Horst Seehofer
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Asylstreit

CSU-Politiker auf Distanz zu Seehofer

CSU-Chef Horst Seehofer gerät wegen seiner Linie in der Asylpolitik auch parteiintern zunehmend in die Kritik. Der CSU-Politiker Stephan Bloch warf dem Innenminister in der „Rheinischen Post“ (Freitag-Ausgabe) vor, mit Ideologie statt mit Inhalten Politik zu machen.

„Wir brauchen keinen Masterplan für die Asylpolitik, sondern einen Masterplan für die Zukunft“, so Bloch, der vor Kurzem die CDU/CSU-Plattform Union der Mitte gegründet hatte, die sich hinter den Kurs der deutschen Kanzlerin Angela Merkel stellt. Sein Mitstreiter und Parteifreund Josef Göppel kritisierte: „Im Streit um Asyl sind Parolen der AfD übernommen worden, und in der Wortwahl wurde der bürgerliche Anstand verlassen.“

In Umfragen abgestürzt

Die Wortmeldungen folgen auf neue Umfragewerte, die der Bayerische Rundfunk (BR) am Mittwoch veröffentlichte. Darin stürzte die CSU auf 38 Prozent ab – das ist der niedrigste Stand seit der ersten Erhebung vor 20 Jahren, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“). Fast 70 Prozent der Bayerinnen und Bayern sind laut Umfrage gegen eine Alleinregierung der CSU – diese würde sich nach den derzeitigen Zahlen aber sowieso nicht ausgehen.

Im Hinblick auf die Landtagswahl in Bayern am 14. Oktober zeigte sich der bayrische Ministerpräsident Markus Söder von den Umfragewerten nicht sonderlich überrascht. „Die Stimmungsdelle war nach den letzten Wochen leider erwartbar. Streit nützt nie“, sagte Söder gegenüber der „SZ“. „Wir setzen auf Landespolitik pur“, so Söder zu seiner Strategie bis zur Wahl.
Seehofer: „Haltung zeigen“

Seehofer will „Haltung zeigen“

Kurz nach Bekanntwerden der Zahlen des BR sagte Seehofer, dass sich die Partei nicht von schlechten Umfragewerten irritieren lassen dürfe. „Haltung zeigen, habe ich jetzt seit Monaten gehört. Haltung zeigen und handeln“, so der CSU-Chef. Es gebe keinen richtigeren Satz. „Darum geht es jetzt, in aller Sachlichkeit und mit allem Einsatz. Das ist jetzt die Aufgabe für die nächsten Monate.“

In Söders Richtung sagte er: „Bayern steht blendend da, und Markus Söder stützt sich auf eine absolute Mehrheit, die wir 2013 unter meiner Führung geholt haben.“ Bayern könne „also handeln, die Staatsregierung ist auf keinen Koalitionspartner angewiesen, das ist ein großer Vorteil für den Wahlkampf“. Der deutsche Innenminister wies zugleich Spekulationen zurück, dass er bei einem Debakel bei der Landtagswahl als Parteivorsitzender zurücktreten könnte: „Das ist eines von diesen Märchen, die jetzt überall herumerzählt werden. Daran beteilige ich mich nicht.“
„Abkehr von der Gründungsidee“

„Sehe Abkehr von Gründungsidee“

Doch die Kritik an Seehofer hält an. Göppel sagte dem Radiosender Bayern 2, er sei seit 48 Jahren in der CSU, aber im Streit über die Asylpolitik sei sein Vertrauen in die Parteispitze erstmals erschüttert worden. „Ich sehe darin eine Abkehr von der Gründungsidee der Union, dass sich christlich orientierte Menschen zusammenschließen.“

