Bachmannpreis Spezial

Otoos Rede zur Literatur:
Schreiben als Kampf gegen Missstände

In ihrer Rede zur Literatur im Rahmen der Eröffnung der 44. Tage der deutschsprachigen Literatur „Dürfen Schwarze Blumen Malen?“ sprach sich Sharon Dodua Otoo für einen sensiblen Umgang mit Sprache aus, um Rassismus zu entgegnen.

Die Rede der Bachmannpreisträgerin 2016 Otoo bestach durch ihre Struktur. Die gesamte Rede war eine Aneinanderreihung von Kommentaren zu den politischen Implikationen der im Titel gestellten Frage „Dürfen Schwarze Blumen Malen?“.

Sie erinnerte an die Kämpfe um rechtliche und soziale Gleichstellung von Schwarzen weltweit. Diese Kämpfe bildeten sich auch in der Sprache ab. Für einen „respektvollen Umgang mit unserer gemeinsamen deutschen Sprache“ gäbe es „Lösungen und Angebote“.

Jenseits des „Dudens“

Zu oft werde am „Duden" festgehalten, der die Nuancen, die für einen gerechten sprachlichen Umgang miteinander nötig sei, nicht immer zulasse. „Wenn Sie nicht verwechselt werden wollen mit einer Person, die Selbstbestimmung für überflüssig hält, oder gar mit einer Person, die eine alleinige Deutungshoheit für sich beansprucht, plädiere ich dafür, Sprache als eine Post-it-Note zu begreifen“, sagte Odoo.

„Als ständige Erinnerung daran, dass Diskriminierung existiert und dass unsere eigene Haltung dazu in der Wortwahl oder der Schreibweise deutlich werden kann“, fuhr sie fort. Weiters wunderte sie sich über die Kontroverse über den kamerunischen Historiker und Philosophen Achille Mbembe, dem Antisemitismus vorgeworfen werde, es sei unabdingbar, „die Kämpfe gegen Antisemitismus und Anti-Schwarzen-Rassismus zusammenzudenken“.

Im Schatten von Chinua Achebe

Sie selbst wolle in ihrem Schreiben „auf gesellschaftliche Misstände hinweisen“. Das stelle sie in die Tradition von Geoffrey Chaucer, Charles Dickens, Bertolt Brecht und Heinrich Böll. Dann spielte sie auf den Nobelpreisträger Peter Handke an: „Ich komme vielleicht nicht von Homer, aber ich schreibe im warmen Schatten des nigerianischen Autors Chinua Achebe“, so Otoo.

Gegen Ende adressierte sie die Bedingungen von Kunstproduktion unter den Bedingungen sozialer Ungelegenheit: „Blumen malen, ganz ohne Rücksicht auf fehlende Kitabetreuung, finanzielle Einbußen, gesundheitliche Risiken oder rassistische Aggressionen. Für manche von uns der ganz normale entspannte Alltag – und für viele von uns: eine radikale Vorstellung.“

Sie schloss mit der Beantwortung der Frage im Titel:„ Verehrtes Publikum: „Dürfen Schwarze Blumen Malen?“ Ja. Je mehr, desto besser. Haben Sie vielen Dank!“

Die Reihenfolge für die drei Lesetage

Außerdem wurde im Rahmen der Eröffnung die bedeutsame Lesereihenfolge für die nächsten drei Tage ausgelost. Der Zeitplan sieht wie folgt aus.

Bachmannpreis Lesereihenfolge 2020

Donnerstag, 18. Juni
10.00 Uhr Jasmin Ramadan
11.00 Uhr Lisa Krusche
12.00 Uhr Leonhard Hieronymi
13.30 Uhr Carolina Schutti
14.30 Uhr Jörg Piringer

Freitag, 19. Juni
10.00 Uhr Helga Schubert
11.00 Uhr Hanna Herbst
12.00 Uhr Egon Christian Leitner
13.30 Uhr Matthias Senkel
14.30 Uhr Levin Westermann

Samstag 20. Juni
10.00 Uhr Lydia Haider
11.00 Uhr Laura Freudenthaler
12.30 Uhr Katja Schönherr
13.30 Uhr Meral Kureyshi

Wrabetz: „Erfüllung des Auftrages als Kulturvermittler“

ORF Generaldirektor Alexander Wrabetz sagte in seiner Videobotschaft während der Eröffnung, er sehe in der Durchführung des Bachmannpreises die „Erfüllung unseres Auftrages als Kulturvermittler“. Er selbst verfolge die Tage der deutschsprachigen Literatur seit vielen Jahren, und wünschte für die Digitalausgabe gutes Gelingen.

Videobotschaft von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz

Die Kärntner Landesdirektorin Karin Bernhard spielte auf Giuseppe Tomasi di Lampedusas Roman „Der Gattopardo“ an, in dem es heißt: „Wenn alles bleiben soll, wie es ist, muß sich alles ändern.“ Nun habe sich alles geändert, so Bernhard. Sie sprach von einem Perspektivenwechsel im Angesicht der Coronavirus-Krise und führte drei Gründe für die Durchführung des Bachmannpreises Spezial an.

Rede von ORF-Landesdirektorin Karin Bernhard

Erstens sei es mit Ludwig Wittgenstein gesprochen, die Aufgabe von Autorinnen und Autoren gegen die Grenzen der Welt anzuschreiben, die sich in der Begrenztheit der Sprache zeige. Das sei gerade in der aktuellen Situation wichtig. Zweitens berge nach dem Juryvorsitzendem Hubert Winkels die Digitalausgabe „Hoffnung auf Hochkonzentration“, eine wichtige Tugend, die so oft der Betriebsamkeit zum Opfer falle, so Bernhard.

Schließlich zitierte sie einen Aphorismus von Arnold Schönberg: „Kunst ist der Notschrei jener, die an sich das Schicksal der Menschheit erleben.“ Das sei gerade jetzt notwendig.