Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar und der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu haben russischen Angaben zufolge am Nachmittag miteinander telefoniert. Akar sei auch mit dem ukrainischen Verteidigungsminister Olexij Resnikow in Kontakt, teilte das türkische Ministerium zuvor mit. „Die Aussetzung dieser Initiative wird niemandem etwas nutzen“, betreffe aber die ganze Menschheit, so Akar.
Trotz der angekündigten Aussetzung des Getreideabkommens kann der Export nach Lesart der Vereinten Nationen weitergehen, wie UNO-Nothilfekoordinator Martin Griffiths am Montag sagte. Er betonte, dass sich Russland von der Vereinbarung nicht zurückgezogen, sondern nur „vorübergehend“ seine Aktivitäten eingestellt habe. Das Abkommen war im Juli von der UNO und der Türkei vermittelt worden. Russland hatte es am Samstag ausgesetzt und das mit ukrainischen Drohnenangriffen auf seine Schwarzmeer-Flotte auf der Halbinsel Krim begründet.
Russland scheint das aber anders zu sehen und will die Passage nicht zulassen. Die Vereinbarung könne „nicht ohne uns umgesetzt werden“, so der russische UNO-Botschafter Wassili Nebensja. Gleichzeitig könne Moskau „eine ungehinderte Passage von Schiffen ohne unsere Inspektion nicht zulassen“, sagte Nebensja.
Kreml: Keine Garantie für Getreideexporte
Auf Grundlage der bisherigen Vereinbarungen werden die Frachter zunächst von ukrainischen Schiffen durch vermintes Gebiet in internationale Gewässer gelotst. Dann fahren sie weiter in den vereinbarten Seekorridor. Auch an den Exporten beteiligte Häfen dürfen laut Abkommen nicht angegriffen werden. Die UNO, Ankara und Kiew einigten sich am Sonntag darauf, die Transporte auch ohne Mitwirkung Russlands fortzusetzen.
Der Kreml zeigte sich darüber verärgert, störte den Schiffsverkehr im Getreidekorridor zunächst aber nicht. Wenn Russland sage, es könne die sichere Schifffahrt in diesem Seegebiet nicht garantieren, sei die internationale Vereinbarung über die Ausfuhren „nicht so leicht umzusetzen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow in Moskau nach Angaben russischer Agenturen. Die Getreideinitiative nehme dann „einen anderen Charakter an, viel riskanter, gefährlicher und ohne Garantie“.
Die Schiffe auf dem Weg von oder in ukrainische Häfen wurden bisher in einem gemeinsamen Koordinierungszentrum in Istanbul kontrolliert – durch Teams aus ukrainischen, russischen, türkischen und UNO-Vertretern. Ab Montag sollten nur noch Vertreter der UNO und der Türkei kontrollieren. Die Ukraine stimmte dem zu. Die russischen Vertreter seien davon in Kenntnis gesetzt worden, hieß es.
Kiew zu großen Teilen ohne Wasser
Unterdessen setzte Russland am Montag den Beschuss zahlreicher ukrainischer Städte fort. In der ukrainischen Hauptstadt Kiew kam es dadurch zu einem großflächigen Stromausfall. 350.000 Haushalte seien betroffen, teilte Bürgermeister Witali Klitschko mit. Auch große Teile der Wasserversorgung fielen aus.
Was droht noch?
Russlands Präsident Wladimir Putin hat mit den schweren Raketenangriffen auf zivile Ziele in der Ukraine den Krieg weiter eskalieren lassen. Seit der Invasion in die Ukraine droht Russland immer wieder mit dem Einsatz von Atomwaffen. Wie hoch ist das Risiko eines Atomkrieges? Wie könnte eine diplomatische Lösung aussehen? Welcher Ausweg aus der Spirale der Eskalation wäre realistisch?
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