Justizgebäude in Washington
Reuters/Jim Bourg
„Informationskrieg“ gegen USA

Russin wegen Wahleinmischung angeklagt

US-Sicherheitsbehörden sind seit Langem davon überzeugt, dass Russland sich in US-Wahlen einmischt. Jetzt wird eine Russin angeklagt. Ihr angebliches Ziel: ein „Informationskrieg“ gegen die USA.

Die Staatsanwaltschaft im US-Bundesstaat Virginia hat eine Russin wegen mutmaßlicher Einmischung unter anderem in die bevorstehenden US-Kongresswahlen angeklagt. Es handle sich um eine 44-jährige Frau aus St. Petersburg namens Jelena Chusjaynowa, teilte das Justizministerium am Freitag mit. Der Staatsanwalt des östlichen Bezirks Virginias, Zachary Terwilliger, sagte: „Das strategische Ziel dieser mutmaßlichen Verschwörung, die bis heute andauert, ist es, Zwietracht im politischen System zu säen und das Vertrauen in unsere demokratischen Institutionen zu untergraben.“

Chusjaynowa soll als Chefbuchhalterin das Millionenbudget eines Projekts namens „Lachta“ verwaltet haben, das den Angaben des Justizministeriums zufolge „Einflusskampagnen“ unter anderem in den USA, in EU-Mitgliedsstaaten und in der Ukraine geführt haben soll. Selbst erklärtes Ziel des von einem russischen Oligarchen finanzierten Projekts sei ein „Informationskrieg“ gegen die USA gewesen. US-Sicherheitsbehörden sind überzeugt davon, dass Russland sich in die US-Präsidentenwahl 2016 eingemischt hat und dass entsprechende Versuche andauern.

Tausende Social-Media-Konten

Das Justizministerium teilte mit, an dem Projekt beteiligte Personen hätten ihre russische Herkunft verschleiert und Tausende E-Mail- und Social-Media-Konten angelegt, die gewirkt hätten, als würden sie von Amerikanerinnen und Amerikanern betrieben. Über diese Konten seien polarisierende gesellschaftliche und politische Inhalte geschaffen und verstärkt worden. Außerdem sei bei der US-Wahl 2016 und bei den bevorstehenden Kongresswahlen für oder gegen bestimmte Kandidaten geworben worden. Einige der Konten auf Sozialen Netzwerken hätten Zehntausende Follower gehabt und Zehntausende Beiträge veröffentlicht.

Dabei sei eine breite Palette kontroverser Themen wie etwa Waffenkontrolle, Einwanderung und Entscheidungen der Regierung von US-Präsident Donald Trump angesprochen worden, hieß es in der Mitteilung des Ministeriums weiter. „Mitglieder der Verschwörung“ seien unter anderem angewiesen gewesen, Spannungen durch die Unterstützung radikaler Gruppen zu schaffen und „den Konflikt zwischen Minderheiten und dem Rest der Bevölkerung zu verschärfen“.

Lob für Facebook und Twitter

Das Justizministerium teilte mit, die Anklage beinhalte nicht den Vorwurf, dass es Chusjaynowa oder anderen an dem Projekt Beteiligten gelungen sei, den Ausgang einer Wahl zu beeinflussen. Auch gehe man nicht davon aus, dass Amerikaner willentlich beteiligt gewesen seien.

Das Ministerium lobte ausdrücklich die „außergewöhnliche Zusammenarbeit“ von Social-Media-Firmen wie Facebook und Twitter mit den Ermittlern. Facebook und Twitter waren im Zusammenhang mit angeblichen russischen Einflussversuchen bei der US-Präsidentenwahl 2016 mangelnde Kontrollen vorgeworfen worden. Die beiden Firmen haben seitdem zahlreiche verdächtige Konten geschlossen.

Moskau spricht von Ablenkung

Das russische Außenministerium bezeichnete die US-Klage als lächerlichen Ablenkungsversuch. „Wir verstehen, dass Washington einen Vorwand sucht, um wieder einmal seine berühmten Sanktionen gegen unser Land zu rechtfertigen“, sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow am Samstag einer Mitteilung seines Ministeriums zufolge. Mit dem Fall wollten die USA lediglich die Stimmung vor den bevorstehenden Kongresswahlen schüren.

Ermittlungen seit Monaten

Es ist das erste Mal, dass die US-Justiz eine formelle Anschuldigung bei Gericht gegen russische Kreise wegen Interventionen in den laufenden Wahlkampf vorbringt. Zwar hatte US-Sonderermittler Robert Mueller im Juli Anklage gegen zwölf mutmaßliche Hacker des russischen Militärgeheimdienstes erhoben, ihnen wird aber vorgeworfen, mit Computerangriffen gegen die US-Demokraten und das Wahlkampflager von Trumps Gegenkandidatin Hillary Clinton in die US-Präsidentschaftswahl 2016 eingegriffen zu haben.

Moskau hat immer wieder jegliche Einmischung in US-Wahlen kategorisch bestritten. Mueller untersucht seit Monaten, ob es Einmischungen Russlands in die Präsidentschaftswahl in den USA gegeben hat. Er ermittelt in diesem Zuge auch, ob das Lager des damaligen Kandidaten Trump davon gewusst hatte oder gar beteiligt war. Trump weist das regelmäßig zurück und spricht von einer „Hexenjagd“.

Für Empörung in Teilen der US-Öffentlichkeit sorgte ein überaus freundlicher Auftritt Trumps mit Russlands Staatschef Wladimir Putin im Juli bei einem Gipfel in Helsinki. Der US-Präsident unterließ es dort in einer gemeinsamen Pressekonferenz, die mutmaßlich von Russland ausgegangenen Cyberattacken auf die US-Demokraten zu verurteilen.

„Wir sind besorgt“

Das Büro des US-Geheimdienstkoordinators verbreitete am Freitag eine gemeinsame Mitteilung von US-Sicherheitsbehörden, in der es hieß: „Wir sind besorgt über andauernde Kampagnen Russlands, Chinas und anderer ausländischer Akteure inklusive des Iran.“ Ziel dieser Kampagnen sei es unter anderem, die öffentliche Meinung und Regierungspolitik zu beeinflussen. „Diese Aktivitäten könnten auch zum Ziel haben, Wahrnehmungen und Entscheidungen von Wählern bei den US-Wahlen 2018 und 2020 zu beeinflussen.“