Fortnite-Artwork
Epic Games, Inc.
Videospiel-Hype

Das Erfolgsrezept hinter „Fortnite“

Nicht nur aus Kinderzimmern ist „Fortnite“ momentan nicht wegzudenken. Mittlerweile folgen dem Hype um das Computerspiel zig Millionen Spielerinnen und Spieler aus aller Welt. Während die Begeisterung für Uneingeweihte, vor allem Eltern, oft nur schwer nachzuvollziehen ist, ist der Erfolgslauf von „Fortnite“ kein Zufall. In Wien trägt am Wochenende das größte Turnier im deutschsprachigen Raum dem Hype Rechnung.

Auf den ersten Blick sieht „Fortnite“ wie ein weiteres typisches Ballerspiel aus, wenn auch deutlich bunter. Das Spielprinzip ist altbewährt: Angelehnt an den japanischen Roman und den darauf basierenden, für seine Brutalität bekannten Film „Battle Royale“ geht es in erster Linie darum zu überleben, indem man die restlichen Mitspielerinnen und Mitspieler eliminiert.

Um den Film herum entwickelte sich ein eigenes Genre, das nicht nur die „Hunger Games“-Reihe inspirierte, sondern auch zahlreiche Computerspiele hervorbrachte, deren Konzept „Fortnite“ ähnelt. Doch seit der Veröffentlichung im Sommer 2017 ist für die Konkurrenz kaum noch Platz auf dem Markt.

Im fliegenden Schulbus auf die Insel

Heute wirbt das für die Entwicklung zuständige Studio Epic Games mit über 100 Millionen Spielerinnen und Spielern, alleine im August sollen nach eigenen Angaben 78 Millionen „Fortnite“ gespielt haben. Ein Teil des Erfolgsgeheimnisses findet sich dabei schon in der Aufmachung des Spiels: Vom Blutrünstigen der Romanvorlage und vieler Konkurrenztitel ist im quietschbunten „Fortnite“ nämlich fast nichts mehr zu finden.

Stattdessen werden die bis zu hundert Spielfiguren zu Beginn per fliegenden Schulbus auf einer Insel ausgesetzt. Ein Sturm verkleinert in regelmäßigen Abständen den Platz, der Spielerinnen und Spielern zur Verfügung steht – überleben kann am Schluss nur einer der Charaktere.

Game City im Wiener Rathaus
ORF.at/Christian Öser
Im Rahmen der Game City findet am Wochenende das größte „Fortnite“-Turnier im deutschsprachigen Raum statt

Um zu gewinnen, gibt es zahllose Strategien: Die einen verstecken sich, die anderen suchen die direkte Konfrontation und schießen ihre Kontrahenten mit vergleichsweise realistisch wirkenden Waffen ab. Darüber hinaus können Häuser und Schutzmauern gebaut werden – sofern im Getümmel dafür Zeit bleibt. Nach rund einer halben Stunde steht normalerweise fest, wer den „Victory Royale“ geholt hat.

Kostüme als Einnahmequelle

Neben leicht verständlichen Spielregeln und Comic-Charme gibt es aber noch weitere Faktoren, die den Erfolgslauf von „Fortnite“, das Spiele wie „Minecraft“ aus Kinderzimmern verdrängte, erklären. Zum einen ist Epic Games kein unbeschriebenes Blatt in der Branche. Das Studio, das mittlerweile zum chinesischen Großkonzern Tencent gehört, zeichnet für den Shooter-Klassiker „Unreal“ ebenso verantwortlich wie für die nicht weniger brutale „Gears of War“-Reihe.

Zum anderen ist auch das Geschäftsmodell von „Fortnite“ an eine eher junge Zielgruppe angepasst. Denn als klassisches „Free-to-play“-Spiel braucht man zu Beginn nichts zu zahlen. Lukrativ ist das Modell dennoch: Vom Hersteller werden Kostüme und anderes Zubehör für die virtuelle Spielfigur verkauft – wer gut aussehen will, soll zahlen. Zuletzt wurden auch Haustiere hinzugefügt, die die Charaktere begleiten – ein weiteres Angebot an die jüngere Anhängerschaft.

