Eine Frau kocht
ORF.at/Dominique Hammer
Fit und schlank

Der Kampf um die richtige Diät

Wer Gewicht verlieren und gesünder leben möchte, steht vor einer schwierigen Frage: Ist es jetzt besser, weniger Fett zu essen oder Kohlenhydrate zu reduzieren? Eine Frage, die die Wissenschaft bis heute nicht beantworten konnte und die zahlreiche Ernährungsmythen zur Folge hat.

Schweinefleisch sei ungesund, wegen des hohen Fettanteils. Gleiches gelte für Butter. Und Eier sollten auch nicht allzu oft auf dem Speiseplan stehen. Diese Vorurteile kursieren seit den 1960er Jahren und halten sich hartnäckig. Damals verbreitete sich von den USA kommend die Theorie, dass cholesterinhaltige Nahrung die Hauptursache für Herzinfarkte sei. Wer also abnehmen oder insgesamt gesünder sein wollte, sollte das durch eine Fettreduktion erreichen.

Marketing statt Wissenschaft

Ausgangspunkt der weltweiten Cholesterinpanik war eine Studie des US-Physiologen und Ozeanographen Ancel Keys. Der publizierte 1958 seine Siebenländerstudie, die Cholesterin und damit tierische Fette zur gesundheitlichen Gefahr stempelten. Dass die Untersuchung eine Fälschung war, wurde erst Jahrzehnte später klar. In der Zwischenzeit fuhr die Margarineindustrie in den USA enorme Gewinne ein.

Schüssel mit Müsli
Getty Images/Claudia Totir
Das Image kohlenhydratreicher Lebensmittel hat von der Lebensmittelpyramide nachhaltig profitiert

Von der Vorstellung, eine kohlehydratreiche Kost sei gesund, profitierten auch Getreide- und Kartoffelbauern über Jahrzehnte. Die erste Ernährungspyramide, die die Zusammensetzung eines gesunden Speiseplans auf einen Blick ersichtlich machen sollte, erschien Anfang der 90er Jahre in den USA.

Bald darauf eroberte dieses Modell die westliche Welt. Doch diesem Konzept habe immer schon die wissenschaftliche Basis gefehlt, sagt der Ernährungsmediziner Maximilian Ledochowski. „Die Urheber waren Marketingleute und Lobbyisten, keine Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“, so Ledochowski.

Im Dienste der Landwirtschaft

Die erste offizielle Behörde, die diese Ernährungspyramide propagierte, hatte nichts mit Gesundheit oder Ernährung zu tun. Es handelte sich um das Landwirtschaftsministerium der USA. Und so verwundert es auch nicht, dass diese Pyramiden lange auf einem dicken Sockel aus Getreideprodukten wie Brot, Nudeln und Reis standen.

Ein bis heute verbreitetes Abnehmkonzept, das das „Low Fat“-Mantra zunächst berücksichtigte, stammt von Weight Watchers. Jean Nidetch, die sich laut „New York Times“ selbst als übergewichtige Hausfrau bezeichnete, gründete die Organisation 1963. Das Diätsystem der Weight Watchers hat sich seit damals stark verändert, beinhaltet aber immer noch die Idee des gemeinsamen Abnehmens in der Gruppe, soziale Kontrolle inklusive. Heute operieren Weight Watchers in 40 Ländern und Oprah Winfrey gehört zu den bekanntesten Aktionärinnen.

Das Eiweiß schlägt zurück

Anfang der 1970er Jahre publizierte Robert Atkins sein Buch „Diät-Revolution“, in dem er einen völlig anderen Ansatz propagierte: Wer auf Kohlenhydrate wie Zucker, Getreide und Erdäpfel verzichtet, würde Gewicht verlieren und zahlreiche Krankheitsrisiken minimieren. 1972 gab es darauf wenig Resonanz. Erst als 1992 „Die neue Atkins-Diät“ erschien, verbreitete sich die Idee einer eiweißreichen, kohlehydratarmen Kost von den USA kommend auf der ganzen Welt. Wissenschaftlich fundiert ist dieser Ernährungsplan jedoch auch nicht.

