Mann mit gefalteten Händen
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Männer lügen häufiger als Frauen

Schummeln, schwindeln, flunkern. Ob aus Höflichkeit, Bescheidenheit oder zum eigenen Vorteil – die Wahrheit ist: Menschen lügen. Bis zu 200-mal am Tag. Und Männer öfter als Frauen, so eine neue Metastudie. Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Je älter, desto ehrlicher werden wir.

Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Max-Planck-Instituts (MPI) für Bildungsforschung und des Technion-Israel Institute of Technology haben 565 Studien mit insgesamt 44.050 Probanden und Probandinnen zum Thema Unehrlichkeit ausgewertet. Die Erkenntnis ihrer Studie „Die Wahrheit über Lügen“: Die Tendenz zu Unehrlichkeit hängt stark von Alter und Geschlecht ab.

Insgesamt logen bei den untersuchten Experimenten 42 Prozent aller Männer und 38 Prozent aller Frauen. Die Vermutung, dass Männer häufiger lügen als Frauen, wurde damit bestätigt. Außerdem lügen Jüngere häufiger als Ältere. Während die Wahrscheinlichkeit, dass jemand lügt, bei einem 20-Jährigen bei etwa 47 Prozent liegt, beträgt sie bei einem 60-Jährigen nur noch 36 Prozent.

Teenager lügen am häufigsten

Doch warum lügen ältere Menschen seltener? Die deutsche Lügenforscherin Kristina Suchotzki von der Universität Würzburg meint dazu etwa: „Lügen ist kognitiv anstrengend. Das kann man etwa durch Reaktionszeiten nachweisen – zumindest im Millisekundenbereich. Ältere Menschen lügen weniger, da sie geringere kognitive Kapazitäten haben.“ Am häufigsten lügen laut Suchotzki Teenager zwischen 13 und 17 Jahren.

Menschen auf der Straße
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Mit einer Lüge geht immer das Risiko einher, erwischt zu werden. Männer scheinen dieses weniger zu fürchten als Frauen.

Der Erstautor der Studie, Philipp Gerlach, sieht eine mögliche Antwort auch in Generationseffekten. „Die jüngere Generation wird derzeit in einer Welt ‚alternativer Fakten‘ groß, in der die Wahrheit zum Teil als bloße Meinung gilt“, meint Gerlach im Gespräch mit ORF.at. Er selbst sei von dem Konzept der „alternativen Fakten“ allerdings sehr beunruhigt. „Ich bin Wissenschaftler. In der Forschung suchen wir ja nach der Wahrheit“, so der Sozialpsychologe.

Frauen lügen weniger, dafür besser

Wer lüge, gehe immer auch das Risiko ein, dabei erwischt zu werden. „Es gibt Studien, die zeigen, dass Männer risikobereiter sind als Frauen. Diese Risikobereitschaft könnte erklären, warum Männer eher bereit sind zu lügen", wie Gerlach sagt.

Eine alternative Erklärung könne seiner Meinung nach auch sein, dass Frauen prosozialer seien. „Einige Studien zeigen, dass Frauen unehrliches Verhalten vor allem dann scheuen, wenn andere Menschen unter den Folgen ihrer Lüge leiden.“ All das seien allerdings nur Spekulationen – eine eindeutige Antwort gebe es laut dem Studienautor nicht.

Auch der bereits verstorbene Wiener Sozialpsychologe Peter Stiegnitz beschäftigte sich sein Leben lang mit dem Thema der Lüge. Er ging davon aus, dass Frauen zwar weniger, dafür meist besser lügen. „Wenn eine Frau das Gefühl hat, irgendetwas stört sie, sagt sie es offen. Der Mann schweigt und führt Selbstgespräche. Frauen sind offener und offensiver“, sagte Stiegnitz einst gegenüber dem Bayrischen Rundfunk. Und wenn Frauen lügen, „dann geschickter und intelligenter als Männer“.

Die Wahl als Grundkonflikt der Lüge

„Der Grundkonflikt jeder Lüge ist die Wahl, die man hat. Entweder ist man ehrlich und verzichtet auf Vorteile oder man lügt, um beispielsweise an mehr Geld, Macht oder Ruhm zu gelangen“, heißt es in der MPI-Studie. Es gehe dabei immer um die Spannung zwischen der ehrlichen und der lukrativen Antwort, so Gerlach. Warum Menschen lügen, hänge von persönlichen Faktoren und Umweltfaktoren ab.

Um diese empirisch zu untersuchen, wurde in vielen publizierten Studien dieser Grundkonflikt in einfachen Experimenten nachgestellt – beispielsweise in Form eines Münzwurfspiels. Dabei werfen die Teilnehmenden eine Münze und geben per Computer das Ergebnis durch. Bei Kopf bekommen sie Geld, bei Zahl gehen sie leer aus.

„Lügen macht das Leben lebenswert“

Wird der Versuch öfter und mit vielen Personen vorgenommen, müsste das Verhältnis von Kopf zu Zahl insgesamt 50 zu 50 betragen. Doch zeigen fast alle Studien, dass Probandinnen und Probanden öfter Kopf als Zahl nennen. Einige lügen also, um mehr Geld zu bekommen.

„Obwohl es zahlreiche Studien gibt, die untersuchen, wer wann und warum lügt, sind die Ergebnisse nicht eindeutig, teilweise sogar widersprüchlich“, sagt MPI-Forscher Gerlach. Durch die Überblicksstudie der großen Datenmenge konnten zumindest zu einigen Faktoren präzisere Aussagen getroffen werden – wie eben zum Verhältnis zwischen Unehrlichkeit, Alter und Geschlecht.

Für den Wiener Sozialpsychologen Stiegnitz war jedenfalls klar: „Wir müssen uns eingestehen, dass wir ohne Lügen nicht leben können. Lügen machen das Leben lebenswerter.“ Die von US-amerikanischen Forschern herausgefundene Anzahl von 200 Lügen am Tag hielt er folglich für sehr realistisch. In einem Interview mit der Zeit bezeichnete er die Lüge einst als „Mörtel der Gesellschaft“. Schließlich seien die meisten Lügen harmlose Komplimente oder Ausreden.