Helikopter auf dem Mount Everest
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Inszenierte Rettungen

Nepal kämpft gegen Imageschaden

In Nepal hält ein millionenschwerer Betrugsskandal rund um inszenierte Hubschrauberrettungen die Politik auf Trab. Über Jahre wurden Reisende von Touranbietern krank gemacht, um dann bei deren Versicherungen abzukassieren. Die Regierung ist nun bemüht, den Imageschaden abzuwenden.

Das Bekanntwerden des Betrugsskandals stürzte die Tourismusbranche des Himalaja-Landes in eine Krise. Und weil diese mit rund 1,5 Milliarden Euro an Einnahmen den wichtigsten Wirtschaftszweig Nepals darstellt, war auch die Regierung prompt um Schadensbegrenzung bemüht. Immerhin hat es sich das Land zum Ziel gemacht, ab 2020 pro Jahr zwei Millionen Besucherinnen und Besucher anzuziehen.

Regierung setzt Maßnahmen gegen Betrug

In dem Versuch, den Schaden für den heimischen Tourismus klein zu halten, veröffentlichte das Tourismusministerium daraufhin neue Weisungen für Hubschrauberanbieter, Reiseveranstalter sowie Spitäler. Demnach muss für jede Rettung fortan binnen zehn Tagen eine detaillierte Honorarnote an ein eigens geschaffenes Regierungskomitee übermittelt werden. Außerdem gibt es eine Obergrenze bei Kosten für Hubschrauberrettungen.

Helikopter auf einem Berg in Nepal
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Nach dem Betrugsskandal hat die Regierung eine Obergrenze bei Kosten für Hubschrauberrettungen eingeführt

Die neuen Regelungen sehen auch vor, dass Reiseanbieter ihre Kundschaft selbst versichern müssen. Dubiose Mittelsmänner, die die Rettungen bisher organisierten, wurden abgeschafft. Obendrein soll nun gegen mindestens 15 Firmen rechtlich vorgegangen werden. Am Betrug sollen laut Regierung neben acht Touranbietern auch vier Krankenhäuser und drei Hubschrauberanbieter beteiligt gewesen sein.

Künstlich Durchfall herbeigeführt

Sie hätten in einigen Fällen zusammengearbeitet, um Reisende krank zu machen, diese per Hubschrauber abzutransportieren und dann überteuerte medizinische Behandlungen durchzuführen. So sei das Essen mancher Wanderer mit Backpulver versetzt worden, um künstlich Durchfall herbeizuführen.

Anschließend wurden laut Angaben des Tourismusministeriums Dokumente gefälscht, um so die Nottransporte zu rechtfertigen und letztlich bei den Versicherungsfirmen abzukassieren. Auch Bestechungsgelder an Hotels, Reiseleiter sowie betroffene Wanderer sollen geflossen sein.

Jede dritte Rettung inszeniert?

In Kathmandu reagiert man mit der Reihe an Maßnahmen aber auch auf die Drohungen von Versicherungsunternehmen, das Land zu verlassen. Immerhin kostete der Skandal die Unternehmen laut einem Bericht der Versicherungsindustrie mehr als vier Millionen Dollar (rund 3,4 Mio. Euro). Für Reisende würde der Rückzug großer Versicherer höhere Kosten bedeuten. Schon jetzt müssen diese für eine Wanderung im Himalaja-Gebirge mit hohen Ausgaben rechnen. Alleine eine Lizenz für die Besteigung des Everest kostet mehrere tausend Euro.

Bergsteiger auf dem Mount Everest
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2017 stellte Nepal die Rekordzahl von 373 Lizenzen an ausländische Reisende für die Besteigung des Mount Everest aus

Grundsätzlich stellte das Unternehmen Traveller Assist, das internationale Versicherungsunternehmen berät, fest, dass rund ein Drittel der bisher 1.600 Hubschrauberrettungen in Nepal inszeniert waren. In einem 700-seitigen Untersuchungsbericht des Tourismusministeriums findet sich etwa ein Fall, in dem ein lokaler Anbieter einer Versicherungsanstalt nach einer Rettung 50.000 Euro in Rechnung gestellt haben soll. In einem weiteren Fall soll ein lokaler Anbieter zwei separate Rechnungen zu je mehreren zehntausend Euro für ein und dieselbe Rettung gestellt haben.

Geheimer Ermittler auf Suche nach Antworten

Ein ähnliches Erlebnis schildert der Bergsteiger Danny Kaine im „Guardian“. Kaine ermittelte insgeheim für Traveller Assist, um herauszufinden, warum 2017 das bis dato teuerste Jahr für Versicherer im Land war. Nachdem Kaine sich während der Wanderung über Kopfschmerzen beklagte, wurde er ins Tal geflogen. Gekostet hatte das Unterfangen 12.000 Dollar. „Ich hätte auch einfach zwei Advil (Kopfschmerztabletten) nehmen können und das wäre okay gewesen.“

Die zunehmende Beliebtheit Nepals bei Touristinnen und Touristen ist Kaine zufolge der Grund, dass viele neue Anbieter tätig werden. Mit Touren, die halb so teuer wie jene von etablierten Anbietern sind, wollen sie Kundschaft gewinnen. Und weil sie pro Wanderung zu Schnäppchenpreisen Verluste schreiben, müssen sie auf anderem Wege wieder Geld eintreiben. Kaine deutet dabei an, dass die Anbieter so in die Illegalität abrutschen.

Zu häufige Rettungen waren auffällig

Der Ursprung des Betrugsskandals seien die Investitionen der Rettungsfirmen in Hubschrauber seit dem Jahre 2010 gewesen, so Tim Riley von der Versicherungsanstalt True Traveller gegenüber dem „Guardian“. Immerhin müssten auch diese – ähnlich wie unseriöse Anbieter, die mit Billigangeboten werben – ihre Investitionen wieder zurückbekommen, sagt Riley.

Vergangenes Jahr habe True Traveller etwa 40 Rettungen finanzieren müssen. Das sind viel mehr Rettungen als in anderen bei Bergsteigern beliebten Gegenden. Zum Vergleich nennt Riley den höchsten Berg Afrikas, den Kilimandscharo, wo die Firma in den letzten acht Jahren eine einzige Hubschrauberrettung finanzieren musste.

In Nepal stieg die Anzahl an Wandertouristinnen und -touristen mit Stand 2017 auf rund 75.000 und verzeichnet somit einen Anstieg von 13 Prozent zum vorausgegangenen Jahr 2016. 2017 wurden zudem 373 Zulassungen für die Besteigung des Mount Everest an ausländische Bergsteigerinnen und Bergsteiger vergeben – das sind so viele wie nie zuvor. Daraufhin wurde allerdings auch gewarnt, dass der Berg gefährlich überlaufen sei.