Leerer Kinosaal
Getty Images/Bernd Schuettke Berlin Germany
Streaming

Kuratiertes Kino auf der Couch

Filmkultur lässt sich dieser Tage genussvoll online erleben, auch abseits der großen kommerziellen Plattformen. Österreichische und internationale Anbieter servieren ein abwechslungsreich kuratiertes Programm aus Filmklassikern, Arthouse, Kurzfilmen und Schrägem – und das Beste: Für freudige Filmerlebnisse muss heute niemand mehr tief in die Tasche greifen. Viele Angebote sind kostenfrei – und alle legal.

Spätestens mit dem Spruch „Netflix and chill“ ist der amerikanische Streamingdienst Netflix zum Synonym für „online Filmeschauen“ geworden. Dabei ist die Plattform für Cineastinnen und Cineasten oft genug eine Enttäuschung, und auch Amazon Prime, Sky und Disney+ bieten fast ausschließlich kommerzielle Filme an.

Nicht alle Unterhaltungsbedürftigen haben außerdem die Lust und das Budget, sich zu längeren Aboverträgen zu verpflichten. Es gibt aber auch Anbieter, die auch ungewöhnlichere Filmerlebnisse zugänglich machen, oftmals gratis oder zu kleinen Beträgen. Auch etliche Institutionen, Kinos und abgesagte Filmfestivals haben sich kurzerhand zu Onlineangeboten entschlossen.

Österreich steht im Jahr 2000 immer noch unter alliierter Besatzung, und hat sich damit bequem arrangiert: Die aberwitzige Austro-Utopie „1. April 2000“ aus dem Jahr 1952 war als Teil der Schau „Stunde Null – Österreichisches Kino zwischen Trümmern und Träumen“ des Filmarchivs Austria geplant. Nun hat das Filmarchiv Teile seines im Metro-Kinokulturhaus geplanten Programms ins Netz verlagert, Woche für Woche stehen in mehreren Kanälen wechselnde Filme kostenfrei zur Verfügung.

Filmstill von „1. April 2000“
Filmarchiv Austria
In der aberwitzigen Austro-Utopie „1. April 2000“ hat man sich mit der andauernden Besatzung arrangiert

Liebe auf Distanz

Liebe auf Distanz ist in Zeiten der Ausgangsbeschränkung für viele Paare eine Realität; als vielschichtiger Film über eine Beziehung zwischen Briefen empfiehlt sich Ruth Beckermanns „Die Geträumten“ über den Austausch zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan. Zu sehen ist der mehrfach preisgekrönte Film im Kino VOD Club, der Arthouse-Filme und vor allem österreichisches Kino bietet. Wer über die Website seines liebsten Arthouse-Kinos einsteigt, beschert dem Kino 30 Prozent des Preises. Zum Ausprobieren: Der Code VOD2020 gilt nach dem Registrieren als Gutscheincode für den ersten ausgeliehenen Film.

Das Österreichische Filmmuseum bietet wissenschaftliche Materialien zu den Beständen: Wer Lust hat, kann sich durch Wochenschauen aus den Jahren 1935 bis 1937 oder durch Videoessays schmökern, oder die raren, auf Deutsch und Englisch untertitelten Wochenschaueditionen des Kinopioniers Dziga Vertov sichten.

Üblicherweise zeigt der österreichische Verleih Sixpackfilm einmal im Monat im Metro-Kinokulturhaus in der „Living Collection“ ein Programm aus mehreren Kurzfilmen. Diese Veranstaltungen müssen jetzt pausieren – dafür ist die „Living Collection“ jetzt jeden Montag im Monat österreichweit als kostenloser Videostream verfügbar: Am 6. April von 19 bis 23 Uhr ist hier eine Sammlung von Kurzfilmen zu sehen, kuratiert von Studierenden der Akademie der bildenden Künste.

Ausgewähltes aus Österreich und der Welt

Der kleine, feine österreichische Filmverleih „Filmgarten“ stellt eine ganze Reihe von Filmen aus seinem Portfolio zum Streaming auf der Plattform Vimeo zur Verfügung. Ein 48 Stunden gültiger Filmlink ist um 3 Euro zu haben, das 14-stündige, international gefeierte Meisterwerk „La Flor“ kostet 9 Euro und ist 30 Tage lang verfügbar. Als Programm für Ausnahmezeiten empfehlen sich Lukas Valenta Rinners dystopischer Film „Los decentes – Die Liebhaberin“ über das schräge Nebeneinander eines Nudistenparadieses und einer privilegierten Gated Community, und Ivette Löckhers persönliche Doku „Was uns bindet“ über das pragmatische Wohnarrangement ihrer geschiedenen Eltern.

