Szene aus der Serie „My brillant friend“
WILDSIDE/UMEDIA 2018/EDUARDO CASTALDO
„Meine geniale Freundin“

Ferrantes Freundinnen als Serien-Highlight

„Meine geniale Freundin“, der erste Band des international gefeierten Romanvierteilers der italienischen Schriftstellerin Elena Ferrante wurde von Saverio Costanzo für HBO und die italienische RAI als Serie verfilmt – und kommt diese Woche zunächst ins italienische Fernsehen. Literaturverfilmungen sind stets ein Wagnis, und Ferrante hat es sich nicht leichtgemacht.

Die Autorin, die nur unter ihrem Pseudonym bekannt ist, ist offenbar niemand, der Lockerheit und Unbeschwertheit als Tugend ansieht. Zumindest dürfte sich die Zusammenarbeit mit ihr nicht ganz leicht gestaltet haben. An den 43-jährigen Regisseur hatte sie hohe Erwartungen, wie sie in ihrer Kolumne im britischen „Guardian“ schreibt: „Es ist nichts falsch daran, dass ein Mann meine Bücher verfilmt; es ist sogar ein gutes Zeichen. Aber in diesem Fall darf ich nicht nachgiebig sein. Auch wenn er selbst einen sehr klar definierten, eigenen Blick auf den Stoff hat, verlange ich von ihm, meine Sicht der Dinge zu respektieren, sich meiner Welt anzupassen, sich ganz in meine Geschichte hineinzubegeben, ohne seine daraus zu machen.“

Dabei kann man durchaus sagen, dass ihr die Zusammenarbeit mit genau diesem Regisseur ein großes Anliegen war. Schon vor rund zehn Jahren wollte sie einen Roman von Costanzo verfilmen lassen. Eine riesige Chance für einen jungen Filmemacher – aber nach einem halben Jahr des Überlegens lehnte er ab. Er habe einfach keinen Zugang gefunden, schrieb er ihr. Ferrante antwortete nicht.

Bloß kein Hollywood-Filter

Das klingt nach einer verärgerten Nichtreaktion, aber offenbar war Ferrante beeindruckt und meldete sich für die Verfilmung ihres Welterfolges wieder bei ihm. Er hatte die beiden ersten Bände gelesen und war begeistert. Diesmal konnte er nicht widerstehen. Dass die Wahl auf ihn fiel, war für viele überraschend, weil er außer einer Handvoll kleinerer italienischer Arthouse-Produktionen wenig vorzuweisen hat (international wahrgenommen wurde vor allem „Die Einsamkeit der Primzahlen“).

Viele rechneten mit einem großen Hollywood-Film, der wohl maximalen Gewinn abgeworfen hätte. Aber, so heißt es – und vieles ist im Fall von Ferrante Hörensagen –, Ferrante habe erstens auf einer Serie und zweitens auf einem italienischen Team bestanden. Zu italienisch scheint der Stoff gewesen zu sein, zu groß die Gefahr, dass Hollywood seinen Filter der Ununterscheidbarkeit darübergelegt hätte.

Auf der Suche nach speziellen Gesichtern

Ferrante arbeitete selbst an der Drehbuchadaption mit. Im „Guardian“ schreibt sie, wie schwer ihr das gefallen sei. Anfangs habe sie das Gefühl gehabt, alles Wesentliche zu entfernen. Ohne dieses oder jenes Detail, so habe sie geglaubt, würde die Geschichte verblassen. Dann sei aber ein ganz eigenes Kunstwerk entstanden, von dem sie den Eindruck hatte, dass es funktioniere, auch wenn es keine 1:1-Übertragung des Romans ist.

Leicht machten es sich das Team und Ferrante auch nicht, was das Casting betrifft – Tausende Mädchen und Frauen wurden getestet. Schließlich braucht es für jedes Lebensalter der beiden Freundinnen zwei etwa gleich alte Schauspielerinnen. Es sollten also die jugendlichen Mädchen den beiden Kindern, die die Freundinnen in den ersten Lebensjahren verkörpern, zumindest ähnlich schauen. Keine leichte Aufgabe, wo man doch dezidiert nach sehr speziellen Gesichtern suchte, die eine gewisse Trauer, eine gewisse Gebrochenheit widerspiegeln.

„Geben wir auf“

Diese diffuse Trauer und eine defensiv-skeptische Lebenshaltung (trotz maximaler Begeisterungsfähigkeit) sollten auch in der Serie spürbar sein. Sie sollten spürbar sein – aber nicht explizit erklärt werden, wünschte sich Ferrante. Das war eine der großen Herausforderungen für die jungen Schauspielerinnen: auch in aufregenden und glücklichen Momenten den Schmerz darzustellen. Wie die „New York Times“ nach Sichtung von sechs der acht Folgen schreibt, funktioniert das an manchen Stellen hervorragend, an anderen nicht so gut.

Ferrante formuliert in ihrem „Guardian“-Text und in ihren spärlichen Interviews – eines etwa mit der „New York Times“, eines mit der deutschen „Welt“ – ihre Skepsis, die sich mit Vorbehalten deckt, die oft in Sachen Literaturverfilmung geäußert werden – nämlich, ob man Literatur denn überhaupt verfilmen solle. Mittendrin war sie fast so weit zu sagen: „Geben wir auf – mein Roman eignet sich einfach nicht für eine Verfilmung.“

Und ihre Conclusio, jetzt, wo alles fertig ist? Ferrante äußerte sich zufrieden. Die Verfilmung als Serie sei „eine der möglichen Inkarnationen des Romanstoffs“. Eine Inkarnation, über die sich Fans nach allem, was man bisher über die Serie lesen konnte, wohl freuen dürfen.