Bloch vertritt die Ansicht, der von Seehofer vorgelegte „Masterplan Migration“ komme zu spät. „Ein Masterplan für die Flüchtlingspolitik wäre 2015 nötig gewesen. Nun werden die Probleme langsam kleiner“, sagte er der „Rheinischen Post“. Doch Seehofer und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt setzten Ideologie an die Stelle von Inhalten. „Die Bundes-CSU hat sehr viel kaputtgemacht.“ Er sehe manches anders als die Kanzlerin und CDU-Chefin Merkel. Aber: „Ich zolle ihr Respekt für ihre sachliche Arbeit.“

CSU-Führung „bedauert“ Streit mit Merkel

Aus der CSU-Führung kommen angesichts der Umfragewerte auch selbstkritische Töne. „Ich persönlich bedauere, dass der Streit so eskaliert ist“, sagte der bayrische Innenminister Joachim Herrmann am Mittwoch im Deutschlandfunk mit Blick auf den Konflikt zwischen Seehofer und Merkel über die Flüchtlingspolitik.

Er könne nachvollziehen, dass sich viele über Stil und Form dieses Streits geärgert hätten. Herrmann forderte die CSU auf, das Thema Flüchtlinge nicht mehr so ins Zentrum zu rücken und sich wieder stärker anderen Themen zu widmen. „Wir müssen die Sachthemen in den Vordergrund stellen.“

Auch evangelische Kirche kritisiert Seehofer

Kritik an Seehofers Kurs bei der Asylpolitik kommt auch von der Kirche: Der Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, warf der CSU eine einseitige Haltung vor. „In den letzten Monaten hat man aus der CSU im Hinblick auf die Flüchtlingspolitik immer nur davon gehört, wie man Flüchtlinge von uns fernhalten kann“, sagte der bayrische Landesbischof der „Welt“ (Freitag-Ausgabe).

Innerhalb der CSU, so Bedford-Strohm, sei „insbesondere aus kirchlich engagierten Kreisen zu Recht beklagt worden, dass in den vergangenen Monaten der Grundton in der öffentlichen Debatte verändert wurde, um Wähler der AfD zurückzugewinnen“. Das aber habe sich für die CSU nicht nur als erfolglos erwiesen, „sondern war auch inhaltlich unangemessen“. Denn „die christlichen Grundorientierungen, die bei der CSU im Parteinamen stehen, beinhalten die Selbstverpflichtung, sich einer angemessenen Sprache zu bedienen“.

Merkel: „Tonalität“ war „sehr schroff“

Bei ihrer letzten Pressekonferenz vor der politischen Sommerpause in Berlin äußerte sich die deutsche Kanzlerin zum unioninsternen Streit. Sie befürworte ganz klar, dass Meinungsverschiedenheiten ausgetragen werden, sagte Merkel am Freitag. Die „Tonalität“ des Konflikts sei aber teilweise „sehr schroff“ gewesen.

Sie messe der Sprache eine „große Bedeutung“ zu und sie werde sich immer wieder gegen „bestimmte Erosionen der Sprache“ wenden, so die CDU-Chefin. Denn Sprache sei ein „Ausdruck von Denken“, deswegen „muss man sehr vorsichtig sein“. Insofern sei die Form, in der die Auseinandersetzung geführt worden sei, „sicherlich noch verbesserungsfähig“.

Deutsche Kanzlerin sieht mehr Politikverdrossenheit

Auf die Frage, ob Merkel mit Seehofer noch zusammenarbeiten könne, nachdem dieser ihre Richtlinienkompetenz infrage gestellt hatte, sagte Merkel laut „SZ“: „Für mich ist der Maßstab, dass Minister nur jemand sein kann, der diese Richtlinienkompetenz akzeptiert.“ Damit könne die Zusammenarbeit mit Seehofer auch künftig funktionieren. Wichtig sei, dass eine Regierung handlungsfähig sei.

Gefragt, ob der Konflikt mit Seehofer zu mehr Politikverdrossenheit geführt habe, sagte Merkel: „Ich glaube, dass das so ist.“ Die europäische Asylpolitik sei aus ihrer Sicht aber etwas, wofür es sich zu streiten lohne. Merkel betonte: „Das ist für mich eine zentrale Frage meiner Politik.“