Bis heute gibt es keine wissenschaftliche Einigkeit, ob nun eine kohlehydratarme oder eine fettarme Kost mehr Erfolg beim Abnehmen und eine gesündere Konstitution bringen. Alle paar Monate erscheint eine neue Studie zu diesem Thema, meist mit widersprüchlichen Ergebnissen. Eine Vergleichsuntersuchung mit 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Universität Stanford kam vor Kurzem zu dem Schluss, dass beide Strategien gleich effizient sein könnten, der Erfolg aber unter anderem von genetischen Faktoren abhänge. Die wolle man nun erforschen.

Zu viel des Falschen

Konsens herrscht dafür beim Thema Zucker. Dass in westlichen Industrienationen, allen voran den USA, immer mehr Menschen schwer übergewichtig sind, liegt unter anderem am massenhaften Konsum von zuckerhaltigen Limonaden und Softdrinks. Die werden vor allem in den USA mit fructosereichem Zucker aus Maissirup hergestellt.

Limonaden-Flaschen
Getty Images/iStockphoto/bhofack2
Süße Limonaden und Softdrinks stehen schon seit einigen Jahren in der Kritik der Ernährungsmedizin

Der Fruchtzucker, auch Fructose genannt, habe lange als gesündere Alternative zu herkömmlichem Haushaltszucker gegolten, wegen seines günstigeren Einflusses auf den Blutzuckerspiegel, sagt der Ernährungsmediziner Cem Ekmekcioglu von der Medizinischen Universität Wien. Seit etwa zehn Jahren wisse man aber, dass die Fructose den Fettstoffwechsel stören und zu viel davon zu einer Fettleber führen könne.

„Bei einem hohen Fructoseverzehr beobachten wir mitunter auch ähnliche Symptome wie bei einer Milchzuckerunverträglichkeit“, so Ekmekcioglu. Ist das der Fall, kann der Darm den Fruchtzucker nicht aufnehmen und reagiert gereizt. Da Zucker, auch Fructose, in vielen industriell gefertigten Lebensmitteln als Geschmacksstabilisator eingesetzt wird, bemerken viele Menschen gar nicht, wie viel Zucker sie tagtäglich konsumieren.

Frei von allem

Gänzlich auf industriell gefertigte Nahrungsmittel zu verzichten, ist das Ziel des „Clean Eating“. Ein Konzept, das zwischen Ernährungstrend und Diätplan einzuordnen und seit einigen Jahren verbreitet ist. Wer „sauber“ isst, kauft nur Biozutaten ein und nimmt keine Konservierungsstoffe, künstliche Aromen oder Stabilisatoren zu sich. Ein anderer Trend, der sich Anfang der 2010er Jahre durchsetzte, war Paleo-Kost: Essen wie in der Steinzeit. Auch hier stehen gar keine Fertigprodukte auf dem Speiseplan, stattdessen gibt es viel Fleisch, Nüsse und Beeren. Einige folgen dem Paleo-Plan, um abzunehmen, andere wollen damit gesünder leben.

Diesen neueren Ernährungskonzepten gemein ist, dass niemand mehr von einer „Diät“ spricht. In Sozialen Netzwerken werden sie schlicht als „gesündeste“ Ernährungsweise propagiert, Gewichtskontrolle inklusive. Laut „Guardian“ gilt das auch für vegane Ernährung, die spätestens 2018 vom Trend zum Mainstream geworden ist. In herkömmlichen Supermärkten werden Lebensmittel und Getränke als vegan vermarktet und die Nachfrage nach solchen Produkten steigt immer weiter an. Auf tierische Produkte zu verzichten, sei für viele jedoch mehr Diät als Ausdruck einer tierschützerischen Überzeugung, heißt es im „Guardian“.

Die einzig wahre Methode

In der Ernährungsmedizin werden die Anhängerinnen und Anhänger solcher Ernährungskonzepte als Orthorektikerinnen bzw. Orthorektiker bezeichnet – ihr größtes Anliegen ist es, „richtig“ zu essen. Zwar geht es den meisten immer noch darum, Gewicht zu verlieren oder ein niedriges Gewicht zu halten, die entsprechenden Produkte und Ratgeber werden jedoch ausschließlich mit dem Schlagwort „gesund“ vermarktet. Laut „Guardian“ hat das einen einfachen Grund: Die „einzig richtige“ Ernährungsweise zu propagieren, sei in Sozialen Netzwerken wesentlich erfolgreicher, als schlicht ein paar Kilos loswerden zu wollen.