Moskau hat bezüglich eines möglichen Austauschs bisher aber noch keine Entscheidung verkündet. In Russland soll unterdessen das ukrainische Asow-Regiment, dessen Mitglieder zu den in Mariupol gefangen genommenen Kämpfern zählen, als „terroristische Organisation“ eingestuft werden. Ein entsprechender Gerichtsprozess sollte ursprünglich am Donnerstag beginnen – wurde aber auf Ende Juni verschoben. Inwiefern die Einstufung die Mariupoler Kämpfer betreffen könnte, bleibt bisher offen.
Sjewjerodonezk droht Mariupol-Schicksal
Die Stadt Sjewjerodonezk im Osten der Ukraine droht indes das nächste Mariupol zu werden. Seit eineinhalb Wochen stehe die Stadt unter russischem Dauerbeschuss, sagte Oleksandr Stryuk, der Leiter der örtlichen militärisch-zivilen Verwaltung. 90 Prozent der Häuser seien beschädigt. Von den einst 100.000 Einwohnern wären nur mehr ein Bruchteil in der Stadt. Den ukrainischen Truppen droht die Einkesselung.
Laut Stryuk halten sich noch etwa 12.000 bis 13.000 Menschen in der Stadt auf, von denen viele in Kellern Schutz suchen. Zuvor hatte Gouverneur Serhij Gajdaj die Zahl der Verbliebenen auf 15.000 geschätzt. Dabei handelt es sich vor allem um ältere Menschen. Die Straße von Bachmut nach Sjewjerodonezk sei zwar unter Beschuss geraten, humanitäre Hilfe komme aber immer noch durch. Nehmen die russischen Truppen die Straße ein, wäre Sjewjerodonezk eingekesselt.
Selenskyj: Russland „deutlich überlegen“
Russische Truppen sind bereits in Vororte der Industriestadt vorgedrungen. Moskau hatte die Offensive rund um Sjewjerodonezk in den vergangenen Tagen enorm ausgeweitet. Die Stadt und ihre Nachbarstadt Lyssytschansk sind die letzten Orte in der Region Luhansk, in der die Ukraine noch Widerstand gegen die russischen Truppen leistet.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj räumte in seiner Ansprache in der Nacht zum Donnerstag ein, dass in dem Frontabschnitt „der Feind in Bezug auf die Ausrüstung und die Anzahl der Soldaten deutlich überlegen“ sei. Die eigenen Streitkräfte hielten der „äußerst gewalttätigen Offensive“ jedoch noch stand.
Debatte: Wie Frieden erreichen?
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine nimmt kein Ende – eine Lösung ist nicht in Sicht. Wie kann Russlands Präsident Wladimir Putin an den Verhandlungstisch geholt werden? Wie lässt sich Frieden besser durchsetzen: mit militärischer Stärke oder Diplomatie? Wiederholen sich jetzt die Debatten des Kalten Krieges?
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