Das Sortiment wechselt dabei täglich, entsprechend wenig darf bei Kaufentscheidungen gezögert werden. Das Prinzip ist anderen Spielen entlehnt, vor allem Games am Handy versuchen so, ihre Kundschaft auch finanziell an sich zu binden.

Rapper Drake und „Floss“-Tanz als Werbeträger

Den größten Anteil am Erfolg dürfte aber die große Anhängerschaft haben, die die Werbetrommel für Epic Games rührt. Bei Streamingdiensten wie der Amazon-Tochter Twitch liegt „Fortnite“ auf den Spitzenplätzen, Streamingpersönlichkeiten wie „Ninja“ locken Zehntausende Zuschauerinnen und Zuschauer an. Hellhörig wurden dadurch offenbar auch Berühmtheiten: So bekam „Ninja“ etwa Besuch vom kanadischen Rapper Drake – beim gemeinsamen „Fortnite“-Spielen wurde der Zuschauerrekord der Streamingplattform gebrochen.

Und war das Spiel erst selbst gefüllt mit popkulturellen Anspielungen, finden diese durch die Anhängerschaft wieder den Weg in die „reale“ Welt. Berühmtestes Beispiel ist wohl der „Floss“-Tanz: Bekannt wurde der Tanz ursprünglich durch den Auftritt eines Burschen bei Popstar Katy Perry. Epic Games ermöglichte den Spielfiguren, den „Floss“ zu tanzen – wahlweise als freundschaftliches Signal oder als Provokation des Gegners. Erst über „Fortnite“ wurde der Tanz jedoch zum popkulturellen Phänomen und fand seinen Weg in Schulklassen und sogar Fußballstadien.

Wien trägt größtes deutschsprachiges Turnier aus

Dem Hype wird seither auch bei E-Sports-Turnieren Rechnung getragen. So findet im Rahmen der Game City in Wien noch bis Sonntag das größte Turnier im deutschsprachigen Raum statt. Der Österreichische E-Sport-Verband (ESVÖ) erwartet insgesamt rund 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Wiener Rathaus. Im Gegensatz zu anderen Spielen gibt es keine Beschränkungen, wer mitmachen darf.

Game City im Wiener Rathaus
ORF.at/Christian Öser
Das Wiener Rathaus lädt am Wochenende Tausende Gaming-Fans zur größten Spielemesse Österreichs

Jedoch sind es vor allem Burschen, die an dem Turnier teilnehmen. ESVÖ-Gender-Beauftragte Yvonne Scheer, die das Turnier mitbetreut, sagte gegenüber ORF.at, dass das Geschlechterverhältnis beim E-Sport noch sehr unausgewogen ist: Nur „drei bis fünf Prozent“ seien Mädchen, so Scheer. Zwar zielt „Fortnite“ trotz seiner Shooter-Wurzeln nicht explizit auf Burschen ab, aber vor allem junge Frauen werden immer noch von ihren männlichen Mitspielern mit Vorurteilen konfrontiert, wie zahlreiche Frauen in der Szene bestätigen. E-Sports-Verbände weltweit gehen das Thema in den vergangenen Jahren verstärkt an – noch gibt es aber Aufholbedarf.

„Fortnite“ setzt sich in „Battle Royale“ durch

Ein baldiges Ende der „Fortnite“-Begeisterung zeichnet sich dennoch nicht ab. Zwar gibt es mehr als genug Konkurrenz für das Spiel, denn neben den bereits zuvor veröffentlichten Spielen wie „PlayerUnknown’s Battlegrounds“ gibt es nun auch zahllose Nachahmer. Doch angesichts der Dominanz auf Streamingplattformen und der Unterstützung durch zahlreiche Berühmtheiten wird es für andere Spiele schwer, Fuß zu fassen.

Zum Vergleich: „Minecraft“ wurde 2011 veröffentlicht – ob der Hype um „Fortnite“ auch mehrere Jahre anhält, ist zwar nicht klar. Das Geschäftsmodell dürfte den Bestand des Spiels aber lange Zeit sichern. Den „Floss“ brauchen Uneingeweihte und „Fortnite“-Skeptiker dennoch nicht mehr lernen – denn auch die Tänze werden, wie die Kostüme, regelmäßig durch neue Variationen ersetzt.