Im dritten Jahr von Festspielintendant Markus Hinterhäuser fällt die Bilanz 2019 gemischt aus. Gemischt in dem Sinn, dass nicht ein Genre über das andere triumphierte. Oper und Schauspiel hielten sich qualitativ die Waage, mit Valery Tscheplanowa stand zudem heuer eine Buhlschaft auf der Bühne des hölzernen „Jedermann“-Klassikers, die mehr war als die Früherkennerin auf dem Weg hinauf zum Gottesgericht.
Die Gattungen auf Augenhöhe
Allesamt musste das Schauspiel also nicht im Schatten des Glanzes der Oper stehen. Im Gegenteil: Das Konzept, auf das frühe 20. Jahrhundert zu setzen, von Maxim Gorki über Ödön von Horvath, ja auch bis Ferenc Molnars „Liliom“ (auch wenn die Premiere hier hinter den Erwartungen zurückblieb), ging auf, sah man doch die Saat aller zeitpolitischen Debatten in diesem Inszenierungen ausgelegt. Und auch die Uraufführung der „Empörten“ von Theresia Walser tat das Ihre, um den Stellenwert des Theaters innerhalb gesellschaftspolitischer Debatten zu behaupten.
Auf der Bühne der Oper strahlte Simon Stones „Medee“, wenn man auf das generelle Feedback blickt. Und es strahlte auch der kühle „Simon Boccanegra“, der inszenatorisch und musikalisch perfekt war und in diesem Feld den Anspruch der Festspiele als herausragendes europäisches Kulturfestival behauptete. Peter Sellars als Auftaktredner traf den Greta-Thunberg-Zeitgeist und unterstrich auch hier eine politische Haltung. Für seine Inszenierung des „Idomeneo“ darf sich Sellars bei Teodor Currentzis bedanken, der diese Oper aus dem „nett designten Meeresmüll“ (dpa) auf der Bühne und Sellars überkommenem Besetzungskonzept rettete. Currenztis’ Interpretation von Dmitri Schostakowitschs „Leningrader“ blieb beim Konzertprogramm ein Markstein – ebenso wie der Auftritt des frischgebackenen Chefs der Berliner Philharmoniker Kirill Petrenko.
Der letzte „Jedermann“
Am Mittwoch wurde die letzte „Jedermann“-Vorstellung bei den Salzburger Festspielen gegeben. Grund genug für die Seitenblicke, die Saison Revue passieren zu lassen.
Grell und krachend fiel Barrie Koskys Umsetzung von Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ aus. Am Ende war man wie der Regisseur auch ein bisschen „erschöpst“ von so viel burleskem Swing.
Am Ende noch „#MeToo“
Am Ende suchte Salzburg auch die „#MeToo“-Debatte heim, nachdem Frauen in den USA Vorwürfe sexueller Übergriffe gegen Weltstar Placido Domingo erhoben hatten. Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler stellte sich vor den Star, der die Vorwürfe zurückgewiesen hatte und der mit Salzburg eine mehr als enge Bindung unterhält. An seinem Auftritt in einer konzertanten Aufführung von Giuseppe Verdis „Luisa Miller“ wurde festgehalten, ein Umstand, den das Publikum demonstrativ feierte. In Haltungsfragen behauptet Salzburg den Anspruch, eine eigene Welt mit eigenen Maßstäben zu sein. Oder zumindest das Prinzip der Loyalität nicht zu vergessen.