Die Referenden gelten als Reaktion auf die ukrainische Gegenoffensive im Osten des Landes. Auf ähnliche Weise annektierte Russland 2014 die ukrainische Halbinsel Krim. International wurde die Abstimmung nicht anerkannt, auch diesmal ist eine Anerkennung nicht in Sicht.
Zuvor hatte der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew Beitrittsreferenden in den von Moskau besetzten Gebieten in der Ukraine gefordert, um diese unwiderruflich an Russland anzugliedern. „Nach ihrer Durchführung und der Aufnahme der neuen Territorien in den Bestand Russlands nimmt die geopolitische Transformation in der Welt unumkehrbaren Charakter an“, schrieb er heute auf Telegram.
Russland könne nach dem Beitritt der Gebiete „alle Mittel des Selbstschutzes“ anwenden. Russische Kommentatoren wiesen darauf hin, dass das Atomwaffen einschließe. Die russische Politologin Tatjana Stanowaja meinte, dass sich der russische Staatschef Wladimir Putin nach dem Scheitern seiner ursprünglichen Pläne, die Gebiete rasch einzunehmen, zu den Beitrittsreferenden entschieden habe.
Warnung vor „verheerender Niederlage“
Zuletzt musste der Kreml eine empfindliche Niederlage hinnehmen, die russischen Truppen zogen sich nach ukrainischen Angriffen fast völlig aus dem Gebiet Charkiw zurück. Die Staatspropaganda warnte vor einer möglichen verheerenden Niederlage in dem Krieg.
Der Kreml könnte nun darauf setzen, mit den Referenden innenpolitisch die Bevölkerung zu mobilisieren – eventuell sogar durch Ausrufung des Verteidigungsfalls. Derzeit leidet das russische Militär in der Ukraine an Personalmangel. Die eingesetzten Soldaten auf Vertragsbasis haben nicht genügend Ressourcen für den Krieg, der in Moskau immer noch „militärische Spezialoperation“ genannt wird.
Erdogan fordert Rückgabe von Gebieten
Unterdessen hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Rückgabe der von Russland besetzten Gebiete an die Ukraine gefordert. „Wenn in der Ukraine Frieden hergestellt werden soll, wird natürlich die Rückgabe des besetzten Landes wirklich wichtig. Das wird erwartet“, sagte Erdogan in einem vom US-Sender PBS am Abend veröffentlichten Interview. „Die besetzten Gebiete werden an die Ukraine zurückgegeben“, so Erdogan – das habe auch für die Krim zu gelten.
Erdogan sagte zudem, er sei der Ansicht, dass derPutin ein Ende des von ihm begonnenen Krieges in der Ukraine anstrebe. In einem Interview sagte er, sein Eindruck aus den jüngsten Gesprächen mit Putin sei, dass dieser „die Sache so schnell wie möglich beenden“ wolle. Die Ukraine eroberte zuletzt größere Teile ihres Territoriums zurück – Erdogan sagte, dass die Lage für Russland „ziemlich problematisch“ sei.
Kiew meldet weitere Vorstöße in Luhansk
Die ukrainischen Streitkräfte haben nach eigenen Angaben die vollständige Kontrolle über das Dorf Bilohoriwka in der russisch kontrollierten Region Luhansk wiedererlangt. Gewertet wird das freilich als symbolischer Schritt in Richtung der angekündigten Rückeroberung des gesamten Gebiets. Kiew erhöht damit jedenfalls den Druck und meldet weitere Vorstöße in Luhansk.
Der ukrainische Gouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj, schrieb auf Telegram, die ukrainischen Streitkräfte hätten die vollständige Kontrolle über Bilohoriwka wiedererlangt. Von russischer Seite war von sieben Toten infolge der ukrainische Offensive die Rede. Hajdaj sagte, es werde um jeden Zentimeter gekämpft werden: „Der Feind bereitet seine Verteidigung vor. Wir werden also nicht einfach einmarschieren.“
Nach den Worten des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj will sich Kiew darauf konzentrieren, in den zurückeroberten Gebieten schnell voranzukommen. Die ukrainischen Truppen müssten sich weiterhin schnell bewegen, das normale Leben schnell wiederhergestellt werden, forderte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache.
Wie wird sich der Krieg entwickeln?
Der Ukraine-Krieg dauert bereits ein halbes Jahr, die Konsequenzen sind gravierend. Derzeit zeichnet sich weder eine militärische, noch eine Verhandlungslösung ab. Welche Schritte braucht es an diesem Punkt des Krieges? Wo ist die Politik – Stichwort Energie – auch abseits des Kriegsgeschehens gefordert? Wie wird sich der Krieg entwickeln?
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