Die internationale Streamingplattform MUBI hat seit Jahren Hunderte cineastische Lang- und Kurzfilme, Historisches und Ungewöhnliches im ständig wechselnden Angebot. Zum Ausprobieren gibt’s eine Woche MUBI gratis. Ab 5. April ist hier ein Programm der Fondazione Prada zu sehen – unter dem Titel „Perfect Failures“ – Filme, die bei ihrem Kinostart scheiterten, aufregten oder entsetzten, aber inzwischen als Meisterwerke gelten. In der Liste sind Titel wie Billy Wilders „Fedora“, Kelly Reichardts Ökothriller „Night Moves“ und Paul Verhoevens „Showgirls“.

Filmstill von „Showgirls“
Fondazione Prada
Beim Kinostart verpönt, inzwischen ein Klassiker: Paul Verhoevens „Showgirls“

Alle können mitstimmen: Von 23. bis 26. April organisiert die Akademie des Österreichischen Films in Kooperation mit der Europäischen Filmakademie den EFA Young Audience Award in Österreich und sucht dafür Teilnehmerinnen und Teilnehmer zwischen 12 und 14 Jahren. Wer mitentscheiden möchte, welcher der drei eingereichten europäischen Filme zum besten europäischen Jugendfilm gewählt wird, muss sich für die Onlinejury anmelden. Die Teilnahme ist kostenlos.

Wer es bisher noch nicht wusste, konnte es allerspätestens bei den Oscars 2020 erfahren: Die koreanische Kinolandschaft ist eine der aufregendsten und fruchtbarsten der Welt. Dass erst der Erfolg von Bong Joon Hos drastischer Gesellschaftssatire „Parasite“ weltweite Aufmerksamkeit auf das Filmschaffen des Landes gelenkt hat, ist ein großes Versäumnis. Nun hat das Filmarchiv in Seoul auf seinem YouTube-Kanal Dutzende koreanische Filmklassiker des Zwanzigsten Jahrhunderts mit englischen Untertiteln hochgeladen, darunter gleich sieben von Bongs Liste seiner zehn koreanischen Lieblingsfilme.

Von der Diagonale nach Seoul

Mit Flimmit hat der österreichische Film bereits seit Jahren ein bewährtes Online-Zuhause. Hier sind nicht nur aktuelle Filme zu sehen, sondern auch Nostalgisches und Fernsehserien – und derzeit wird hier auch ein Teil der abgesagten Diagonale nachgefeiert. Das ist nicht nur eine gute Gelegenheit, um das Festival des Österreichischen Films von der Couch aus zu begehen, sondern generell, um Flimmit auszuprobieren und sich auf der Plattform umzusehen: Mit dem Aktionscode 2020-DIAGONALE kostet das Monatsabo nur 4,99 Euro.

La Cinethek wurde vor fünf Jahren in Frankreich von den Filmschaffenden Pascale Ferran, Laurent Cantet und Cedric Klapisch gegründet, um ein Gegengewicht zu den kommerziellen Streamingplattformen zu schaffen und Filmklassiker aus aller Welt legal zugänglich zu machen. Inzwischen gibt es La Cinethek auch deutschsprachig und in Österreich, ein wunderbarer Platz im Internet, um Filme nachzuholen und wiederzuentdecken. Wer auf keine solide DVD-Sammlung zurückgreifen kann, ist hier gut bedient und kann sich entlang der Filmempfehlungen von Lieblingsregisseurinnen und -Regisseuren wie Agnes Varda, Dario Argento und Celine Sciamma durchs Angebot blättern.

Konzipiert ist „Dot Dot Dot“ als sommerliches barrierefreies Open-air-Kurzfilmfestival im Juli und August. Doch spezielle Zeiten verlangen außergewöhnliche Maßnahmen, also hat sich das Festivalteam zu einem besonderen Angebot entschlossen: Sowohl für Menschen ab vier Jahren als auch für Erwachsene findet sich auf der Website ein täglicher Kurzfilm, aus Österreich oder international.

Feines Kurzfilmprogramm und Berliner Streaming

Es hilft ja nichts, Festivals müssen abgesagt werden. Oder hilft doch etwas? Um dem Absagefrust zu trotzen, haben sich unter dem Titel „My Darling Quarantine“ Kurzfilmfestivalprogrammleute unter anderem aus Cannes, Venedig, Berlin und Locarno und vom Vienna Short Film Festival zusammengetan und stellen jede Woche sieben Kurzfilme vor. Die Hälfte der dabei gesammelten Spenden geht an die Ärzte ohne Grenzen, die andere Hälfte an Kulturinstitutionen, die finanziell vom Virus betroffen sind.

Das Kino Arsenal in Berlin ist kein Durchlauferhitzer jener Filme, die halt eh anlaufen, sondern ein Ort, an dem echtes Kuratieren und echter Austausch stattfindet, und von Beginn an wichtigster Austragungsort des Berlinale Forums. Während der Schließzeit der physischen Säle hat das Kino nun den bisher zahlenden Mitgliedern vorbehaltenen Streamingkanal arsenal 3 für alle geöffnet. Wer das Angebot unterstützen möchte, kann spenden, damit die Filmschaffenden trotz Krisenzeit für ihre Lizenzen bezahlt werden können.