Galván, weil er so gut kann, was er schon sein Leben lang tut, dass ihm das übliche Auftrumpfen in der Rolle des Flamenco-Bailaor fad ist. Dort, wo ein Joaquin Cortes seine Meisterschaft behauptet, fängt Israel Galvan erst an. Dabei wird schnell klar, dass er Spaß mit dem Flamenco hat, aber sich nicht über ihn lustig macht.“

Jetzt kommt der vielfach ausgezeichnete Star, der 2017 an der Kasseler documenta 14 teilgenommen hat, wieder nach Wien, wo er sich einen Traum erfüllen will: eine CD aufzunehmen. Der Wunsch soll sich gerade in der Kooperation von ImPulsTanz und RadioKulturhaus erfüllen. Und für alle, die nicht dabei sein können, überträgt ORF.at exklusiv live um 19.00 Uhr. Erstens überschreitet Galvan generell so ziemlich alles, was der Folklore entspricht, und zweitens mischt er hier männliche und weibliche Klischees. Er wechselt anfangs von der Schürze zum Korsett, und am Schluss verabschiedet er in einem weißen Kleid mit roten Punkten sein begeistertes Publikum.