So sei die Offensive im Donbas ins Stocken geraten, und die Russen zögen sich aus der Gegend um Charkiw zurück. Zudem sei die geplante Eroberung Kiews gescheitert. „Russland erreicht seine strategischen Ziele nicht“, ergänzte Stoltenberg. Die NATO sei stärker denn je.
London: Große Verluste bei Russen
Nach Ansicht britischer Geheimdienstfachleute haben die russischen Streitkräfte in der Ukraine ein Drittel ihrer im Februar eingesetzten Bodenkampftruppen verloren. Verschärft werde das durch den Verlust von entscheidendem Material zum Brückenbau und zur Aufklärung.
„Die russischen Streitkräfte sind zunehmend eingeschränkt durch zerstörte Fähigkeiten zur Versorgung, anhaltend niedrige Kampfmoral und reduzierte Kampfkraft“, hieß es am Sonntag aus dem britischen Verteidigungsministerium. Die russische Offensive im Donbas habe ihren Schwung verloren und liege erheblich hinter dem Zeitplan zurück.
Trozt anfänglicher Fortschritte zu Beginn habe Russland im vergangenen Monat keine substanziellen Gebietsgewinne gemacht. Die Abnutzung sei aber dennoch hoch gewesen. „Unter den derzeitigen Bedingungen ist es unwahrscheinlich, dass Russland seine Vorstöße in den kommenden 30 Tagen dramatisch beschleunigt“, so das Fazit der Fachleute.
Selenskyj: Lage im Donbas „schwierig“
Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj berichtet, dass die Lage in der ostukrainischen Region Donbas für die Ukraine „sehr schwierig“ sei. Die russischen Truppen versuchten, dort „wenigstens einen gewissen Sieg“ vorweisen zu können, sagte er. Selenskyj verwies darauf, dass Russland bereits seit 80 Tagen versuche, die Ukraine einzunehmen. Der Präsident zeigte sich zuversichtlich: „Schritt um Schritt zwingen wir die Besatzer, unser Land zu verlassen.“
Insbesondere aus den Regionen Luhansk und Donezk werden heftige Gefechte gemeldet. Wie das ukrainische Militär in einem Update auf Facebook mitteilte, bleibe die Situation weiter schwierig, sie sei aber unter Kontrolle. Soldatinnen und Soldaten hätten bis in den späten Samstagabend hinein auch in der Donbas-Region zwölf Angriffe zurückgeschlagen und dabei acht Panzer, fünf Artilleriesysteme, neun gepanzerte Kampffahrzeuge sowie sechs Drohnen zerstört.
Selenskyj stellte eine Verbindung zwischen der Unterstützung für die Ukraine und der globalen Nahrungsmittelversorgung her. Die Ukraine gehört unter anderem zu den wichtigsten Weizenlieferanten. Mehr und mehr Länder verstünden, dass Russland mit der Blockade ukrainischer Häfen und der Fortsetzung des Krieges für Dutzende Staaten eine Krise auf dem Lebensmittelmarkt oder gar Hungersnot auslösen könne, sagte Selenskyj.
Kuleba skeptisch zu Waffenstillstand
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba äußerte sich unterdessen skeptisch zu einem Waffenstillstand mit Russland. „Es gibt nichts Schlechtes an einem Waffenstillstand, wenn er der erste Schritt hin zu einer Lösung wäre, wo das ukrainische Staatsgebiet befreit wird“, sagte Kuleba am Samstagabend in einem Interview mit Bild TV. „Wir werden uns aber nicht damit abfinden, dass es eine Teilabtrennung von Territorium gibt.“
Man sei bereit für Diplomatie, aber werde es nicht zulassen, dass Diplomatie das Leiden verlängere und die nächste Phase des Krieges einfach nur vertage. Die Deutschen rief Kuleba auf, die Folgen der Sanktionen gegen Russland in Kauf zu nehmen: „Manchmal ist es günstiger, einem anderen zu helfen und eine kurze Zeit der Entbehrung auszuhalten, anstatt zu Hause zu sitzen, Fernsehen zu schauen und nichts zu machen, einfach zuzulassen, dass das Problem schließlich an die eigene Tür klopft.“
Debatte: Wie Frieden erreichen?
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine nimmt kein Ende – eine Lösung ist nicht in Sicht. Wie kann Russlands Präsident Wladimir Putin an den Verhandlungstisch geholt werden? Wie lässt sich Frieden besser durchsetzen: mit militärischer Stärke oder Diplomatie? Wiederholen sich jetzt die Debatten des Kalten Krieges?
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