In dieser besonderen Situation nur darauf zu verweisen, dass jeder, der es schaffe einzureisen, einen Asylantrag stellen könne, sei nicht ausreichend. In jedem einzelnen Fall müssten vor einer Aufnahme aber immer die Beweggründe des mutmaßlichen Kriegsdienstverweigerers geprüft werden, so Hebestreit. Denn es müsse sichergestellt werden, dass derjenige, der aufgenommen wird, niemand sei, der sich im Auftrag der russischen Staatsmacht nach Europa bewege.
UNO-Kommission: Kriegsverbrechen in Ukraine
Eine UNO-Untersuchungskommission stellte verschiedene russische Kriegsverbrechen in der Ukraine fest. Die Fachleute dokumentierten unter anderem sexuelle und geschlechtsbezogene Gewalttaten russischer Soldaten, wie der Kommissionsvorsitzende Erik Mose heute in einem ersten mündlichen Zwischenbericht sagte. Auch Kinder seien „vergewaltigt, gefoltert und illegal festgehalten“ worden. Die Opfer der Verbrechen seien zwischen vier und 82 Jahre alt, sagte Mose im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf.
Die Untersuchung der Menschenrechtsexperten und -expertinnen konzentrierte sich vorerst auf die Anfangsphase der Invasion im Februar und März und auf die Regionen Kiew, Tschernihiw, Charkiw und Sumy. Bei Besuchen an diesen Kriegsschauplätzen fiel der Kommission eine hohe Zahl an Exekutionen auf.
Opfer seien oft vor ihrem Tod festgenommen und gefesselt worden. Tote wiesen Schusswunden in den Köpfen und aufgeschlitzte Kehlen auf. Derzeit liefen Untersuchungen in 16 Orten, hieß es weiter in dem Bericht, der keine Opferzahl nannte.
„Folter während Gefangenschaft“
„Zeugen haben übereinstimmend über Folter und Misshandlungen während rechtswidriger Gefangenschaft berichtet“, sagte Mose. Manche Opfer sagten aus, dass sie nach Russland gebracht und dort wochenlang festgehalten wurden. Zu den Foltermethoden gehörten Schläge und Elektroschocks. Die Kommission dokumentierte auch zwei Fälle, in denen russische Soldaten von ukrainischen Einheiten misshandelt wurden.
„Aufgrund der gesammelten Beweise kommt die Kommission zu dem Schluss, dass Kriegsverbrechen in der Ukraine begangen worden sind“, sagte Mose. Der ehemalige Präsident des Völkermordtribunals für Ruanda und sein Team wollen ihren Abschlussbericht im März 2023 vorlegen.
Scheinreferenden in besetzten Gebieten
In vier von Russland besetzten ukrainischen Gebieten sind unterdessen die Scheinreferenden über einen Beitritt zu Russland angelaufen. Die Abstimmungen unter Kriegsrecht in Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja sind ohne Chance auf breite internationale Anerkennung. Es handelt sich um Scheinreferenden, weil sie ohne Zustimmung der Ukraine, unter Kriegsrecht und nicht nach demokratischen Prinzipien ablaufen.
Mit der von ihr initiierten Teilmobilmachung stößt die Führung in Moskau derweil auch im eigenen Land auf Widerstand. Angesichts der vom Kreml verkündeten Mobilisierung versuchen viele junge Männer, sich aus Russland abzusetzen. Zudem gab es in Moskau, Sankt Petersburg und anderen Städten des Landes Proteste gegen den erzwungenen Dienst an der Waffe – und Hunderte Festnahmen.
Wie fern ist Frieden?
Russland reagierte auf die erfolgreiche Offensive der Ukraine im Osten des Landes nun mit einer Teilmobilmachung. Ob das militärisch schnell Folgen zeitigt, wird von Militärexperten aber infrage gestellt. Wie wird sich der Krieg in den kommenden Wochen und dann im Winter weiterentwickeln? Welche Folgen hat die Teilmobilmachung für die Stimmung in Russland? Wie weit ist Frieden in die Ferne gerückt?
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