Die beiden Blöcke hätten nur vorübergehend heruntergefahren werden müssen, nachdem aufgrund von ukrainischem Beschuss ein Feuer ausgebrochen sei, schrieb der russische Besatzungschef der Region, Jewgeni Baliski, auf Telegram.
Baliski erklärte weiter, die Versorgung der Menschen in den umliegenden Regionen, die zwischenzeitlich von einem erheblichen Stromausfall betroffen waren, werde in Kürze wieder gewährleistet. Zuvor hatte auch der geflohene ukrainische Bürgermeister von Enerhodar, Dmytro Orlow, berichtet, die Stromversorgung der Kleinstadt, in der das AKW liegt, werde schrittweise wieder hergestellt.
Gegenseitige Beschuldigungen
Kiew und Moskau haben sich zuletzt immer wieder gegenseitig für den Beschuss von Europas größtem Atomkraftwerk verantwortlich gemacht. Den Angaben der ukrainischen Betreibergesellschaft Energoatom zufolge sind mittlerweile alle vier Versorgungslinien des Kraftwerks durch russischen Beschuss beschädigt worden.
Die Anlage, die sich nicht weit von der von Russland annektierten Halbinsel Krim befindet, verfügt über insgesamt sechs der 15 Reaktoren der Ukraine, die vier Millionen Haushalte mit Strom versorgen können. Die russische Armee hatte das Kraftwerk am 4. März eingenommen.
Inspektion „nah“
In den vergangenen Wochen war das größte AKW Europas mehrfach unter Beschuss geraten, was Ängste vor einer Atomkatastrophe schürte. Beide Kriegsparteien machen einander für den Beschuss verantwortlich.
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hatte nur kurz zuvor gemeldet, dass man kurz vor einer Vereinbarung für eine Inspektion des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja stehe. „Wir sind sehr, sehr nah dran“, sagte IAEA-Chef Rafael Grossi dem TV-Sender France 24. Die UNO-Behörde hatte angekündigt, im Falle einer Einigung mit der Ukraine und Russland, binnen weniger Tage Experten zu der Anlage in Saporischschja zu entsenden. Das AKW ist seit März von russischen Soldaten besetzt, wird aber weiter von ukrainischen Technikern betrieben.
Der „Guardian“ berichtete außerdem von einem russischen Notfallplan, der vorsieht, das AKW im Falle heftiger Gefechte und der Gefährdung wichtiger Leitungen vom Stromnetz der Ukraine zu trennen. Dadurch würde ein katastrophaler Ausfall seiner Kühlsysteme riskiert, warnt Petro Kotin, der Leiter des ukrainischen Atomenergieunternehmens.
EU verurteilt russischen „Raketenterror“
Die Europäische Union verurteilte unterdessen den russischen Angriff auf einen Bahnhof in der Ukraine mit mindestens 25 Toten scharf. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sprach auf Twitter von einem „abscheulichen Angriff Russlands auf Zivilisten“ am ukrainischen Unabhängigkeitstag.
„Die Verantwortlichen für den russischen Raketenterror werden zur Rechenschaft gezogen“, betonte er. Russland bekannte sich zu dem Angriff, gab aber an, einen Waffentransportzug getroffen zu haben. Von zivilen Opfern will Moskau nichts wissen.
Österreich lehnt allgemeinen Visastopp für Russen ab
Österreich sieht eine mögliche Einreisesperre für russische Touristen skeptisch und hält sie für kontraproduktiv. „Mit einem allgemeinen Visastopp wären noch vorhandene Kontakte zu der russischen Zivilgesellschaft kaum mehr möglich. Damit würden die Zivilgesellschaft und Oppositionelle, aber auch zum Beispiel Angehörige von Österreichern und Österreicherinnen aus der EU ausgesperrt“, teilte das Außenministerium auf APA-Anfrage mit.
Wie wird sich der Krieg entwickeln?
Der Ukraine-Krieg dauert bereits ein halbes Jahr, die Konsequenzen sind gravierend. Derzeit zeichnet sich weder eine militärische, noch eine Verhandlungslösung ab. Welche Schritte braucht es an diesem Punkt des Krieges? Wo ist die Politik – Stichwort Energie – auch abseits des Kriegsgeschehens gefordert? Wie wird sich der Krieg entwickeln?
Diskutieren Sie mit in debatte.ORF.at !