Placido Domingo in Salzburg
Marco Borrelli
Nach Vorwürfen

Domingo in Salzburg demonstrativ gefeiert

Wenige Tage nach dem Bekanntwerden der Belästigungsvorwürfe gegen Opernstar Placido Domingo hat das Salzburger Publikum ein demonstratives Statement gesetzt: Bei seinem Auftritt in der konzertanten Aufführung von Verdis „Luisa Miller“ am Sonntagabend trat das gesamte Ensemble vor dem ersten Ton der Ouvertüre auf die Bühne – und wurde mit minutenlangem Jubel und Standing Ovations gefeiert.

Die „Kleine Zeitung“ (Onlineausgabe) titelte: „Triumph in Salzburg: Trotz ‚MeToo‘ Standing Ovations für Domingo“. Die „Salzburger Nachrichten“ sprachen von „demonstrativem Jubel“ für den spanischen Opernstar und auch international sorgte die Salzburger Reaktion für Aufsehen – vom britischen „Guardian“ bis zur „New York Post“ widmete ihm die Presse ihre Aufmerksamkeit.

Insgesamt neun Künstlerinnen hatten in der vergangenen Woche Anschuldigungen erhoben, wonach der Sänger sie in den 1980er Jahren bedrängt haben soll. „MeToo“ hatte die höchsten Kreisen der Opernszene erreicht – in Salzburg beruft man sich aber auf die Unschuldsvermutung. Derzeit gibt es weder polizeiliche Ermittlungen gegen Domingo noch wurden Beweise für seine angeblichen Belästigungen vorgelegt.

Placido Domingo und das Ensemble von „Luisa Miller“ in Salzburg
Marco Borrelli
Noch vor dem ersten Ton stellte sich das Salzburger Publikum auf die Seite Domingos – mit Standing Ovations und minutenlangem Jubel

Absagen in Kalifornien

Doch erste Konsequenzen muss der Opernstar bereits tragen. Das Philadelphia Orchestra und die Oper von San Francisco sagten Auftritte des spanischen Tenors im September und Oktober ab. Die von Domingo geleitete Oper in Los Angeles will zumindest Ermittlungen einleiten, während die Hamburger Elbphilharmonie, die New Yorker Met Opera, die Mailänder Scala und die Wiener Staatsoper derzeit an den mit Domingo geplanten Konzerten im Herbst und Winter festhalten.

„Ich fände es sachlich falsch und menschlich unverantwortlich, zum derzeitigen Zeitpunkt endgültige Urteile und darauf beruhende Entscheidungen zu fällen“, so Helga Rabl-Stadler, Präsidentin der Salzburger Festspiele, die neben Domingos künstlerischem Talent auch immer wieder öffentlich seinen „wertschätzenden Umgang“ mit Mitarbeitern lobte. Das sehen die klagenden Künstlerinnen, die außer der Mezzosopranistin Patricia Wulf anonym bleiben wollen, naturgemäß anders.

Domingo weist Vorwürfe zurück

Domingo wies die Vorwürfe in einer öffentlichen Erklärung zurück: „Die Anschuldigungen dieser ungenannten Personen, die bis zu dreißig Jahre zurückliegen, sind zutiefst beunruhigend und – so wie sie dargestellt werden – unzutreffend.“ Dennoch sorgen die Anschuldigungen vor allem in Domingos Heimat für heftige Debatten.

Spaniens Sensationspresse ist voll auf das Thema angesprungen, gräbt tief in seiner Vergangenheit. Domingo genießt in Spanien aber einen außerordentlich guten Ruf und ist seit 57 Jahren mit der mexikanischen Sopranistin Marta Ornelas verheiratet, mit der er zwei Kinder hat.